Doctor‘s House, Liuli, TZA // 09:30 Ortszeit
Ich versuche jetzt mal die letzte Woche halbwegs geordnet runterzuschreiben, könnte lang und durcheinander werden. Aber der/die geneigte Leser:in sollte es ja gewöhnt sein. Also beginnen wir am
Montag
Dieser Morgen sollte, wie an jedem Montag und Freitag, mit einer Besprechung um acht Uhr starten. Das Wissen, über die Pünkltichkeit in dieser Region, lies uns erst um 20 nach acht aufbrechen, bei unserer Ankunft waren wir immer noch unter den ersten. Nach dem Nachtreport (auf Englisch) wurde die Besprechung in Swahili fortgesetzt. Manche Brocken sind ja mittlerweile doch zu verstehen, es ging wohl auch um die Notwendigkeit, Medikamente der dritten oder vierten Wahl zu geben, da diese teilweise deutlich günstiger sind als die Medikamente der ersten Wahl. Allerdings gibt es Patient:innen, die sich weder die Beitrage der Krankenversicherung (laut Dr. Evans um die 100.000 TSH ≈ 39,80€ jährlich), noch die teuren Medikamente leisten können. Bevor nichts gegeben wird, lieber günstig und nicht ganz so gut, aber besser als nichts. Klingt doof, ist es auch, aber hier mal wieder ohne echte Alternative. Zudem wurde noch über ein Angebot von Interplast aus Deutschland diskutiert. Interplast ist ein gemeinnütziger Verein, der kostenlos plastische Operationen in Entwicklungsländern durchführt. Ich hoffe, dass alles mit der Organisation klappt, es wäre eine echt gute Sache, wenn diese Organisation mal zwei Wochen hier tätig werden könnte. Ansonsten verlief die Morgenbesprechung wie immer, am Anfang und am Ende wurde gebetet, es wurde teilweise echt laut, irgendwo lief Fußball…
Da Dr. Evans noch nicht zurück war, machte sich Dr. Mathews mit Rebecca und mir auf den Weg zur Runde. Hier ist vor allem eine Patientin aufgefallen. Was jetzt kommt, ist in Deutschland absolut undenkbar, hier aber aufgrund der Infrastruktur nicht anders machbar. Im Bett lag eine Patientin mit immer wiederkehrenden Krampfanfällen. Beim Betreten des Zimmers mussten wir die Patientin mal wieder medikamentös aus ihrem Krampf „rausholen“. Glücklicherweise waren die Schutzreflexe noch vorhanden, so musste keine Schutzintubation stattfinden. Normalerweise wäre das Vorgehen, diese Patientin möglichst schnell in einen Computertomographen (aka. „Röhre“) zu schieben, um zu sehen, ob die Patientin nicht vielleicht doch eine Hirnblutung hätte. Ein Krampfanfall ist nie eine Diagnose, immer nur ein Symptom, ein Hinweis auf eine Erkrankung. Jetzt gibt es hier diverse Probleme: Einerseits gibt es hier kein CT, andererseits kann man hier nicht mal einfach den Rettungsdienst bestellen, der die Patientin einlädt und verlegt. Gibts hier nicht. Das nächste Problem ist das Geld: Patientin nicht versichert, also muss erst das Geld für die Verlegung und die anschließende Diagnostik und Behandlung zusammengekratzt werden. Das nächste Krankenhaus mit CT wäre das „Ikonda Hospital“ in Njombe. Wenn ich einem bekannten Kartendienst glauben will, dann wären das 513 km und ca. 8 Stunden und 35 Minuten reine Fahrtzeit. Wenn man mit dem Auto fahren würde. Oder dem Rettungsdienst. Aber da beides kaum zu realisieren ist, wird eine ganze Bank, meistens die Rückbank, im Bus gebucht, dort kann sich die Patientin dann hinlegen und ein:e Angehörige:r begleitet. Die Reise mit dem Bus bedarf allerdings einer Übernachtung in Songea. Bis dahin ist die Sache mit dem Geld natürlich noch nicht geklärt, allein die CT-Untersuchung wird vermutlich 300.000 TSH (also gute 120 €) kosten. Glücklicherweise konnte sich die Familie alles leisten, und so konnte Dr. Mathews noch am gleichen Tag alles für die Verlegung fertig machen. Wer jetzt allerdings denkt, dass nur diese Region so abgehängt ist, der irrt. Die Dichte an Computertomographen ist unglaublich gering in diesem Teil der Welt.
Ansonsten gab es noch einen Patienten, der mit einer proximalen Humerusschaftfraktur (also Bruch des Oberarms, weit oben) kam. Normalerweise würde man hier einfach ein Gilchrist anwenden. Das ist eine spezielle Bandage für genau sowas, kann auch nach kurzer Zeit schon wieder bewegt und beübt werden. Aber kein Gilchrist da, auch keine der Alternativen, also doch ne Gipsschiene. Macht man eigentlich nicht mehr, aber mal wieder der Mangel an Allem und vor allem an Alternativen. Übrigens kam dieser Patient mit dem Motorradtaxi „Picky-Picky“.
Der Rest des Krankenhaustages verlief wie immer, ein wenig Station hier, etwas OPD da, nur kein Kaiserschnitt. Ansonsten alles wie immer.
Um 15:00 Uhr waren wir mit Gift, dem Hospital Secretary, verabredet. Das Krankenhaus möchte uns etwas für unsere Arbeit zurückgeben, wir wurden zu ihm ins Büro bestellt und waren auch wenige Minuten später schon unterwegs zum Stoffhändler in den Ort. Hier durften sich Rebecca und ich jeweils einen Stoff aussuchen, mit dem Stoff wurde dann direkt nebenan zum Tailor gegangen. Ich freute mich etwas, sagte auch zu Rebecca, es gäbe nur einen Taylor. Auf etwas verdutzte Blicke hakte ich mit „Na Corey Taylor!!“ nach. Ein vernichtendes „Kenn ich nich“ kam zurück. Schade schade. Aber egal. Man hörte schon direkt die Nähmaschinen der Firma Singer, wenn ich es richtig ergoogelt habe, ca. 130 Jahre alt, aber immer noch fleißig am Nähen. Der Chef-Schneider nahm unsere Maße, notierte sich diese in waschechter Künstler- (oder Geheim-??) Handschrift und wir durften uns entsprechend etwas wünschen. Seeeehr spannend was dabei rauskommt. Soviel vorweg: Leider hatte der Stoffhändler keinen komplett schwarzen Stoff, dementsprechend wurde für mich der erste Stoff ausgesucht, den ich mehr oder minder zufällig in der Hand hatte. Wieso ich diesen Stoff in die Hand genommen hatte, erklärt wohl das folgende Bild:

Den restlichen Abend verbrachte ich zunächst mal alleine, Rebecca wurde von Kopfschmerzen geplagt und verabschiedete sich früh ins Bett. Im Laufe des Abends kam noch ein Watch-Man vorbei, dieser erzählte mir, dass es ihm aktuell nicht so besonders gut gehen würde. Fieber hätte er auch. Irgendwann entschloss ich mich dann doch, mit ihm ins Krankenhaus zu gehen. Ich rief Damas an und wir trafen uns wenige Minuten später dort. Im Labor konnte glücklicherweise eine Malaria ausgeschlossen werden, besonders bei schwerer Malaria wäre es wichtig gewesen, direkt mit intravenösen Medikamenten zu starten. Der Widal-Test deutete allerdings auf Typhus hin. Nichts seltenes hier, er bekam direkt 1g Ceftriaxon (ein Antibiotikum) intravenös und Ciprofloxazin (ein anderes Antibiotikum) rezeptiert. Die Gabe des Ceftriaxon war mal wieder total anders als gewohnt: Es wurde mit einem Stück Gummiband gestaut, aus Mangel an Desinfektionsmitteln wurde die Vene direkt punktiert und das Medikament einfach langsam „aus der Hand“ gespritzt. Sehr ungewöhnlich, eigentlich sollte eine Kurzinfusion mit Zugang und allem drum und dran genutzt werden. Aber der Mangel an Material… Naja, zumindest ging er zurück zu seinem Wachposten direkt vor dem Doctor‘s House, nach Hause wollte er nicht. Ich sagte ihm, dass er sich jederzeit melden könnte wenn‘s was gäbe, und verabschiedete mich auch ins Bett.
Dienstag
Der Dienstag begann etwas später, um 20 nach 9 waren wir im OPD mit Damas. Glücklicherweise war Rebecca wieder hergestellt! Im Endeffekt war nicht so viel Spannendes dabei, außer einer (seit langem) versorgungsbedürftigen Wunde und einem fünfzehnjährigen schwangeren Mädchen (wieder der Mangel an allem, hier an Verhütungsmitteln) gab es hier nichts Besonderes oder Erwähnenswertes. Außerdem möchte ich euch nicht mit zu viel Text quälen. Die Runde mit Dr. Matthews konnte erst um kurz vor zwölf begonnen werden. Leider sahen wir außer einem septischen Baby wieder unsere Patientin mit den Krampfanfällen von gestern. Die Familie konnte das Geld gestern nicht früh genug besorgen, also kann die Verlegung erst morgen früh stattfinden. Traurig aber wahr. Ansonsten waren wir an diesem Dienstag sehr lange im Krankenhaus, aber so ist das eben manchmal.
Der Abend sollte eher entspannt werden. Außer Sonnenuntergang am Strand sehen war nix geplant. Rebecca wollte noch schwimmen gehen, ich noch Blog schreiben und so entschieden wir uns, zu Jo in die Bar zu laufen. Dort angekommen trafen wir ein paar andere Jungs. Dort sitzen häufiger mal unbekannte Gesichter, doch diese drei Männer schienen echt ganz witzig zu sein. Vor allem einer: Sitzt da, Rasta, Oberkörperfrei, Basecap, Sonnenbrille. Schaut eigentlich zehn Minuten nur geradeaus, irgendwann dreht er langsam den Kopf, schaut mich an und sagt in leichtem Slang: „Heeey maaaaaaaaan“. Der erste Gedanke war: „Uff, was ist das denn fürn komischer Typ, vielleicht bisschen zu viel geraucht oder was?“. Aber der Gedanke sollte sich als komplett falsch rausstellen. Ich fing an, mich mit ihm zu unterhalten, als er mich dann auf Deutsch begrüßte, war ich zunächst etwas verdutzt. Wir kamen ins Gespräch, er erzählte mir, dass sein Name Richard ist, er mal über zehn Jahre lang Guide für den Kilimanjaro und Safaris war, stammt aus Moshi. Mittlerweile hat er schon in London, Indonesien und Osaka gewohnt und lebt aktuell in Adelaide. Die anderen zwei Jungs stellten sich übrigens als seine Brüder raus, alle sind aktuell zu Besuch, um hier ihre Oma zu sehen. Coole Sache. So kamen wir über ein paar Bier ins Gespräch und machten für den nächsten Tag einen gemeinsamen Bootstrip aus. Gott sei Dank wollte Rebecca zu Jo laufen… Nach einigen Stunden verabschiedeten wir uns dann nach Hause ins Bett und freuten uns auf den nächsten Tag.

Mittwoch
Der Mittwochmorgen begann wieder in gewohnter Weise. Zunächst machten wir uns auf den Weg zur Ward-Round mit Dr. Evans. Hier hab es eigentlich nichts besonderes zu verzeichnen, nur eine Patientin, die auf dem Weg zum OP auf der Transferliege entbunden hat. Scheinbar hatte der Kleine doch keine Lust auf nen Kaiserschnitt und entschloss sich, den natürlich vorgegeben Weg zu nehmen. Kind gut, Mutter gut, alle zufrieden, alles bestens.
Auch im OPD war an diesem Tag nichts besonderes zu melden. Die alltäglichen Probleme wie Malaria, Typhus, Harnwegsinfekte und Bluthochdruck standen wieder auf dem Plan. Auch stellten sich einige Patientinnen und Patienten mit Kopfschmerzen und unkomplizierten Atemwegsinfekten (also Schnupfen) vor. Normalerweise keine große Sache, teilweise wird aber auf tendenziell unkonventionelle Therapien bestanden. Naja, wir können zwar etwas dazu sagen, aber wohl kaum ändern. Zu der Sache mit dem Bluthochdruck: Nach unserer Frage, ob man die Patientin nicht mal in einer kardiologischen Praxis vorstellen könnte, zog Dr. Evans seine Stirn in solche Falten, dass sie es mit jedem Waschbrett hätte aufnehmen können. Eine Kardiologie ist hier wohl sowas wie ein absoluter Super-Spezialist, mit Glück sind ein paar Praxen in Dar Es Salaam zu finden, aber im Inland, und vor allem in dieser Region, natürlich gar nicht. Soviel zu der Versorgungsstruktur hier.
Im Laufe des Vormittags wurden wir dann noch zu einem Notfall auf der Frauenstation gerufen. Hier wurde ein sechszehnjähriges Mädchen mit inkomplettem Abort vorstellig. Ob es wirklich so war oder nicht, war kaum rauszubekommen, allerdings meinte Dr. Evans, dass es tatsächlich recht häufig ist, dass der Abort selbst herbeigeführt wird und auch ebenso häufig schief geht. Eine wirklich schlimme Sache für die jungen Frauen. Physisch und vor allem psychisch unglaublich belastend, von den gesellschaftlichen Kosequenzen gar nicht zu sprechen. Kann man nicht anders sagen. Naja, zumindest musst dem Abort im Minor Theater nachgeholfen werden, auch das ist wieder alles andere als angenehm gewesen. Psychisch richtig scheiße, physisch schmerzhaft. Wirklich großer Mist, allerdings sind wir froh, dass sie damit ins Krankenhaus kam und nicht irgendwo an einer Sepsis verstorben ist. Egal wie man‘s dreht und wendet, man kann nichts daran schönreden.
An diesem Nachmittag stand unsere Bootstour mit Jo und den Jungs aus Moshi an. 20.000 TSH (ca. 8 €) kostete uns der Spaß, war aber das Geld allemal wert. Schon beim an Bord steigen sagte ich zu Rebecca, dass ich sowohl die Krängung als auch die Menge an Bilgewasser etwas bedenklich fand. Auch wurde der Außenbordmotor nicht – wie der Name schon sagt – außenbords ins Wasser gelassen, er wurde durch ein Loch im achternen Teil des Schiffsrumpf geschoben. Meiner Meinung nach, sollte da kein Loch sein, es sah auch nicht so aus, als ob es da vorgesehen wäre. Aber wir sind nicht gesunken und das Bilgewasser stieg auch nicht mehr als ohnehin erwartet. Nach dem Ablegen umrundeten wir erst eine kleine Insel, direkt vor unserer Bucht, etwas nördlich gelegen. Aufgrund des morgendlichen Regens war ein Besuch der Insel nicht möglich, die Anlegestelle war zu schlammig. Nach der Umrundung ging es weiter zu den Pomonda-Stones. Das sind die großen Felsen, die man auf mehreren meiner Bilder kurz vor dem Strand sieht. Dort konnten wir mit unserer zusammengeschusterten, etwas größeren Nussschale, auch anlegen, gingen auf die Felsen, Jo zeigte uns die sichersten Wege und so stiegen wir kreuz und quer über ebendiese. Am Ende wurden wir mit einem wunderschönen Sonnenuntergang belohnt und machten uns ab zurück an Land. Übrigens kam ich wieder mit Richard und co ins Gespräch. Sie fragten mich, wann ich Liuli verlassen würde und auf meine Antwort „Ende nächster Woche“ bot man mir an, mich mit dem Auto mit bis Arusha oder Moshi zu nehmen. Ein wahnsinns Angebot, so bleiben mir drei Tage Bus erspart, in denen ich eingepfercht in einem mehr oder minder vertrauenswürdigen Gefährt sitze, mein Leben in den Händen (und Füßen) eines Busfahrers, der vorher als „The Transporter“ unterwegs war. Außerdem wird quasi keine Pause für normale menschliche Bedürnisse eingelegt, selbst wenn, dann hat man in der Regel 3 bis 5 Minuten bis der Bus hupend einfach weiterrast. Also ist die Sache mit dem Auto deutlich angenehmer. Danke Jungs! Übrigens hat mir das Krankenhaus die letzten zwei Tage frei gegeben. Im Endeffekt stehen wir ja theoretisch Tag und Nacht zur Verfügung, tatsächlich war ich ja auch zwei mal Nachts im Krankenhaus. Danke dafür!








Übrigens war ich an diesem Abend wieder im Krankenhaus: Zum telefonieren laufe ich immer vor das Tor des Krankenhauses, dort ist der Empfang etwas besser und es gibt eine Sitzgelegenheit. Kurz bevor mein Gespräch beendet war, kam Damas vorbei und meinte, er wurde von geburtshilflichen Station angerufen. Ich entschloss mich kurzerhand ihn zu begleiten und so standen wir wenige Minuten später am Kreißbett einer (gar nicht mal so alt wirkenden) Patientin. Die Untersuchung ergab eine intakte Fruchtblase und 3 cm Öffnung, sollte es weitergehen, sollten sich die Pflegekräfte wieder melden. Aufgrund der häufigen vorausgegangenen Schwangerschaften (Gravida 6, Para 5) stand hier wieder das Schreckgespenst „Uterusruptur“ im Raum. Aber noch war alles gut und wir konnten den Heimweg antreten. Auch hier wurde meine Hoffnung, noch eine normale Spontangeburt zu sehen etwas zu Nichte gemacht. Aber egal, solange es Mutter und Kind gut geht, bin ich zufrieden. Nachdem ich Rebecca mitteilte, dass es wohl keine Spontangeburt sein wird, verabschiedeten wir uns beide in die Koje.
Donnerstag
Normalerweise sollte Donnerstags Morgens ein Gottesdienst im Krankenhaus stattfinden. Wir wurden schon mehrfach gefragt und dachten uns, dass wir einerseits nicht immer nein sagen könnten, und dass es andererseits auch sicher ne spannende Erfahrung ist. Nachdem wir mehrere Aussagen bezüglich der Uhrzeit, von 7 oder 8, bzw. 1 oder 2 in tansanischer Zeit, gehört hatten, fanden wir uns um 8 Uhr am designierten Platz zwischen Röntgen, Frauen- und Kinderstation ein. Dummerweise als Einzige. Mal wieder. Wie schon zwei Wochen zuvor. Schade. Also zurück zum Haus und noch schnell ne Tasse Kaffee rein.
Pünktlich ging‘s dann zum OPD, dort treffen wir uns wie jeden morgen mit Dr. Evans zum Beginnen der Runde. Nach wenigen Minuten sagte er, dass er kurz nach Hause müsste, ein paar wenige, aber wichtige, Dokumente abholen. In fünf Minuten gehts weiter. Naja, aus fünf wurden dann ca. 90, außer warten, und die Hühner und Hähne zu beobachten, die im Krankenhaus umher rennen, blieb uns kaum etwas übrig.


Als Dr. Evans dann zurückkehrte ging es direkt weiter zur Runde. Auch hier wieder nichts besonderes zu verzeichnen. Lediglich die Patientin, welche ich schon nachts zuvor sah, klagte über Bauchschmerzen. Dr. Evans war die ganze Nummer zu heiß, also wurde – wir ahnten es schon – die Patientin für einen Kaiserschnitt vorbereitet. Bei der Assistenz lies ich Rebecca den Vortritt, ich habe nächste Woche vielleicht nochmal die Chance zu assistieren, außerdem kann ich aufgrund meiner Augen eh nix mit chirurgischen Fächern anfangen, und fühle mich bei der Versorgung des Neugeborenen einfach sicherer bzw. wohler. Zugegebenermaßen kam dieses Kind wirklich sehr schlecht auf die Welt. Das bekannte Problem mit dem Ketamin machte der Kleinen wirklich zu schaffen und so konnte nur mit Absaugen, Stimulieren, Beatmen, wieder Absaugen usw. die notwendige Starthilfe gegeben werden. Gefühlt dauerte alles Ewigkeiten. Aber direkt: Das Kind ist aktuell wohlauf! Hier wird nach der Erstversorgung mit dem Kind in den Kreißsaal gelaufen. Dort wird es dann gemessen, gewogen, untersucht und in entsprechend bunte Tücher zu einem schönen Burrito verpackt. Nach der Versorgung des Kindes wollte ich dann wieder zurück zum OP, dort fiel auch direkt der Strom aus. Komischerweise immer dann, wenn Rebecca mit am Tisch steht. Aber die Sache mit der Korrelation und der Kausalität, ihr wisst Bescheid… Also nähen in einer Patientin, nur mit Licht aus den Seitenfenstern, das ist schwierig. Rebecca bot Dr. Evans direkt meine Kopflampe an, der stimmte nickend zu und ich musste meine Füße in die Hand nehmen und nach Hause sprinten. Problem: Regenzeit. Und natürlich hat es genau dann angefangen. Wie aus Kübeln. Aber egal, Licht ist wichtiger. Also nach Hause gesprintet, mit Regenjacke und Lampe wieder zurückgesprintet und triefend nass die Lampe am OP abgegeben. Glücklicherweise war Eli schneller. Eli ist der Elektriker und wohl schnellste Mann in Liuli. Powercut? Eli anrufen! Der sprintet dann zum Generator, wirft diesen an und dann gibts auch wieder Licht und Sauerstoff im OP. Aber es ist eben abhängig davon, wie weit Eli gerade weg ist. Also lieber einmal zu viel im strömenden Regen nach Hause rennen. Unglücklicherweise verlor unsere Patientin wirklich viel Blut und es war unserem OP-Team nur schwer möglich, die Blutungen zu stoppen. Wieder das Problem mit der fehlenden Absauge und dem fehlenden Elektrokauter. Trotz eines zeitweise Blutdrucks von 60/40 überlebte unsere Patientin und ist mittlerweile auch wieder fit. Übrigens hat sie nach der OP ein EK bekommen. EK steht für Erythrozytenkonzentrat oder einfach „Blutkonserve“. Ja, sowas gibts hier tatsächlich, allerdings ist das System ein anderes als bei uns: Damit ein:e Patient:in ein EK bekommen kann, muss ein Angehöriger einmal Blut spenden. Bei zwei EK, zwei Spenden. Und so weiter. Keine Angehörigen oder niemand der für einen spendet? Keine Transfusion.
Nach dem späten Mittagessen ruhten wir uns erst einmal etwas aus, am Abend wollten wir in den Ort um ne Runde Billard zu spielen. Irgendwann fanden sich noch Damas, Jo und die Jungs aus Moshi ein, und so hatten wir eine echt lustige kleine Runde. Unser Abendessen gabs zwar erst um 11, aber egal. Essen, Zähne putzen, Bett. Morgen ist ja Frühbesprechung.
An dieser Stelle noch ein kleines Bild, welches ich in einer Werkstatt im Laufe des Tages gemacht hab. Man beachte die Steckerleiste…

Freitag
Morgenbesprechung um 8 Uhr. Also um halb 9. Nachtreport in Englisch, Rest auf Swahili. Also alles wie immer. Rebecca wurde noch verabschiedet und am Ende ein paar Bilder gemacht. Soweit so gut.
Auch im OPD gab es keine Überraschungen, alles wie immer.
Auf unserer Runde fielen zwei Patientinnen auf: Zum einen die Patientin vom Vortag, der geäußerte Verdacht von freier Flüssigkeit im Bauch, welche auf eine Blutung hinweisen könnte, wurde glücklicherweise im Ultraschall ausgeschlossen. Also alles gut. Als zweites fiel uns eine 20-jährige Patientin auf, welche kurz vor der Spontangeburt stand. Rebecca und ich freuten uns, so bekam wir doch noch die Chance, den natürlich vorgesehen Prozess zu sehen. Dass es nicht so kommen würde, war uns noch nicht klar. Und nein, es wurde kein Kaiserschnitt gemacht. Noch vor Ende der Runde rief uns Gift an, wir müssten „jetzt, sofort“ in den Ort zum Tailor laufen. Dr. Evans schickte uns unverzüglich los, und so liefen wir in Kasak quer durch den Ort zum Schneider. Unsere neuen Klamotten waren fertig! Meine Sachen passten direkt, lediglich Rebeccas Rock war noch zu weit und wurde auch direkt angepasst. Auf halbem Weg zurück wurde uns die Regenzeit mal wieder zum Verhängnis. Auf einen Schlag fing es an zu Regnen wie aus Eimern, 15 m später waren wir schon nass bis auf die Unterwäsche, auch das Unterstellen unter der vorhandenen Vegetation war kaum mildernd. Da der Stoff, aus dem unsere neuen Kleider gefertigt waren, wohl sehr stark abfärben würden, mussten wir diese unter dem Kasak verstecken. Viel brachte es leider nicht, im Endeffekt war doch alles nass. Da wir so natürlich nicht zurück zum Dienst gehen konnte, liefen wie die paar hundert Meter weiter zum Doctor‘s House, um uns erstmal wieder auf trockenen Kiel zu legen. Fertig getrocknet, frisch umgezogen und mit der Frisur eines nassen Pudels ging es dann auch direkt zurück zum Krankenhaus. Dr. Evans war dort mit Damas im OPD beschäftigt, spannende Fälle gab es leider kaum, so endete unser, und vor allem Rebeccas letzter, Dienst, nicht lange nachdem wir wieder zurückkehrten.
Nach unserem Mittagessen sah Rebeccas Plan vor, zuerst nach der Patientin, welche kurz vor der Spontangeburt stand, zu sehen, danach kurz bei Sister Ethy Tschüss zu sagen und noch ein paar Dinge im Ort einzukaufen. Soweit so gut.
Unserer Patientin war mittlerweile bei 8 cm, Dr. Evans, welchen wir auf dem Weg trafen, meinte, wir sollten in ner halben, spätestens einer Stunde, wieder nach ihr sehen. Wir mussten kurz überlegen, ob es am sinnvollsten ist, zuerst einzukaufen oder zuerst nach unserer freundlichen Nonne zu sehen. Da wir nicht vollgepackt dort aufschlagen wollten, ging es zuerst zum Sisters House. Rebecca meinte schon am Tor zu mir, dass wir uns auf gar keinen Fall dazu überreden lassen sollten, noch reinzukommen, Tee zu trinken, oder uns im schlimmsten Falle sogar bekochen zu lassen. Der Plan hielt auch genau bis zu dem Zeitpunkt, an dem uns Sister Ethy – und nicht wie üblich Sister Bibi – die Tür öffnete, Rebecca freundlichst anstrahlte und uns mit einem „Karibu sana“ (also „Herzlich willkommen“) ins Gästezimmer verfrachtete. Natürlich konnte sie nicht nein sagen, sondern antwortete „Asante sana“ (also „Vielen Dank!“). Rebecca biss sich schon sprichwörtlich in den Arsch und das kurz folgende Geräusch des Handrührgeräts bestätigte unsere Vermutung, dass wir den Karren ordentlich festgefahren hatten. Die Minuten liefen ins Land, und trotz des Runterschlingens des wirklich leckeren Omelettes, sechs Kartoffeln und zwei Bananen, sowie das Hinunterschütten des kochend heißen Tees, konnte das unaufhaltbare Weiten des Muttermundes, und dem entsprechend gekoppelten Geburtsprozess, nur wenige Meter neben uns, kaum Einhalt geboten werden. Also alles schnell schnell, Nummern ausgetauscht, Bilder gemacht, drei mal „Auf Wiedersehen“ gesagt und direkt ins Krankenhaus gerannt. Es kam wie es kommen musste: Fünf Minuten vorher entbunden, Kind wohlauf, Mutter schon auf den Beinen und eine leicht geknickte Rebecca neben dem Säugling. Schade, aber jetzt können wir immerhin entspannt einkaufen.
Es wurde mal wieder Material für ne Guacamole und Chapati gekauft. Einerseits fürs Abendessen, andererseits als Proviant für Rebecca morgen. Alles recht unkompliziert. Die geliebte Ananas wurde an diesem Abend ein letztes mal gemeinsam am Strand vertilgt, zu Hause ging es dann ans Vorbereiten der Guacamole, danach wurde diese natürlich auch direkt gemeinsam, zumindest teilweise, zum Abendessen gereicht. Rebecca packte noch etwas und um halb 10 liefen wir noch einmal in den Ort, um vielleicht ein paar Leute zu treffen, und was zu trinken. Aber: Ort leer. Bordsteine hochgeklappt, alles dicht. Seeeehr ungewöhnlich, vor allem für einen Freitagabend. Aber egal, früh ins Bett zu gehen kann ja auch nix schaden.
Samstag
Ich bin mit Rebecca um 5 aufgestanden um sie zum Bus zu bringen. Alleine im Dunkeln mit zwei Rucksäcken ist schon doof, andererseits wäre ich vermutlich sowieso wach geworden. Also liefen wir um halb 6 in Richtung Ort, dort sollte der Bus um 6 abfahren. Dort angekommen waren wir natürlich die ersten, auch um 6 waren noch nicht so viele Menschen da. Der Bus kam dann um halb 7 und Rebecca stieg zusammen mit Jo in den rasenden Ritter. Nach ziehen an der Presslufthupe, prügelte der Fahrer den Gang ins Getriebe, und schoss auch schon los. Gute Reise!

Ich machte mich zurück nach Hause, frühstückte und wollte eigentlich noch lesen. Als ich zum dritten Mal über meinem Friesenkrimi einschlief, beschloss ich, dass das Bett doch die bessere Option wäre. Also wieder ab ins Bett und tatsächlich bis knapp 14 Uhr durchgepennt.
Nach dem Aufstehen konnte ich mein Mittagessen einnehmen. Monika machte mir „Chipsy Majaj“ und Typhussalat. Keine Ahnung, ob man das so schreibt, egal. Im Endeffekt sind das quasi Pommes in ein Omelette eingebacken. Sehr lecker! Danach machte ich außer ruhen, lesen und Blog schreiben bis zum Sonnenuntergang nix.
Zum Abendessen gab‘s dann mal wieder was neues: Es war kein Pfannkuchen. Aber auch kein Omelette. Irgendwie war es die fettige Variante irgendwo dazwischen. In Kombination mit Monikas Tomatensoße war es wirklich sehr sehr lecker!
Eigentlich wollte ich wieder früh schlafen, allerdings meldete sich Richard wieder, ob ich nicht in den Ort kommen wollte mit ihnen bisschen schnacken und Bier trinken. Fußbus bestiegen und zu den Jungs. Viel geredet, viel gelacht, nochmal Details bezüglich unserer Fahrt Ende nächster Woche besprochen und um 11 dann auch wieder nach Hause ins Bett.
Sonntag
Heute hab ich nicht viel gemacht. Außer sortieren, die ersten Dinge packen und natürlich Blog schreiben war nicht viel drin. Ich lade jetzt noch Bilder hoch und dann kann der Eintrag hoffentlich heute Abend hochgeladen werden. An alle, die bis hierhin durchgehalten haben: Herzlichen Glückwunsch, ihr habt 4.219 Wörter bzw. 27.089 Zeichen meiner wirren Gedanken gelesen. Danke für‘s durchhalten!
Ich lade jetzt Bilder hoch, werden allerdings nicht so viele. Sorry für viel Text und wenig Bilder. Gleich kommen auch noch zwei andere Studis mit dem Bus. Also irgendwann zwischen 13 Uhr und 17 Uhr sollte der Bus da sein. So genau weiß man das nie… Mittlerweile ist es fast 14 Uhr und es noch niemand da…
Bis die Tage!
Hallo Niklas,
ich liebe deine Geschichten. Mach bitte ein Buch … das verkauft sich. Toller Schreibstil und Humor. Sollte schon vor Stunden im Bett sein …. Nein … musste erst fertig lesen.
Eine weitere tolle Zeit mit tollen Geschichten wünscht dir aus der Heimat der Johannes
Hallo Niklas
schöner Stoff….würde dich Mal gerne in deinem neuen Outfit sehen
LG Tantchen