7.282 km von zu Hause entfernt

Kategorie: Reisetagebuch (Seite 2 von 3)

Krankenhaus die zweite

Doctor‘s House, Liuli, TZA // 14:00 Ortszeit

Zunächst mal sorry, dass ich mich die ganze Woche nicht gemeldet habe. Wir waren viel unterwegs und hatten im Krankenhaus viel zu tun. Allerdings habe ich dafür viele Bilder gemacht, die Bilder des letzten Eintrags sind mittlerweile nachgereicht. Zudem sind alle Bilder anzuklicken – mir war leider nicht bewusst, dass das vorher nicht ging! Also gerne nochmal die Bilder durchsehen. Und jetzt viel Spaß beim Lesen!

Aktuell schüttet es übrigens mal wieder wie aus Kübeln… Mal sehen ob die Abschiedsparty von Jonas und Luca heute Abend steigen kann…

Dienstag

Auch an diesem Tag war das Krankenhaus gefühlt verlassen. Mal wieder befanden sich kaum Patienten auf den Stationen. Die einzige Station, auf der es wirklich Patientinnen gab, war die Maternity-Ward. Die meisten Patientinnen hatten vor kurzem – wie hier so häufig – per cesarian section (also Kaiserschnitt) entbunden. Die unglaubliche Häufigkeit habe ich ja bereits erwähnt. Allerdings muss man nochmal erwähnen, dass viele Geburten zu Hause stattfinden, dementsprechend „haben alle was“ die hier herkommen. Bei einer Patientin war am Vortag noch eine Spontangeburt geplant. Vor allem meine zwei Berliner Mitfamulanten wollten gerne bei dieser Geburt teilhaben – einer der Jungs hatte noch nie eine gesehen. Also wurden Telefonnummern dagelassen, Dr. Evans wurde instruiert und er wiederum instruierte das diensthabende Personal, uns doch bitte bitte anzurufen, sollte die Geburt starten. Immerhin lag unsere Patientin schon im Kreißbett. Alles schön und gut, allerdings hatte die Frau am nächsten morgen ihr Kind im Arm. Es kam zur Welt, der/die aufmerksame Leser:in wird sich schon denken können was passiert ist: Die Geburt hätte „zu lange gedauert“, also Frau in Narkose, Bauch auf, Kind raus, Bauch zu. Wieder mal die Angst vor Geburtskomplikationen bei zu langem Geburtsprozess. Im Endeffekt stellte sich dann aber doch raus, dass es die goldrichtige Entscheidung war: Nabelschnur um den Hals, das ganze sogar zwei mal. Kind gut, Mutter gut, die Jungs müssen weiter hoffen.

Die nächste Sectio kam zugleich: In der Regel läuft der Tag so ab, dass erst eine Visiterunde gemacht wird, dann wird kurz geratscht über Medizin, und dann gehts ins Outpatient-Departement (OPD) oder eine OP (in der Regel ein Kaiserschnitt) steht an. Die Runde war sehr kurz, dementsprechend gab‘s auch wenig zu ratschen und im OPD herrschte ähnliche Ebbe wie auf den anderen Stationen. Leider war ich nicht da, wenn doch, dann hätte ich sicher einen vertrockneten Busch durch den Hof rollen sehen. Egal, zurück zur Sectio: Alles war sehr früh, das Frühstück war auch eher mau (den unglaublich schmackhaften Reisbällchen in Kombination mit einem leeren Ovomaltine-Glas geschuldet), meiner wahnsinnigen Trinkmenge, welche man problemlos in einem Fingerhut hätte abmessen können, allerdings fühlte ich mich sehr gut. In unserer kleinen internen OP-Rotation war ich an der Reihe die erste Assistenz zu übernehmen. Also in OP-Dress werfen, Gummistiefel an, eine aus LKW-Plane und Kasakresten gebastelte Schürze um, einwaschen und dann einen „sterilen“ Kittel drüber, zwei Paar Handschuhe und ab zum Tisch. Die Geburt verlief recht flott und unspektakulär – beim schließen des Uterus viel mir dann aber meine Trinkmenge, die Frühstücksmenge und die angenehme Temperatur von knapp 30 Grad und die entsprechend physiologische Reaktion meinen Körpers auf die Füße. Sehr verständnisvoll wurde mir ein Hocker angeschoben, ich konnte ein paar Minuten sitzen und kurz darauf war der Spuk auch wieder vorbei. Das Gefühl, von seinem eigenen Körper bezwungen zu werden, das ist allerdings nicht besonders toll.

Kurz darauf freute ich mich auf ein Mittagessen. Die Vorfreude hielt auch bis exakt zu dem Zeitpunkt an, als ich den Deckel der Schüssel mit unserem Mittagsmahl anhob. Es sah nicht besonders gut aus, Lucas Satz „Bah! Das ist das räudigste von allen!“ steigerte den Appetit auch nicht signifikant. Laut den anderen sollte das Gemüse eigentlich in schleimiger Soße schwimmen, machte es aber nicht. Im Endeffekt lag wenige Minuten später ein Berg von rosa-bröckeligem, staubtrockenem, soßenlosem und nicht sonderbar appetitlich aussehendem Gemüse (??), oder besser „Agrarerzeugnis“, auf meinem Teller. Zum Geschmack: Ich esse ja mittlerweile echt viel, aber das war dann doch bisschen zu viel des guten. Ich hab‘s probiert, die Konsistenz ist gewöhnungsbedürftig aber okayisch aber der Geschmack. Der brachte fast mein halbes Reisbällchen vom Frühstück wieder zurück auf die Terrasse. Mein abdomineller Diskomfort war mir scheinbar ins Gesicht geschrieben, wie aus einem Munde fragte man mich, ob alles gut wäre. Mein Nebenmann übernahm dann glücklicherweise die Portion. Immerhin hab es als Beilage keinen Spinat – es reicht wenn das rosane Zeug meinen Magen auf Schubumkehr schalten lässt, einen Nachmittag auf dem Triton konnte ich nicht gebrauchen. Also Bestand mein Mittagessen aus der anderen möglichen Beilage: Bohnen.

An diesem Abend sollten wir von Mr. Nyoni, dem Form VI Englisch Lehrer aus der St. Paul‘s High School eingeladen werden. Um 19:30 trafen wir uns vor der Sister‘s House, er holte uns ab und wir liefen zu seinem Haus. Dort angekommen wurden wir erst einmal auf die steinharte Sitzgruppe verfrachtet – keine Ahnung ob man die durchgesessene Couch einfach mit Kies aufgefüllt hat – dort wurden uns dann die anderen Bewohnerinnen des Hauses vorgestellt. Im Haus wohnen mit ihm noch sechs Mädchen aus armen Familien. Sie helfen ihm im Haus, dafür können sie dort wohnen und zur Schule gehen. Klingt im ersten Moment sehr Strange, fühlte sich auch anfangs so an, allerdings kamen wir zu dem Schluss, dass Mr. Nyoni einfach wirklich ein guter Kerl ist. Die Mädels brachten dann auch sogleich die ersten Schüsseln mit Essbarem. Und dieses mal wirklich Essbares! Mr. Nyoni fragte mich letzte Woche, ob ich alles essen würde, meine Antwort, dass ich kein Fleisch und Fisch esse, führte dazu, dass es Obst gab. So dachten wir zumindest. Die ersten Schüsseln bestanden aus viel viel Ananas, viel viel Gurke und viel viel Mango. Etwas unangenehm schaufelten wir alles in kürzester Zeit in uns rein, Aber nicht genug! Es wurden noch Nudeln und Reis aufgetischt, erste waren zur besondere Freude unseres Halbitalieners sogar bissfest, zudem gab es noch einen sehr feinen Typhus-Salat. Normalerweise sollten wir nur geschälte Tomaten essen. Diese waren nicht so ganz geschält, aber unglaublich lecker, von einmal werden wir schon kein Typhus bekommen. Und zur Not: An Ciprofloxazin kommt man hier einfach ran. Nach dem Essen wurden noch ca. 1107 Fotos geschossen, und dann ging’s ans Feiern. Mr. Nyoni schleppte eine Kiste Bier vor die Sitzgruppe, draußen lief auf einer etwas zu großen Box tanzanische Musik und einige Jungs tanzten draußen schon. Nachdem wir vor, zwischen und auf der Sitzgruppe standen und tanzten ging es noch nach draußen, eine weitere Kiste Bier später traten wir den Heimweg an. Dieser Abend hat sich auf jeden Fall gelohnt. Danke für die Gastfreundschaft!

Mittwoch

Der Start des Mittwochs verzögerte sich aufgrund C2H5OH-haltiger Flüssigkeiten vom Vorabend, in Kombination mit entsprechend kurzer Liegezeit und dem kompletten Ausfall der Wasserversorgung im Doctor‘s House um wenige Minuten. Ohne Strom kommen wir mittlerweile alle wirklich gut aus, Powerbanks und Sparsamkeit, in Kombi mit Taschenlampen und Handylicht machen‘s gut möglich. Aber ohne Wasser ist wirklich Mist. Nur an Monikas Kochstelle gibt es einen Wasserhahn, allerdings sieht das Wasser noch weniger vertrauenswürdig aus, als das Wasser im Haus. Ein Eimer muss zur Toilettenspülung herhalten, duschen fällt leider komplett aus. Also etwas klebriger in Kasak und Hose, etwas Frühstück (hmmmmmmm Reisbällchen) runterwürgen und dann die 100m weiter ins Krankenhaus.

Die Runde war schon fast fertig, es waren ohnehin kaum Patientinnen und Patienten da, und von denen nur eine Neuaufnahme. Also unspektakulär, Dr. Evans hatte absolutes Verständnis und kurz drauf ging’s ins OPD. Hier sind tatsächlich mal drei kurze Fälle erwähnenswert: Zum einen stellte sich ein vierjähriges Mädchen mit einer Nabelhernie – also einem Nabelbruch – vor. Sowas kann im Laufe des Wachstums mal vorkommen, ist auch tendenziell kein großes Problem, die operative Versorgung geht ganz flott und dementsprechend ist die Gefahr des Einklemmen von Darm gebannt. Aufgrund des höheren Screenings (U-Untersuchungen und co.), sowie des früheren Zur-Praxis-Gehen wird ein Nabelbruch nicht so groß. Da es diese Voraussetzungen hier leider nicht gibt, hatte das Mädchen einen Nabelbruch in der Größe einer Coladose. Absolut krass, Dr. Evans meinte, es wäre auch hier in Liuli operativ zu versorgen. Nur wann wurde noch nicht gesagt. Als zweites stellte sich ein Mann Mitte Vierzig vor. Dicke Beine und eine Aszitis („Bauchwassersucht“, oder einfach viel Wasser im Bauch) plagten ihn seit ungefähr einem Monat. In der Anamnese durch Dr. Evans wurde dann festgestellt, dass er „auf Strom getreten sei“ – eine der vielen Umschreibungen für die, hier recht häufige, Diagnose HIV. An weiterer Diagnostik stand uns nur die Bestimmung weniger Laborwerte (genauer: Hb, Malaria- und Typhus-Test; kein Crea, keine Transaminasen, keine Viruslast, kein CD4, keine GGT, keine AP, keine Gerinnung, etc.) und ein, aus gutem Grund in Deutschland nicht mehr genutztes, Sono zur Verfügung. Leber und Niere sahen soweit gut aus, mehr war leider nicht darstellbar. Im Endeffekt konnte nur symptomatisch behandelt werden. Sehr schade, aber so ist das eben hier. Als drittes wurde noch eine zehnjährige Patientin im Kombination mit ihrer Mutter vorstellig. Beide waren vorher schon bei einem anderen Arzt, dort wurde die Diagnose „Infektion mit Mycobacterium leprae“, oder kurzum Lepra, gestellt. So genau hab ich‘s nicht verstanden, allerdings konnten dort keine Medikamente rezeptiert werden – diese werden vom Staat wohl finanziert und sind dementsprechend gut kontrolliert. Die Diagnose wurde von uns verworfen, eine viel wahrscheinlicherere, und auch zum klinischen Bild deutlich besser passende, Diagnose gefunden: Vitiligo. Vor allem bei dunkelhäutigen Menschen ist der Verlust der Pigmentierung an einigen Stellen sehr offensichtlich, leider auch stigmatisiert. Die Medikation gegen das Mycobakterium wurde nicht rezeptiert, die Mutter war zwar nicht sonderbar begeistert, aber leider ist nichts daran zu ändern. So wirklich geheuer war es aber niemanden. Wenn sich in diesem Krankenhaus jeder, vor allem das Personal, egal ob ärztlich, pflegerisch oder sonstig, die Hände desinfiziert, dann muss es etwas krasses sein.

Am Abend waren wir bei unserem Watch-Man und Freund Davis eingeladen. Um halb 12 tansanischer, also 17:30 normaler Zeit holte er uns ab. Nach einem zwanzigminütigen Fußmarsch durch die wundervolle Landschaft kamen wir bei ihm zu Hause an. Einfachste Verhältnisse, ein Haus mit sehr undichtem Strohdach, keine echten Türen, „Fenster“ aus Astabschnitten und eine Feuerstelle. Aber es ist sein zu Hause, wir fühlten uns wohl. Nach der Vorstellung seiner Familie wurde das Essen gereicht. Ich freute mich wirklich auf etwas neues, es standen vier große, vielversprechende, aber geschlossene, Behältnisse, zusammen mit entsprechend Tellern und Löffeln parat. Beim Öffnen der Gefäße wurde es mir aber mal kurz warm und kalt zugleich, mein Hirn versuchte rasend einen Ausweg aus der Situation zu finden, aber es schien keinen zu geben. Alle stehen drum rum, Davis mit Frau, sein Bruder mit Frau und dessen Kind. Alle sehen uns an, freuen sich, wenn wir viel essen – gehört zum guten Ton. Die anderen drei erkannten meine Not, allerdings war ihnen auch adhoc keine Lösung zugeflogen. Also ergriff Luca das löffelförmige Zeptar und schaufelte das triefend schleimige, rosa-bröckelige Agrarerzeugnis, welches mir vom Vortag gut in Erinnerung war, auf einen jeden Teller. Mir schon etwas weniger, aber der gute Ton. Naja, aber es gibt ja noch drei andere Behältnisse. Ich sag es wie es ist: In Behältnis zwei und drei befand sich das selbe. Aber Nummer vier war noch verschlossen. Also machte ich diese Schüssel auf, ähnliche Reaktion wie bei Schüssel eins: Grünleuchtend strahlte mich der Spinat, welcher mich bis jetzt immer auf den Pütz zwang, an. Die nächste Toilette ist 20 Minuten Fußmarsch entfernt, nicht zu schaffen. Also kein Spinat. Beim Essen schauten mich alle erwartungsvoll an, nach dem ersten Bissen meines rosafarbenen Mahls konnte ich gerade noch verhindern, dass es postwendend den Weg zurück auf den Teller finden sollte. Die anderen erkannten meine Not und so stocherte ich etwas in meinem Essen rum, Luca half mir etwas aus der Klemme und es wurde geschickt ein voller gegen einen leeren Teller getauscht. Leider flog die Nummer auf, einen geknickten Davis musste ich dann erklären, dass es nichts mit der Gastfreundschaft oder ihnen zu tun hat, ich wollte weder neben seine Ziege unter dem Bananenbaum brechen, noch mit Spaten in den Wald verschwinden. Er zeigte sich sehr verständnisvoll und wünschte mir gute Besserung.

Donnerstag

Der Start in den Donnerstag verlief wieder etwas holprig, allerdings waren wir dieses mal nicht daran schuld. Das Krankenhaus war wieder gänzlich verlassen, auch Dr. Evans – unser treuer Begleiter und Betreuer bisher – war nicht zu finden. Dr. Matthews war auch nicht da, Damas sollte geplant später kommen, das Championsleague-Spiel vom Vorabend sollte etwas mehr Schlaf bedürfen. Dr. Evans schrieb uns dann allerdings, dass er unglücklicherweise zu einem Notfall nach Songea musste, mit Glück könne er nächste Woche wieder da sein. Also riefen wir Damas an, bis er kommen sollte liefen wir noch kurz ins Dorf, kauften acht Avocados für 4.000 TSH (also 1,61 €) und ein wenig kalte Cola. Nach abliefern am Doctor‘s House konnte unser Tag auch endgültig starten. 

Ob die Visiterunde ausfiel oder von jemand anderem erledigt wurde, ist mir nicht ganz klar geworden – egal wie, wir waren alle mit Damas im OPD. Auch hier gab es ein zwei recht spannende Dinge: Zum einen kam ein junger Mann, zwanzig Jahre alt, mit ubiquitärem Pruritus, auf gut deutsch: Ihn hats gejuckt, überall. Damas warf schnell die Verdachtsdiagnose „Würmer“ in den Raum, unser Patient wurde dann direkt in die Parasitologie geschickt und kam wenige Minuten später (inclusive Stuhlprobe – wie das so schnell gehen konnte ist mir ein Rätsel) mit einem positiven Ergebnis zurück. Albendazol rezeptiert, nächster Patient. Eine Fünfzehnjährige kam mit einem unkomplizierten Harnwegsinfekt. Eigentlich keine große Sache, normalerweise sehr gut mit viel trinken und ggf. einer Einmalgabe Fosfomycin (einfaches Antibiotikum, genau das richtige für sowas) gut in den Griff zu bekommen. Hier wurde dann direkt Ciprofloxazin aufgeschrieben, hat zwar was von „mit Kanonen auf Spatzen schießen“, aber es hilft sicher. Alternativ gibts hier noch Doxycyclin, die Nebenwirkungen hier sind aber tendenziell noch schlechter. Aber egal, ist hier halt so, werden wir auch leider nicht ändern können. Ein anderer Patient kam mit einer Mittelhandfraktur, die Diagnose stellte sich aufgrund des halbdefekten Röntgengeräts auch als spannend dar, aber egal. Ist hier sowieso nicht zu behandeln, muss in ein anderes Krankenhaus, sofern Geld dafür da ist.

Zum Mittagessen gab es auch mal wieder geliebten Typhus-Salat. Auch wenn Monika eigentlich verboten wurde ihn zu machen – zu viele Famulant:innen haben Typhus bekommen. Immerhin schält Monika die Tomaten zu gut 50%. Mittlerweile.

Der Nachmittag war dann wieder sehr spanned, zunächst bewaffnete ich mich mit Luca und/oder Jonas Kamera und stiefelte in die Kirche, um endlich die versprochenen Bilder zu machen. Das Finden von Father Nicholaus stellte sich schon kurz als schwierig heraus, aber nachdem ich ihn gefunden hatte, und ihm mit Händen und Füßen erklärt habe, dass ich Bilder machen wollte, begleitete er mich zu Kirche. In der Kirche wurde mir von Gift, welcher zufällig auch da war, erklärt, dass es sich um eine Kathedrale mit Bischofssitz handeln würde. Alle Achtung, hab zwar keine Ahnung, aber es klingt doch spannend. Zudem wurde mir das Grab eines sehr wichtigen Mannes gezeigt: William Parcival Johnson (1876-1928). Er war der Missionar, welcher nicht nur die Kirche erbaute, sondern auch das Krankenhaus gründete und wohl für einige Bildung verantwortlich war. Gift erklärte zudem, dass die Missionare an den Küsten und Seen mit ihrer Arbeit begonnen, deshalb ist diese Region auch so christlich – und vor allem anglikanisch – geprägt. Nach dem Gift die Kirche verlassen hatte, machte ich noch ein paar Bilder und konnte natürlich meine Finger auch nicht den Instrumenten lassen. Father Nicholas und Father Goodluck waren begeistert, auch wenn ich auf einem abgetanzten Keyboard, bei dem der Ton E nicht funktionierte, etwas klimpern sollte. Mir kam nichts anderes, als Nothing else matters von Metallica in den Sinn, mit fehlendem E klingt das aber echt wie Hund. Beide strahlten dennoch und danach wurde ich noch weiter durch die Kirche geführt. Zuerst wurde mir das Taufbecken gezeigt, die Erklärung dazu konnte ich natürlich nicht verstehen. Father und Father nur Swahili, Niklas nur Deutsch, und das was ich Englisch nenne. Danach wurde hinter dem Taufbecken und Graben aufgedeckt. Zunächst dachte ich, es handele sich um einen Treppenabgang in einen Keller, allerdings hab es Treppen auf beiden Seiten, nach 5 Stufen war auch schon Schluss. Ich hab keine Ahnung was es war, es wurde zwar erklärt und darauf gezeigt, aber verstanden habe ich natürlich nichts. Ich schätze jedoch, dass es ein sehr wichtiges betoniertes Loch sein muss, andernfalls kann ich mir die überschießende Freude und das Wegwuchten der Holzbolen darauf, nicht erklären. Auch das Abnehmen der Beichte lehnte ich dankend ab. Zur Krönung wurde ich noch zu Father Nicholaus nach Hause eingeladen – um „Habari nyumbani“, also „Herzlich Willkommen zuhause“ zu verstehen, reicht selbst mein Swahili. Ich wurde auf eine Sitzgruppe gesetzt, mir gegenüber saßen Father Nicholaus und Father Goodluck, beide versuchten mir Fragen zu stellen, ich versuchte zu antworten, aber alles ohne Erfolg. Also saß ich nach wenigen Minuten zwei über beide Ohren strahlenden Geistlichen gegenüber und es passierte nichts mehr. Nach einiger Zeit des gegenseitigen Anstarren, muss ich dann doch mein Handy zücken. Google Translate half mir dann immerhin aus der Situation zu flüchten, ich hatte noch eine Verabredung mit den anderen und Sister Ethi. 

Stay tuned

Leider müssen wir jetzt zu der Party von Luca und Jonas. Ich würde gerne noch mehr schreiben, kommt auch noch die Tage, allerdings ist zu viel lustiges passiert, als dass ich es jetzt in wenigen Minuten hier hinschreiben könnte. Also nehme ich mir lieber Zeit.

Übrigens schüttet es nicht mehr. Ich sitze immer noch Oberkörper frei hier, es ist echt angenehm… Rebecca hat nen Pulli mit halbem Rollkragen an… Wessen Temperaturempfinden jetzt gestört ist? Keine Ahnung….

Bis dann!

The Holy Cross Church Liuli

Doctor‘s House, Liuli, TZA // 18:00 Ortszeit

Der Samstag war wirklich entspannt. Außer lesen, Strand, zwei drei Kleinigkeiten erledigen, spätes Aufstehen und frühes zu Bett gehen ist wirklich nichts vorgefallen. Aber muss ja auch nicht jeden Tag sein. Also starte ich direkt mit dem Sonntag.

Man höre und staune, aber ich bin tatsächlich in ner Kirche im Gottesdienst gewesen. Der örtliche Pfarrer / Pastor (ich weiß nicht, was er ist… er hat ein blaues Hemd und ein weißes Ding im Kragen, so viel kann ich sagen) hat uns mehrfach eingeladen. Es ist ein wirklich freundlicher, fast knuffig-süßer älterer Herr mit dem Namen Nicholaus – dass er immer „Niklas“ sagt freut mich aus Gründen schon ein wenig. Dementsprechend musste ich quasi in die Kirche. Den Gottesdienst bekommt man hier im Doctor‘s House auch so immer mit, es sind nur knapp 100 m Luftlinie zwischen Gottes- und Doctor‘s Haus. Unser Tag begann also wirklich früh, um halb acht saßen wir schon zum gemeinsamen Frühstück auf unserer Terrasse, welche vorher noch von Blättern und Ästen befreit werden musste – ein ordentlicher Tropensturm zog in der Nacht über Liuli.

Pünktlich um acht waren wir auch schon in der Kirche. Eine recht große Kirche, es gab bestimmt 20 Bankreihen, eine großes Haupt- und recht große Seitenschiffe. Lediglich die Höhe des Baus war deutlich unter dem, was man aus Europa gewohnt ist. Immerhin hatte sie überhaupt ein Dach – ist hier auch nicht so selbstverständlich. Ansonsten waren noch ein paar Messdiener, unser guter Nicholaus, zwei andere Geistliche, ein Kantor, zwei weitere Musiker und nur eine Handvoll Gemeinde anwesend. Zunächst ging ich davon aus, dass es sich wie bei uns zu Hause oder jeder mir bekannter Gemeinde verhält und die Kirche nur zu 5% gefüllt ist. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich wohl wieder zu deutsch, das Verständnis von Pünktlichkeit ist hier durchaus ein anderes. Außerdem hatte es ja geregnet, da kann man auf jeden Termin ohnehin eine unbestimmte Zeit t draufrechnen.

Da ich leider wenig bis gar keine Ahnung hab, wie man sich in einem katholischen (??) Gottesdienst verhält, in Kombination mit meinem extrem rudimentären Swahili-Wortschatz, war alles zunächst etwas verwirrend. Meinen Mit-Studis ging es aber nicht sonderbar viel besser. Der gute alte Trick „Ich steh dann auf wenn auch alle anderes stehen“ ist schwierig, wenn sonst kaum jemand anwesend ist. Aber auch das haben wir gut gemeistert.

Die ersten 75 Minuten waren geprägt von Nicholaus und vor allem von Musik. Da ich von dem, was erzählt wurde, sowieso nichts verstanden habe, und meiner Liebe zur Musik, möchte ich genauer auf diese Eingehen: Durchaus erwartungsgemäß, aber dennoch schade, nutze einer der Musiker die Gitarre nicht, um fetten Black-Metal zu spielen, sondern nutzte sie irgendwie gar nicht. Vielleicht waren wir auch zu früh wieder raus, aber sie wurde leider nicht genutzt. Auch konnte ich leider kein Schlagzeug sehen, vor allem in der ersten Zeit hörte ich wirklich oft eine:n Drummer:in auf diesem schönen Instrument in der Kirche spielen – leider nicht gestern. Drei Chöre sangen gestern, ersterer am häufigsten und wirklich wirklich gut, es machte großen Spaß diesem zuzuhören! Der Chor bestand aus ca. zwölf Sängerinnen und Sängern, davon ungefähr zu zwei Dritteln aus Frauen. Wenn ich mich nicht verhört und/oder verzählt habe, dann wurde immer mindestens drei- teilweise sogar fünfstimmig gesungen, und das alles andere als schlecht! Der Phrase „einen Gottesdienst feiern“ wurde hier wirklich mal leben eingehaucht. Ist man gar nicht gewohnt, aber schön anzuhören war es dennoch. Ein zweiter Chor aus älteren Damen und ein Kinderchor rundeten das musikalische Angebot ab.

Um 9:00 füllte sich die Kirche dann auch langsam aber sicher. Aus uns unbekannten Gründen saßen links nur Frauen und rechts nur Männer. Uns (und vor allem Rebecca) war dies nicht klar, mir wurde es auch erst klar, als ich nach dem Gottesdienst darauf angesprochen wurde. Aber egal, die spanische Inquisition steht noch nicht vor der Türe, also sollte auch alles gepasst haben. Zudem waren irgendwann bestimmt 100 Kinder in der Kirche. Einige standen auch vorne und Beteten oder hielten Fürbitten – aber keine Ahnung, die Sprache, you know.

Um viertel nach neun begann der Kantor eine Predigt zu halten. Swahili kann ja durchaus mal aggressiv klingen, auch wenn er sicher etwas schönes erzählte, dann klang er doch viel mehr so, wie ein cholerischer Trainer einer C-Klasse Fußballmannschaft der sich beschwerte, wie schlecht „seine Jungs“ doch spielen würden. Unser Watchman und Freund Davis erklärte, dass er über die Funktionsweise des Herzens und die Auswirkung auf uns referierte. Naja, wenn ich an manch eine:n Dozent:in denke, dann war das wilde Rumgefuchtelt gar nicht so unpassend. Eine deutsche Predigt mach einem durchaus lange vorkommen, aber eine dreiviertelstündige Predigt, zudem noch auf Swahili, in Kombination mit einer Bank aus Napfschneckenzahn, ist dann doch eher mit der Bauzeit des Doms zu Kölle vergleichbar. In Ermangelung an weiterem Sitzfleisch und Unwissenheit, ob gleich wieder eine ewige Predigt folgen würde – von der wir ohnehin nichts verstehen würden – entschlossen wir uns, wieder zurück zum Doctor‘s House zu laufen. Übrigens dauerte der Gottesdienst wohl fast vier Stunden…

Im weiteren Tagesverlauf sollte es eine kleine Wanderung zum anderen Ende der Bucht geben – der Versuch letzte Woche ist, aufgrund unserer, zu diesem Zeitpunkt noch allumfassenden, Wasserscheu, abgebrochen worden. Den neuen Versuch begleitete ich auf einem kleinen Umweg, da mich meine Angst vor Parasiten aller Art noch fest umklammert. Ich nahm den Weg aussen rum, war auch sehr spannend, auch wenn ich fast verwundert bin, dass ich nicht von einer Schlange gebissen wurde – zumindest sahen die 3 m hohen Gräser, die ich durchquerte, stark danach aus. Nach kurzem Aufenthalt lief ich auch wieder zurück, besorgte noch Wasser (6 Flaschen à 1.000 TSH – also insgesamt 40 ct) und 4 sehr große Avocados (für insgesamt 2.000 TSH – also 80 ct). Retrospektiv muss ich schon sagen, dass ich bei den Avocados vermutlich über den Tisch gezogen wurde, Rebecca bezahlte zwei Tage zuvor nur die Hälfte, aber im Endeffekt konnte es mir hier auch nicht auf 40 Cent an.

Eine riesige Schüssel Guacamole – bestehend aus acht dicken Avocados, Tomaten und Zwiebeln – sowie Chipsies später, liefen die anderen drei mitsamt der Guacamole ins Dorf zu Michael‘s Sport Bar, um dort Lucas geliebtem Team zuzusehen, und noch mehr Chipsies für die Guacamole zu kaufen. Ich wollte eigentlich nachkommen, aber ich quatsche mich am Telefon fest, war auf jeden Fall sehr sinnvoll – Fußball, Pommes und Bier gehen auch in Deutschland ganz gut…

Der heutige Tag begann für uns auch erst um halb 10: Die Frühbesprechung bringt uns leider kaum was – wenn 75% der Anwesenden nur Swahili sprechen liegt das Problem auf der Hand. Das Krankenhaus schien heute wirklich verlassen zu sein, kaum Patienten, wir saßen wirklich lange mit Damas und Dr. Evans im OPD und ratschten. Auch das ist wieder eine Folge des Regens, dann steht hier gefühlt alles still – auch kommen keine Patientinnen und Patienten. Das OPD war fast leer, Male Ward 0, Female Ward 2, Childrens Ward 1, Maternity ca. 10 Patienten, also wirklich wie leergefegt.

Nach einiger Zeit bekamen wir dann doch Arbeit, es wurden noch zwei Kaiserschnitte anberaumt. Die Entscheidung zur Sectio fällt hier auch wirklich schnell, im Endeffekt ist das Risiko der Sectio geringer, als das Risiko einer Geburtskomplikation wie etwa einer Uterusruptur. Eine der größten Ängste hier. Ich stelle heute bei keiner der Sectios die erste Assistenz: Das Blutdruckmessgerät bestätigte heute morgen meine Vermutung, dass mein Blutung wo ist, wo er nicht hingehört: Am Arsch. Die letzten zwei Tage waren Kreislauftechnisch einfach zu gut, heute entschloss sich mein Körper wieder in die gewohnte Richtung zu laufen. Aber egal.

Bei der Versorgung des zweiten Kindes war ich dann auch im Major Theatre, ich kümmerte mich um das Neugeborene. Leider passierte hier wieder etwas, was fast alltäglich ist: Das Kind kommt wirklich „nicht gut“ zur Welt (APGAR 1, wem es etwas sagt), eine Folge des Ketamins. Leider ist kein anderes Anästhesieverfahren als Ketamin pur möglich. Es besteht keine Beatmungsmöglichkeit, an Sauerstoff, Druckluft, Narkosegeräte, ne Absaugung oder überhaupt ein OP-Tisch, mit dem auch eine spinales Verfahren anwenden könnte („Rückenmarks-Narkose“), darf man überhaupt nicht denken. Auch ist – wie quasi immer – mitten in der OP der Strom ausgefallen, bis jemand die Netzersatzanlage angeworfen hat vergeht auch immer eine gewisse Zeit. Gut und gerne auch mal ne halbe Stunde. In dieser Zeit gibts kein Licht, der Sauerstoffkonzentrator läuft nicht, die Klimaanlage, welche sowieso nur mit Müh‘ und Not gegen die Hitze anröcheln kann, versagt ihren Dienst. Lediglich das Pulsoxymeter funktioniert noch mit Akku. Aber zurück zum Kind. Blau, schlaff, ohne Reaktion erblickt unser kleiner Junge das noch funktionieren Licht des OPs im St. Anne‘s Hospital. Die erste Versorgung erfolgt dann auf einem Servierwagen auf dem nur wenig Hilfsmittel zur Verfügung stehen: Außer einem undichten Beatmungsbeutel, einer viel zu großen Beatmungsmaske, einer kleinen, stetig auseinanderfallenden, Absaugpumpe und einer einzigen Nabelklemme gibts hier nichts. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als fleißig zu stimulieren, einmal absaugen, zweimal die besch***** Absauge wieder zusammenzubauen, wieder stimulieren, einmal absaugen, zweimal usw. und ein wenig hoffen, dass der kleine Junge anfängt zu schreien. Monitoring gibt es, oh wunder, selbstverständlich nicht. Unser Kleiner brauchte dann etwas Zeit, nach ca. 5 Minuten war er ein wenig besser dran (APGAR 4), aber bei weitem noch nicht perfekt, nach ca. 15 Minuten hielt ich dann endlich einen gesunden, gut entwickelnden und schreienden Jungen (APGAR 9) im Arm. Also alles nochmal gut gegangen. Ist hier leider nicht immer so.

Am Nachmittag waren wir kurz im Ort, eine Ananas (für 1.000 TSH, ca. 40 ct) und allerhand sonstigen Dingen des täglichen Lebens, sowie zwei mindererfolgreichen Billardrunden (ja, es gibt hier Billardtische. Am anderen Ende der Welt. Quasi auf der Straße. Billard. Feels a bit strange.) ging‘s zurück zum Doctor‘s House, die geliebte Ananas schlachten und Blog schreiben. Mittlerweile sitze ich beim Sonnenuntergang am Strand und tippe fleißig, gleich gibt‘s dann wieder Chipsies von Monika. Wird sicher wieder gut!

Übrigens habe ich heute viele viele Bilder vom Krankenhaus gemacht, morgen folgen weitere. Also sollte die Tage, einer der ersten Einträge zum Krankenhaus folgen, dieses mal auch wirklich mit Bildern!! Ich lade hoch, sobald es geht. Versprochen!

Zudem möchte ich mich kurz bedanken, bei all den fleißigen Leserinnen und Lesern. Ich freue mich über jeden Kommentar und jede Nachricht die mich erreicht, lese alles sehr freudig und bin mittlerweile echt begeistert, was aus dieser Schnapsidee geworden ist. Danke fürs lesen!

Schwitzende Grüße aus Tanzania!

St. Paul‘s High-School

Strand von Liuli, Lake Nyasa TZA // 16:00 Ortszeit

Wie Jonas und Luca am Donnerstag waren gestern Rebecca und ich in der „St. Paul‘s High-School“ einen halben Tag zu Gast. Im Laufe der Woche kamen wir an der Schule vorbei. Ein freundlicher Schüler, der eine der oberen Klassen besucht, gab uns in wirklich gutem Englisch eine kleine Führung über das Gelände. Dort bekamen wir einen Einblick, wie die Schüler dort leben. Es leben tatsächlich nur Schüler dort, Schülerinnen schlafen zu Hause. Ein Bild eines solchen Schlafsaal habe ich bereits in einem der anderen Einträge hinzugefügt. Zum Ende unserer Führung trafen wir zufällig auf den Schulleiter Mr. Paul, mit ihm wurde ein Treffen am folgenden Dienstag vereinbart.

Im Treffen wurde vereinbart, dass Luca und Jonas am Donnerstag, Rebecca und ich am Freitag für einen halben Tag dem Unterricht folgen dürfen. Die anfänglichen Bedenken konnten, durch das Versprechen keine Bilder o.ä. Zu machen, schnell beseitigt werden.

Nach unserem Frühstück um kurz nach sieben liefen wir zur Schule los, noch vor betreten des Schulgeländes trafen wir auf den Schulleiter, dieser versuchte gerade Schülerinnen und Schülern Fehler auszutreiben, auf eine Art, die es bei uns schon lange nicht mehr gibt. Aus Gründen kann ich auf weiteres nicht eingehen, ich bitte um Nachsicht.

In dessen Büro sollten wir dann warten, 20 Minuten nach der vereinbarten Zeit wurden wir vom „second master“, quasi dem stellvertretenden Rektor, abgeholt und liefen mit ihm zu unserer ersten Stunde. Das Büro des Rektors hat einen besonderen Charme. Es ist irgendwie die Kombination aus sehr schlechter Bausubstanz mit sichtbarer Dachkonstruktion, modernen Postern zum Thema Infektionsschutz, einem Schreibtisch mit allerhand Papieren (ohne PC), einer riesenhaften Pinnwand und einer Sitzgruppe, welche mich zugegebenermaßen an die „gute Stube“ meiner Ur-Oma erinnerte. Da das Sitzmöbel zwar unglaublich durchgesessen war aber nicht minder bequem verging die Wartezeit auch recht schnell.

Englisch – Form I

Das Klassenzimmer ist von der reinen Größe durchaus mit deinem deutschen Klassenzimmer vergleichbar, allerdings wurden hier aufgrund des Lehrermangels zwei Klassen zusammengelegt. Also sollten wir uns in die letzte Reihe zwischen ungefähr 80 Schüler:innen im Alter von ungefähr 12 bis 14 Jahren quetschen. Das Thema der heutigen Stunde sollten einfache Texte und Fragen dazu sein. Ein selbstständiges Lesen der Texte war nicht möglich, 80 Schüler auf 6 Bücher funktioniert leider nicht. Der Lehrer las also den Text drei-mal vor, es wurde aufmerksam zugehört und danach Fragen gestellt. Das Verständnis der Schüler:innen hielt sich in Grenzen, die Aussage „Driving at high speed can cause accident“ wurde mit über 75% als „false“ eingestuft. Das Wiederholen der Aussage auf Swahili sorgte dann auch für schallendes Gelächter. Uns wurde in diesem Augenblick klar, dass es hier durchaus Handlungsbedarf gibt. Spannend ist an dieser Stelle auch, dass alles Kurse, mit Ausnahme von „Swahili Language“ auf Englisch stattfinden. Wenn die Kinder diesen einfachen Text schon ich verstehen, dann muss man sich durchaus die Frage stellen, wie viel von den anderen Fächern hängenbleibt. Der Lehrer erklärte uns nach dem Kurs aber auch schon eines der Probleme: Im Endeffekt werden sie nur in der Schule dazu gebracht Englisch zu reden. Hier im Ort können die wenigsten Englisch und auch zu Hause wird nur Swahili geredet. Bücher in Englisch gibt es auch kaum, deshalb hapert es daran. Nach knapp 80 Minuten wurden wir in den nächsten Kurs gebracht.

Englisch – Form VI

Hier war die Klassengröße deutlich überschaubarer. Ca. 25 Schüler und ein unglaublich übermotivierter und gut gelaunter Lehrer, welcher eher an einen Showmoderator einer englischen Fernsehshow zwischen 13:30 und 14:30 erinnerte. Auch am Hemd hätte sicher sicher das betagte Publikum, im Ohrensessel mit Aufstehhilfe, sehr erfreut. Aber egal. In dieser Stunde sollte es Suffixe gehen, Ein Text wurde wieder in Ermangelung an Büchern an die Tafel geschrieben, die gestellt Aufgabe wurde nach mehreren Versuchen dann auch vom Moderator verstanden und schon konnte es an die Lösung der Aufgabe gehen. Dass wir, also Rebecca und ich, noch eine so große Rolle spielen sollten, wurde uns erst in Grundzügen bewusst, als Rebecca zur Tafel gebeten wurde um eine Aufgabe zu lösen. Die nächste Aufgabe, in diesem Fall mir zugeteilt, wurde noch von mir gelöst und angeschrieben, sollte aber nicht meine letzte sein. Der Weg zurück in die letzte Reihe wurde vom unbändigen Grinsen des Showmasters unterbrochen, angeblich wäre meine Tafelanschrift so schön, dass ich den Rest der Stunde leiten sollte. Naja, die Stunde konnte sowieso nicht mehr so lange gehen. Zugegebenermaßen war meine Anschrift nicht schön, sondern einfach nur möglichst präzise. Anstatt alles auszuschreiben behalf ich mich, auch durch Mangel an schöner Schrift, einfach wenigen Wörter und mehr Pfeilen und Zeichen. Das überverhältnismäßige Feiern der Methode war durchaus etwas irritierend.

Nach wenigen Minuten wurde dann der Stoff des Tages auch beendet, Rebecca sollte nach vorne zu mir kommen, und dann gemeinsam die fragen des Plenums beantworten. Von Fragen über meinen liebsten Fußballprofi (keine Ahnung, ich bin froh wenn ich fünf Namen zusammenbekomme, einer davon wäre Franz Beckenbauer, aber ich denke der ist mittlerweile out), über unser Studium, bis hin zu Möglichkeiten der jungen Männer in Deutschland war wirklich alles alles dabei.

Am Ende wurden wir vom Träger des geliebten blaugemusterten Hemdes noch aufgehalten, dieser wollte mit uns die nächsten Unterrichtsstunden planen. Die erneute Erklärung, dass wir heute nur ausnahmsweise im Krankenhaus freibekommen konnten, wurde durchaus aufgenommen, allerdings sah er so traurig aus wie das Kind, dessen Ball wir die Woche haben platzen sehen. Um eine Einladung zum Abendessen nächste Woche kamen wir jedoch nicht drum herum.

Mathematik – Form II

In der 30 Minütigen Pause gönnten wir uns eine im „Mkemia-Shop“ eine brühwarme Cola, vier Bananen bekamen wir obendrauf geschenkt. So befüllten wir unsere schwitzenden Körper am Wegesrand mit Wasser, Cola, und Bananen.

Im Mathematik-Kurs, hier wieder gemischt und bestimmt 50 Kinder, wurden wir leider nicht in die letzte Reihe gesetzt sondern ans andere Ende. Erste Reihe, genau in der Mitte. Das war durchaus sehr unangenehm, vor allem hatten wir die ganze Zeit dein Eindruck, nur im Weg zu sitzen. Binomische Formeln und die Wissenschaftliche Schreibweise großer und kleiner Zahlen wurde gelehrt. Ich hatte den Eindruck, dass es recht gut aufgenommen wurde, die Stunde war wirklich sehr kurzweilig.

Physik – Form III (oder IV? Keine Ahnung)

Nach dem Besuch der liebevoll eingerichteten Schultoilette (Achtung! Ironie), führte uns der second master zum Physikunterricht. Dieser fand nicht in einem Physiksaal statt sondern in einem Chemiesaal. Dieser sah recht gut eingerichtet aus, lediglich ein klaffender Kabelschacht machte mir Angst. Den Drahtseilknöcheligen Lehrern hier wohl nicht. Zudem war es in diesem Saal nicht nur sehr laut – ein Gebäude weiter lief ein sehr lauter Gottesdienst, mit Singen und Tanzen ab – nein, es war auch wirklich unbändig warm. Kaum ein:e Schüler:in hatte kein Tuch in der Hand, mit dem unablässig der laufende Schweiß abgewischt wurde. Wenn sich hier schon jeder den Schweiß abwischt, der kann sich jeder danken, welche Sturzbäche sich den Weg von Locke bis Socke bei Rebecca und mir bahnten. Sie wurde auch irgendwann auf ihrem Stuhl recht still, ich sagte dann dem Lehrer, dass wir leider einen kleinen Notfall im Krankenhaus hätte, zu dem wir gehen müssten. Das der Notfall unsere Kreislaufsituationen betrafen, das erwähnte ich nicht. Denn in den nächsten 20 Minuten hätte sich mein Kreislauf auch sicher in Richtung „Notabschaltung aufgrund Überhitzung“ verabschiedet.

Im Lehrerzimmer verabschiedeten wir uns noch schnell, die Teilnahme am Staff-Meeting lehnten wir dankend ab. Eine Schachtel Erdnüsse wurde uns noch überreicht, wir müssten diese nur noch 5-10 Minuten mit etwas Salz kochen. Dankend nahmen wir das Geschenk entgegen und liefen auf direktem Weg zum Doctor‘s House.

Allgemeines zur Schule

Die High-School in Liuli umfasst ein größeres Gelände als man denken mag. Es gibt einige Gebäude mit Klassenräumen, einen großen Speisesaal, eine Art Aula, wohl auch eine Moschee, ein Verwaltungsgebäude und einige Gebäude mit Laboren. Zudem finden sich hier noch mehrere Gebäude mit Schlafsälen für die Jungen.

Leider mussten wir versprechen, an diesem Tag keine Bilder zu machen. Tut mir leid, ich hoffe es liest sich auch ohne Bilder gut.

Mehrere Hundert Schüler und 16 Lehrer sind in Klassen von Form I bis Form VI aufgeteilt. Ab Form V werden die Klassen in Mädchen und Jungen geteilt. Das Angebot an Fächern ist ähnlich wie in Deutschland, Mathematik, die drei großen naturwissenschaftlichen Fächer, Swahili und Englisch, Künste, Religion, Gesellschaftskunde und Sport stehen auf dem Plan. Das Alter der Schüler reicht von ca. 12 bis zu ca. 25 Jahren.

Schon wieder St. Paul‘s?!

Am Abend wollten wir mit ein paar neuen Freunden aus Liuli zu Jo gehen. Ein Lagerfeuer und Stockbrot standen auf dem Plan. Dadurch, dass die Jungs sehr lange in der Klinik waren, liefen Rebecca und ich los um Zutaten für eine Guacamole zu kaufen. Bei 250 THS (also 10 ct) pro Avocado und 100 TSH (also 4 ct) pro Tomate sollte es wirklich günstig werden. Zudem fanden wir noch wirklich kalte Cola und mussten mal wieder Trinkwasser kaufen.

Nach Zubereiten der Guacamole starten wir zu Jo‘s Bar, Luca und Rebecca verschwanden auch direkt im Wasser, ich blieb mit Jonas draußen. Heute sollten nicht nur wir und unsere Freunde kommen, es sollte auch eine Party für die Lehrer geben. Kurz darauf wurden wir auch vom blauen Hemd entdeckt, das Schütteln der Hände dauerte so lange, ich hätte in der Zeit auch locker das Bernsteinzimmer finden können, aber egal. Es wurde sich herzlichst gefreut.

Leider war der Abend für mich für einige Zeit unterbrochen, Luca und Rebecca retteten ihn dann doch, man brachte mir Buscopan. Besten Danke! Ne Dreiviertelstunde später war ich wieder vollends hergestellt, es konnte als ausgiebig gefeiert werden.

Nach beigelegtem Kleinkrieg mit den Lautsprechern, sowie verdrücken aller Lehrer und sonstigen Anwesenden bis auf Jo und „DJ Washingmachine“, starteten wir unsere eigene kleine „deutsche“ Party. Es wurde Musik gehört von deutschen Künstler, die mir zwar (bis auf Kraftklub) alle unbekannt waren, zudem noch elektronische Musik. Da ich mit meiner Musik hier niemanden glücklich machen kann, beugte ich mich und hatte dennoch viel Spaß.

Heute morgen haben wir lange geschlafen, eben sind wir zum Strand, ich sitze hier und schreibe meinen Blog und lese, die anderen lesen, hören Musik und schwimmen in der ungeheuren Brühe des Malawisees. Heute Abend ist noch nichts geplant, allerdings haben wir alle etwas Gelüste nach Knabberzeugs, mal sehen, vielleicht bekommen wir sowas noch im Ort.

Bilder gibts wie immer die Tage.

Bis dann!

Krankenhaus die erste

Doctor‘s House, Liuli, TZA // 20:00 Ortszeit

Anmerkung: Bilder leider erst wieder die Tage, tut mir Leid. Ich bin froh, dass ich hier überhaupt schreiben kann!

Dienstag

Den ersten Tag hatte ich ja bereits beschrieben. Der zweite startete direkt voll durch. Also wir zu viert um viertel vor neun im OPD (out patient departement, irgendwas zwischen Nothilfe / -Aufnahme und Ambulanz) ankamen fanden wir zunächst keinen Arzt vor. Ein paar Patient:innen saßen natürlich schon im Wartebereich. Eine junge Dame stach uns allerdings ins Auge. Nach ein paar Jahren Rettungsdienst hat man irgendwann einen Blick für Patient:innen, denen es einfach nicht gut geht. Diese Frau zog schon unsere Blicke auf sich, beim Nähern fiel dann direkt die nicht so kleine Blutspur unter ihr auf. Also Patientin mit Blutverlust, kein Arzt, wir alleine. Und da ist er schon: der erste waschechte Notfall, und das am zweiten Tag! Irgendwie fühlte es sich zu verdächtig nach dem Erfurter „Johannes-Thal-Klinikum“ an. Kennerinnen und Kenner wissen von was ich rede! Also auf Notfallmodus umschalten, Rollstuhl holen, ab auf Station und alles an Diagnostik laufen lassen was geht. Hier beschränkt sich das Monitoring erst mal auf Blutdruck (60 systolisch) und Pulsoxymetrie (die war immerhin gut), mehr gibts einfach nicht. Wem das nichts sagt, keine Angst: Auf gut deutsch ging es unserer Patientin richtig scheisse, die Kacke war am Dampfen und alles sah nach hohem Blutverlust aus. Aus Ermangelung an Ambulanzräumen geschah die weitere Versorgung auf Station. Nach einiger Stabilisierung, Blutentnahmen und einer Anamnese, welche Gott sei Dank gut funktioniert – die Patientin spricht sehr gutes Englisch – kam dann auch der Chefarzt Dr. Matthews auf den Plan. Nach ein paar lobenden Worten entschloss man sich, die stattgefunden Fehlgeburt mit einer Ausschabung zu beenden. Ich weiß, das klingt alles sehr hart. Aber leider gehört es dazu, deutlich mehr Frauen erleben eine Fehlgeburt als man denken mag und das Risiko kann dabei recht hoch sein. Immerhin schaffte es unsere Patientin (mit dem Motorrad-Taxi „Picky-Picky“!!) in die Klinik, so konnte schlimmeres verhindert werden. Übrigens wurde sie einen Tag später entlassen, ihr geht es soweit gut und sie ist stabil. Die Erfahrung war aber krass, auch sieht man hier, dass man ab und an „aus Scheisse Pudding“ machen muss. Nichts ist da, alles fehlt, kein Personal da, aber die Situation verlangt es eben. Das Wissen, dass alles funktioniert hat ist sehr beruhigend.

Der weitere Tagesverlauf war ohne besondere Vorkommnisse, leidlich ein kleiner Stromausfall führt dazu, dass wir eine Ultraschalluntersuchung für einige Minuten unterbrechen mussten. Ist hier ganz normal.

Nachmittags liefen wir ins Dorf. Hier ist ist wirklich immer was los. Die Menschen freuen sich, spielen Brettspiele und sogar Billard! Liebevoll eingerichtete Bars wirken auf den ersten Blick total zusammengeschustert. Hier ist echt alles verbaut, von Beton über Mehlsäcke. Aber egal, es funktioniert, die Gemeinschaft lebt und man wird ebenso schnell in diese Aufgenommen. Übrigens fand ich hier auch endlich meinen geliebten Kaffee – auch wenns nur Instantkaffee ist, besser als nichts ists auf jeden Fall. Auch die Hürde, unserer nur Swahili-sprechenden Haushälterin Monika zu erklären, dass es super wäre, wenn wir morgens und nachmittags kochendes Wasser hätten habe ich irgendwie geschafft. Keine Ahnung wie, Aber es ging. Wer an einen Wasserkocher denkt, den muss ich enttäuschen. Selbst wenn der vielversprechende Wasserkocher nicht defekt wäre, der Strom ist sowieso häufig nachmittags nicht verfügbar. Also danke Monika, dass du meinen Ausdruckstanz mit dem Titel „Kaffeenotstand im Ruvuma-Land“ verstanden hast!

Der Dienstagabend war mal wieder von Bauchschmerzen geprägt, auch wenn ich keinen Spinat gegessen hatte – irgendwas anderes war es dann wohl, aber egal. Nach einem kurzen Nickerchen ging es für alle zu Jo‘s Paradise, Rebecca dachte immerhin an Spielkarten. Wieso ich meine Spielkarten aus meinem Rucksack ausgepackt habe ist mir ein Rätsel, nach so vielen Stunden die sich mich prokrastinierenderweise in der Uni begleitet haben, ich hätte es besser wissen müssen. Das rechte Feeling kam nicht auf, wenn man die massiv versifften Spielkarten aus dem Stüberl der Planegger Feuerwehr kennt, dann kann es einfach nicht aufkommen. Allerdings floss auch etwas weniger Bier, es wurde kein Schafkopf gespielt und der Malawisee lag nur wenige Meter vor uns. Hatte dann doch nix mit Stüberl zu tun, also alles gut, machte richtig Spaß. Zurück auf der Terrasse wurden wir von Rebecca in die wundersame Welt des „polnisch Poker“ eingeführt. Ich bin etwas froh, dass wir nicht dazu getrunken haben, dann hätte ich den anschließenden Fußmarsch nicht gepackt. So wirklich erfolgreich war ich nicht, immerhin hab ich die Regeln so halb verstanden.

Man höre und staune, aber ich wurde dazu gebracht mit ins Dorf zu gehen um Fußball zu sehen. Zugegebenermaßen muss ich zugeben, dass das Zusehen mehr Spaß gemacht hat als erwartet, auch wenn mir die Spielregeln immer noch schleierhaft sind. Abseits? Ja bestimmt! Oder doch nicht? Und was fuchtelt der Mann am Spielfeldrand mit der Flagge rum? Leider ist das Flaggenalphabet mit nur einer Flagge nicht anwendbar, keine Ahnung was er von mir oder den 23 Menschen auf dem Platz wollte.

In der Halbzeit traten Rebecca und ich dann doch die Flucht an. Im Doctor‘s House verschwand sie gleich um sich langzulegen, ich musste dann doch noch unters Wasser. Abgetrocknet im Bett wurde es dann doch kurz gruselig: Die Tür konnte ich noch nicht abschließen, immerhin waren die Jungs noch bei Michael‘s Sportsbar am Fernsehgerät gefesselt. In der Küche rumpelte es gewaltig und als ich kurz aufstand um zu sehen was war lief ich auch an der Tür vorbei um kurz einen Blick nach draußen zu erhaschen. Das Licht auf der Terrasse ist für unsere „Watch-Men“ immer an, also konnte ich alles gut sehen. Mit dem Gesicht, welches nur 70 cm vor mir auftauchte, konnte ich natürlich nicht rechnen. Winziger Herzkasper, Adrenlin, Fluchtreaktion und Tunnelblick begleiteten mich durch die nächsten Sekunden – der Mann auf der anderen Seite sah mir dabei nahezu liebevoll zu. Er bedeutete mir dir Türe zu öffnen und sagte mir dann, dass er nur einer der Watch-Men sei. Also alles gut, aber für meinen Kreislauf hat sich‘s gelohnt.

Mittwoch

Der Mittwochmorgen begann für alle etwas später, leider nur zu 50% geplant. Die Jungs vereinbarten ein verspätetes erscheinen, Fußball war lange, immerhin waren ein Drittel des Medizinischen Personals auch bei Michael. Hier ist das kein Problem, eine echte Konsequenz für die Klinik gab es auch nicht. Die nächtliche Aussage „wir gehen morgen später!“ fasste ich allerdings etwas falsch auf, so saßen Rebecca und ich auch zehn Minuten nach der normalen Abmarschzeit noch lesend auf der Terrasse, ein paar verdutze Blicke später seitens der Jungs ging‘s dann aber direkt los – zumindest für uns zwei.

Der Krankenhaustag begann dann doch recht unspektakulär mit der Visite. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als uns ein Piepsen immer näher kam. Da dieses aber von allem anderen gänzlich ignoriert wurde machten wir uns auch keine wirklichen Gedanken – bis zum letzten Raum der Visite. Dort lag ein Frühchen in einer piepsenden und warnenden Neo-Rea-Einheit (quasi ein Tisch mit Heizung, Heizstrahler und allerhand Equipment zur Wiederbelebung eines Säuglings), Mama und Großmama saßen daneben und betrachteten sich das Kind. Problem: Scheinbar hat dieses Gerät einen Defekt, die Heizung geht nicht – der denkbar schlechteste Fall für ein solches Kind. Mama wurde sogleich mitgenommen und in die Känguru-Methode eingeführt – die ist hier sowie am besten: braucht keinen Strom, keine Wartung und niemanden der Fehlercodes entziffern kann. Lediglich eine Mama, ein paar Decken und ein der Unterkühlung nahestehendes Frühchen werden benötigt. (An dieser Stelle möchte ich kurz erwähnen, dass es Kind und Mama gut gehen.) Auf der Suche nach Hilfe lief mir Bob über den Weg (oder Richard, oder Rich, oder Bob-Rich. Niemand weiß es). Er ist der Mann für alles was mit Bildgebung zu tun hat. Er macht die Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen, befundet sie und kennt sich auch bestens mit den Geräten aus. Also schnappte ich mit Bob-Rich, zerrte ihn zu der immernoch fröhlich blinkend-piepsenden Neo-Einheit und fragt ihn, ob er eine Idee hätte. Ein lachendes „I am not interested in this kind of machine“ ließ uns ratlos zurück – es war auf jeden Fall witziger in der Situation als es sich hier ließt. Danke Bob für deine Mühe! Auch mein Versuch, Dr. Google um Hilfe zu beten schlug fehl. Unser Gerät zeigte Fehler „H13“ an, die Anleitung kennt nur „H01“ bis „H11“. Naja, wir wären auch nicht in Afrika, wenn es eine einfache Lösung gäbe.

Im weiteren Vormittag stellte sich nur noch ein Mann vor, welcher sich dummerweise den Oberarm gebrochen hatte. Wenn man hier keine Unterarme operieren kann, dann Oberarme schon 3x nicht, so wurde nur geröntgt, und notdürftig versorgt. Vermutlich fuhr der Patient direkt ins größere Krankenhause – 2 Stunden, mit Picky-Picky. Krankentransport? Wer hier dieses Wort in den Mund nimmt wird eher ausgelacht.

Der Nachmittag wurde mal wieder schwitzenderweise auf der Terrasse verbracht, endlich konnte ich Lothar-Günther Buchheims „Das Boot“ zu Ende lesen. Ab 22:00 Uhr nahmen wir noch in einem online-Meeting unserer Organisation „Friends of St. Anne‘s e.V.“ teil, der Austausch war super, und vermutlich gibt es auch schon bald eine Lösung für die Neo-Einheit.

Donnerstag

Heute sollten Rebecca und ich alleine im Krankenhaus sein – die Jungs besuchten am Vormittag die örtliche „St. Paul‘s High School“. Wir werden morgen dort sein, natürlich gibts hier einen kleinen Bericht!

Schon um acht fanden wir uns auf dem Hof zwischen Bobs geliebtem Röntgen, der Kinder- und der Frauenstation ein. Uns wurde ein sehr fröhlicher Gottesdienst mit Musik versprochen. Wieso dieser ausgefallen ist? Keine Ahnung, zumindest liefen wir wieder nach Hause. Rebecca rann auch gleich zum See, ich vertrieb mir lieber die Zeit in gewohnter Weise. Sessel. Kaffee. Buch.

Seit Mittwochabend gehen die anderen auch Schwimmen. Die ursprüngliche Angst, dass im See böse Pärchenegel, die Übertrager der Bilharziose bzw. Schistosomiasis, leben, die wurde im Meeting wie weggeblasen. Die vorherigen Berichte der Einheimischen, welche immer wieder betonten „no parasite! No parasite!“ (Zumindest in dieser Bucht, in allen anderen Buchten schon), und Dr. Evans Meldung, dass er seit Jahren hier keine Fälle gesehen haben konnte uns nicht so recht überzeugen. Zudem Dr. Evans auch erst seit Juli letzten Jahres hier ist. Egal. Zumindest brachte das Meeting einen gewaltigen Stein ins Rolle und so sah ich Rebecca heute morgen, sieben Minuten nach acht, schon den Dschungel runter rennen, ab ins Wasser. Ein Wunder, dass sie sich in ihrem Tatendrang nicht in den Birkenstock mindestens 12 Bänder abgerissen hat. Da ich sowohl meine Bänder, als auch meinen Kaffee sehr gern habe, blieb ich wie gesagt auf der Terrasse. Auch wenn es wohl wirklich keine Bilharziose in exakt dieser einen Bucht gibt, dann hab ich trotzdem wenig Lust auf Typhus, ne Amöbenruhr oder Cholera. Mein armer Bauch muss hier genug mitmachen.

Um viertel vor neun fanden wir uns im OPD mit Dr. Evans wieder. Auf dem heutigen Plan sollte eine große Visiterunde und ein Kaiserschnitt einer fünfzehnjährigen stehen. Nach der Visite versorge Rebecca eine Wunde, ich bereitete unsere Patientin für die OP vor. Mit einer freundlichen Hebamme oder Pflegerin (die Grenzen sind hier SEHR fließend), machte ich mich ans Werk. Kurz darauf holte Bernhard (der Anästhesiepfleger und Anästhesist im praktischen Paket) die Patientin ab und wir stiefelten in den OP. Auch hier ist „stiefeln“ wieder wörtlich gemeint. Aus Ermangelung an OP-Schuhen werden hier einfach weiße Metzgergummistiefel getragen. Zugegebenermaßen oder Boden nach einer Schlachtung und nach einem Kaiserschnitt nicht immer so gut zu unterscheiden, viel rote Flüssigkeit gibt‘s definitiv in beiden Fällen. Dr. Evans operierte, Rebecca stellte die erste Assistenz und ich sollte mit der netten Dame von eben das Kind versorgen. Kurz nach Schnitt hielt ich auch schon ein schreiendes, kleines Mädchen im Arm. Alles war gut, vor allem atmete es direkt spontan. Dies ist hier leider keinesfalls an der Tagesordnung. Hier fehlen einfach die Möglichkeiten um andere Anästhesieverfahren als NUR Ketamin anzuwenden. Das Kind bekommt etwas davon ab und mit Atmen und Kreislauf ist dann oftmals nicht so wirklich am Anfang. Aber hier sollte alles gut gehen. Ich lernte, wie man hier ein Kind burritomäßig in schöne bunte Decken wickelt, es untersucht und misst. Spannend und auch mit wirklich wenig Dingen zu lösen!

Eigentlich wäre jetzt für uns Feierabend. Geschwitzt haben wir auf jeden Fall mehr als genug, haben versorgt, genäht, Zugänge und Katheter gelegt und im OP assistiert. Aber wie es so ist, es sollte auch direkt der zweite Kaiserschnitt kommen. Das Putzen des OP geht hier besonders schnall, also leider auch keine Zeit fürs Mittagessen. Doof. Aber so ist das eben.

Rollentausch! Rebecca beim Kind, ich die erste Assistent. Das war auf jeden Fall mega spannend! Gemacht hab ich‘s noch nie, ich wurde allerdings von Dr. Evans super an die Hand genommen, und wir brachten das Kind in wenigen Minuten zur Welt. Eine weitere Beschreibung von Menge, Aussehen und Geruch der Mischung aus Mekonium, Fruchtwasser, Blut und Schleim erspare ich mir hier wieder. Dummerweise fehlt es hier auch an einer Möglichkeit der Absaugung, also wurde die gesamte Suppe mit Tüchern abgetupft, eben diesen wurde durch Handkraft die eben sorgfältig aufgesaugt Brühe wieder entrissen und in eine Nierenschale verbracht und dann wieder getupft. So war ich erst mal viel mit Tupfen – Ausdrücken – Tupfen und wieder Ausdrücken beschäftigt, Hauptsache Dr. Evans konnte alle Blutungsquellen identifizieren. Die Gebärmutter wurde dann auch sorgfältig zusammengenäht – jeder Obersteiner wäre stolz auf einen so sorgfältig verschnürten Rollbraten – und danach wieder ins Innere unserer Patientin verbracht. Nach der Hälfte der letzen Naht drückte mir der Operateur Nadelhalter und Pinzette in die Hand, ich sollte nähen. Zunächst musste mir Rebecca meine Spritzschutzbrille von der Nase ziehen, dadurch sehen und Nähen fühlte sich ähnlich an wie das Treffen des Schlüssellochs der Haustüre – direkt nachdem man 15 Bier in der Kneipe um die Ecke getrunken hatte. Aber ich wusste es ja, also erst Anfangen wenn die Brille weg ist. Das weitere Nähen verlief dann aber recht gut, meine Augen zwangen mich jedoch wirklich nach ran zu gehen. Glücklicherweise nähte ich mir weder meine Maske noch meine Nase an die Patientin, Dr. Evans schien recht zufrieden zu sein – oder er war viel in Vegas, andererseits ist sein Pokerface nicht zu erklären.

Um 16:00, nass geschwitzt, endlich aus dem Klinik-Zeug raus, ab auf die Terrasse und Essen. Kartoffeln und Spinat, also für mich nur Spinat. Eine Stunde lesen, ab zu Joseph‘s Paradise und Blog schreiben. Mehr brachte der Abend nicht hervor. Doch! Monikas super Chapati und Tomatensoße, die ist erwähnenswert!

Ich werde jetzt gleich (mal wieder) duschen, natürlich mit Seewasser. Ob es gefiltert ist? Keine Ahnung, manche hier sagen ja, gestern im Meeting hieß es nein, heute hörte ich schon „double filtered“. Ich werde weiterhin beim Wachen möglichst viele Körperöffnungen geschlossen halten, meine Zähne brav mit Trinkwasser putzen und nicht in den See gehen. Mein Flugticket ist nur auf mich gebucht, nicht auf blinde Passagiere namens Amöbe, Typhus, Cholera, Bilharziose oder sonstige lustige Würmer, die sich mit Sicherheit sehr wohl innerhalb meines Darms fühlen würden.

Also, bis dann!

Lala Salama.

Der erste Tag

Doctor‘s House, Liuli, TZA // 20:45 Ortszeit

Anmerkung: Bilder gibts die Tage, es ist schon spät und der Upload dauert ewig… Bitte nicht böse sein 🙁

Der erste Tag? Ja und das sogar drei mal. Erst der erste Tag nach Ankunft, er erste komplette Tag hier und dann der erste Tag im Krankenhaus heute. Aufgrund der vielen zu erzählenden Eindrücke möchte ich hier noch nicht auf das Doctor‘s House oder das Krankenhaus im Allgemeinen eingehen – dazu wird es einen separaten Eintrag geben.

Die Ankunft in Liuli

Gift brachte mich zum Doctor‘s House. Die anderen Studis (Rebecca, Jonas und Luca) essen erst mal was mit mir. Monica, die Haushälterin hat uns Reis, Ugali und Bohnen gekocht. Ich hab mich mit Reis und Bohnen zurechtgefunden, Ugali, ein etwas an Knete erinnerndes weiß-pampiges Gericht, ist mir noch suspekt. Bohnen und Reis sind aber sehr lecker. Die Anderen haben sogar eine kleine Cola besorgt, zusammen mit dem Wasser ist es nach der langen Busreise eine absolute Wohltat! Nach dem Essen richtete ich mich erstmal häuslich ein. Aus meinem Schrank musste ich erstmal ein paar Geckos vertreiben, danach konnte ich meine großen Rucksack endlich ausräumen. Endlich endlich. Das ganze schwere Zeug, Handschuhe und Desinfektionsmittel, alles schwer und sperrig. Ich war so froh, dass es endlich raus ist und ich es auch nicht mehr mit nach Hause schleppen muss. Alles was medizinisch ist, und was ich nicht zwingend für meine Reiseapotheke brauche bleibt definitiv hier, hier mangelt es wirklich an so vielen Sachen. Die zwei Jungs verkündeten alsbald, sie würden gerne Fußball sehen. Rebecca und ich verziehen uns zum Strand. Der Strand am Malawisee ist wirklich nur 100 m quer durch den Dschungel entfernt. Einige Minuten am Strang mussten wir gehen um zu „Joseph‘s Paradise“ zu kommen. Eine wirklich wunderschöne Bar, mit welcher sich der unglaublich freundliche Joseph wirklich einen Traum erfüllt hat. Zu Joseph und Joseph‘s Paradise schreibe ich demnächst nochmal etwas, es soll ja spannend bleiben! Rebecca und ich kauften ein warmes Bier – Kühlung ist nicht so einfach. Pro Bier löhnten wir 2.500 TSH (ca. 1€), das Bier tranken wir dann am Strand. Naja, zumindest den ersten Teil. Rebecca musste noch telefonieren, aufgrund des schlechten Empfangs musste sie zum Doctor‘s House zurück. Ich schloss mich ihr an, dort konnte ich dann den letzten Blogeintrag auch fertig schreiben. Als die Jungs wieder zurück kamen gingen wir noch ins Dorf. Spannenderweise war dort tote Hose. Die Jungs berichteten,, dass erfahrungsgemäß mehr los sein müsste, war es aber nicht. In der einzigen noch offenen Bar holten wir uns dann jeweils ein mäßig warmes Bier, pro Nase auch wieder um die 2.000 TSH (also ca. 80 ct). Diese Bar war besonders: Von außen sah sie wirklich schäbig und winzig aus. Ehrlicherweise hatte es jedoch was von der Tardis (wem Tardis – Time and relative dimensions in space – nichts sagt, muss dringen Doctor Who? sehen). It‘s bigger on the inside! Erst mal auf dem Gelände war es doch wirklich schön. Eine gemütliche Ecke direkt vor der Bar. Die Jungs schnackten kurz mit dem Besitzer und richteten Grüße von Freunden aus Deutschland aus, die weitere Unterhaltung verlief auf Deutsch. Auch wenn wir englisch geredet hätten, dann hätte er leider nichts verstanden. Im Ort verstehen vor allem die Älteren kaum englisch. Wir kauften uns noch‘n Bier für den Kühlschrank zu Hause und dann ging es auch schon heim. Die anderen waren noch am schnacken, ich verzog mich erst ins Bad und dann ab ins Bett. Der lange Tag, die lange Busfahrt und vor allem diese unbändige feuchte Hitze. Macht mich alles fertig. Und nein, zum jetzigen Zeitpunkt wurde es noch keinen Deut besser. Die Nacht verlief recht gut, ich konnte schnell einschlafen und wurde auch erwartungsgemäß nicht von den anderen geweckt.

Der erste volle Tag

Ich wachte nicht etwa durch Lärm oder durch ein befriedigtes Schlafbedürfnis auf. Nein. Vor allem durch „Garen im eigenen Saft“. Wer sich das Ganze jetzt sehr eklig vorstellt, dem sei gesagt, dass es noch ekliger war. Leider kam ich nicht direkt zum Duschen, das Essen des Vortags und das Bier meldeten sich mit dem unbändigen Bedürfnis zum Aufsuchen des Schapp H. Ehrlicherweise wunderte es mich, dass ich erst an Tag 6 meiner Reise die ersten Probleme mit meinem Bauch bekam. Ich hab‘s ja mal häufiger, deshalb war ich umso glücklicher, dass es die ersten Tage wirklich wirklich gut ging. Kurz darauf gönnte ich mir eine Dusche, auch wenn es super ist, dass es hier sogar warmes Wasser gibt, empfiehlt es sich doch beim semi-kalten zu bleiben. Jede Abkühlung ist wahnsinnig gut. Zum Frühstück kamen ähnliche Gebäckstücke wie ich sie aus Dar Es Salaam kannte auf die Back draußen. Rebecca brachte dankenswerterweise ein Glas Ovomaltine mit, haushalten mussten wir damit schon, aber dennoch sehr sehr lecker. (Instant-)Kaffee gab und gibt es leide nicht, vielleicht finde ich ihn noch irgendwo! Der Rest des Tages war tendenziell von Schwitzen und dementsprechenden Kreislaufproblemen geprägt. Trotz einer, für mich deutlich erhöhten Trinkmenge, bekam ich es nicht so wirklich in den Griff, aber egal, es sich ja genug Medizin-Studis um mich rum.

Die geplante Wanderung auf die Anhöhe direkt am Malawisee war leider nur semi-erfolgreich. Zuerst mussten wir am Strand entlang, Rebecca meinte schon, dass wir einen kleinen Fluss überqueren müssten. Klingt soweit erst mal unproblematisch, bis zu dem Zeitpunkt an dem man erfährt, dass es A) keine Brücke gibt, B) der Fluss vermutlich voll Schistosomen ist und C) dort die Tage ein Mann von einem Krokodil gebissen wurde. Dennoch: Erkundung ist alles. Deshalb sind wir auch erstmal hin und haben geschaut, vielleicht gibt es Einheimische, vielleicht können diese uns helfen. Also: dort gab es sehr wohl Einheimische, diese wateten allerdings durchs Kniehohe Wasser – welches natürlich sehr trüb ausschaute. Zudem sah diese Stelle wirklich wie ein Kroko-Paradies aus. Also: Rückzug. Die Jungs und Rebecca wollte noch bei Jo vorbeischauen, ich hingegen ging zurück zum Doctor‘s House.

Der Weg führte mich vorbei an direkt zwei Sportplätzen, oder besser Bolzplätzen. Dieses Land liebt wirklich Fußball, auch wenn meine Fußballkünste quasi nonexistent sind und meine Füße, welche eher an Bügeleisen erinnern, super untalentiert sind, in Kombination mit meinen maulwurfgleichen Adleraugen sich auch nicht als hilfreich erweisen, dann wurde ich doch gefeiert, als ich den Ball in etwa in die Richtung des Spielfeldes zurücktreten konnte. Etwas stolz setzte ich meinen Weg dann fort.

Der weitere Weg führte mich direkt durch eine Kuhdrift, die Bullen und Kühe hielten direkt auf mich zu, eine Absicht derer anzuhalten war nicht zu erkennen, meine Flucht in den Hang wurde etwas belächelt. Immerhin hatten dadurch die Jungs neben dem Weg etwas zu lachen, der Bauer schaute auch etwas verdutzt, aber egal. Keine Ahnung wie ich sonst zurück kommen sollte.

Am oberen Ende der Kuhdrift angelangt entdeckte ich zunächst ein Schild, welches auf eine High-School hindeuten sollte, zudem noch ein wirklich cooles Kiosk. Letzteres hatte leider geschlossen, die Malerei an dem Gebäude ließ jedoch auf Chemie-Liebe des Besitzers oder gute Fälschungskünste schließen. Allerdings bin ich auch nicht der richtige, um Dieses zu deuten. Wenn ich an den Chemie-Kurs im ersten Semester denke: Die komischen Striche, Keile und Punkte, vogelwild kombiniert mit wahllosen Zahlen und Buchstaben, da wird mir direkt wieder schlecht. Aber egal, es erwartet ja niemand von mir, dass ich hier wieder mit komischen chemischen Formeln hantieren muss oder etwas in Sessel- oder Wannenformation Zeichen muss. Kein Plan.

Am Haus vertrieb ich mir dann die Zeit mit elendigem Schwitzen, Lesen und etwas Traurigkeit darüber, dass die Affen nur zum Frühstück da waren. Vielleicht sehen wir sie die Tage nochmal. Das Abendessen bestand dann aus Spinat, Kartoffeln und Bohnen. Ersterer bekommt mir scheinbar nicht wirklich, es gibt zumindest einen gleichgerichteten Zusammenhang zwischen „Monikas Spinat essen“ und „Pütz aufsuchen“. Dann verzichte ich eben auf den Spinat, besser für meine Zähne ist es ohnehin, die massig enthaltenen Steinchen und Sand würden mir irgendwann noch den Schmelz aus der Kauleiste reißen.

Nach einer halbstündigen Episode von buscopanbedürftigen Bauchschmerzen, kombiniert mit unbändigem Schwitzen ging es wieder raus auf die Terrasse. Wir schauten uns den ersten Teil des Films „Im Westen nichts Neues“ an, in der Hälfte unterbrachen wir und gingen ins Bett. Mit Schlafen war leider nix drin. Irgendwie hab ich es nicht geschafft, dass meine Körpertemperatur auf erträgliches Level fiel. Nach gut einer Stunde, mit dem immer näher kommenden claustrophischen Zustand entschloss ich mich die Dusche aufzusuchen. Eine Tür weiter, 30 Sekunden unter kaltes Wasser und zurück ins Bett. Das bewirkt Wunder und das werde ich heute Abend auch sicher wieder machen. Andernfalls drehe ich hier wirklich durch.

Der erste Tag im Krankenhaus

Wecker um 7:30, Gott sei Dank, es regnet. Schnell unter die Dusche, dieses mal aber richtig. Dann Frühstück mit den Anderen, wieder gibt es Gebäck aber leider kaum Affen. Um 8:20 starten wir in Richtung Krankenhaus.

Fünf Minuten später sind wir schon im Verwaltungsgebäude. Dort waren wir die ersten, Pünktlichkeit ist hier wohl auch so ne Sache. Nach etwas Gerede und einem Gebet eröffnete Gift die Sitzung. Dr. Matthews, der Chefarzt führt nasebohrenderweise das Wort, zudem sind noch Dr. Ewans und Damas vor Ort. Damas ist zwar kein Arzt und hat auch nie studiert aber er wird quasi wie einer eingespannt. Alles eine Erscheinung des unglaublichen Mangels an allem, aber wenn es funktioniert, dann soll es recht sein. Hier wird wirklich jeder gebraucht.

Nach der Besprechung liefen wir mit Dr. Ewans zur Visite, die Geburtenstation, die Kinderstation sowie die Stationen für Männer und Frauen wurden nach und nach visitiert. Zur hier gemachten Medizin werde ich mich später äußern, würde den Rahmen sprengen. Spannend waren allerdings vor allem eine wirklich böse Clavicula-Fraktur (Clavicula = Schlüsselbein), diese kann kaum behandelt werden. Auch einen Schlangenbiss sieht man in der Hunsrückklinik Simmern doch eher selten.

Nach der Visite gingen Luca und ich ins Major Theatre, dem großen OP-Saal. Dort sollte gleich eine Sectio (eigentlich Sectio Caesarea = Kaiserschnitt) laufen. Luca war 1. Assistenz, Dr. Ewans Operateur. Aufgrund der mangelnden Beatmungsmöglichkeit wird die Narkose mit einem Medikament gemacht, welches leider auch schnell im Kind anflutet. Deshalb muss es hier schnell gehen! Zu dem Vorgehen hier schreibe ich auch nochmal… Ein Pfleger, Rebecca und ich empfingen den kleinen Jungen und übernahmen die erste Versorgung,,, abtrocknen, einpacken, messen, wiegen. Alles wohlauf, alles reif, alles gut. Rebecca brachte den Kleinen zur Familie, ich räumte etwas auf und schon rief der nächste Fall.

Ein Junge hatte sich vor 2 Tagen den Unterarm komplett gebrochen. Das Reponieren und Gipsen machten weder dem Jungen, uns Studis oder Dr. Matthews Spaß, laut ihm wäre es jedoch vor der Einweisung in eine Chirurgie absolut nötig. Aus Unwissen, wie es hier läuft möchte ich dazu keine weitere Aussage treffen.

Um 13:00 war Feierabend für uns, Monika bekochte uns mit einem recht schleimigen Gemüse und Bohnen, den Gemüseschleim runterzuwürgen war etwas schwierig, ab und an fanden sich auch noch sehr faserige Teile darin. Aber egal, die Bohnen waren sehr lecker. Danach legte ich mich kurz hin.

Mein Erwachen war eher unschön, die anderen wollten noch zu einer Nonne gehen, wir waren zu Tee eingeladen. Leider konnte ich diesen Termin nicht wahrnehmen, mein Kreislauf kapitulierte unter der feuchten Hitze. Etwas Abkühlung brachte nur Wasser auf und in meinem Körper, eine Stunde und 1500 mL Trinkwasser später ging es mir dann wieder soweit gut, dass ich den anderen folgen konnte. Leider verpasste ich die Nonne nur knapp, ein kurzes „Hallo“ war noch drin, mehr leider nicht.

Rebecca lief zum Strand, die Jungs und ich liefen zum Dorf. Auf der Suche nach Seife gingen wir wieder an der High School vorbei, an der ich gestern schon vorbeigekommen war. Das Gelände ist deutlich größer als erwartet, ein junger Mann, seineszeichens motivierte Schüler, führt uns über das Areal und erklärte uns, dass hier ca. 150 Schüler in 4 Klassen gehen. In drei Schlafsäle mit Stockbetten sind die Jungen untergebracht. Auf dem Weg zurück trafen wir den Schulleiter, mit dem machten wir ein Treffen morgen ab, mit etwas Glück können wir eine Unterrichtsstunde mit ansehen, das wäre sicher spannend!

Im Ort kauften die Jungs noch Seife, für 18.000 TSH (ca. 7€) holten wir noch 18 Flaschen Trinkwasser mit. Die spielenden Kinder auf der Straße sind wirklich sehr dankbar wenn man ein wenig mit ihnen spielt. Also wurden wir drei Jungs kurzzeitig zur Belustigung der Kinder, ein kurzes Hochheben und Fliegen lassen war vermutlich das Highlight des Tages für die Kleinen.

Monika bereitete uns Abendessen, dieses mal super: Legendär gute Tomatensoße, dazu Bohnen und Chapati. Mega lecker. Ohne Bauchrumoren und gesättigt, dafür aber natürlich brutalst am schwitzen sitze ich nun auf unserer Terrasse und hacke diesen Text in mein iPad. Respekt, wer es bis hier in ausgehalten hat!

Morgen gehts wieder weiter, dann melde ich mich auch bald wieder. Ich geh jetzt kurz unter die Dusche, rufe noch zu Hause an und gehe dann auch ins Bett. Bis dahin:

Lala Salama (Swahili für „Gute Nacht“)

Ankunft

Doctor‘s House, Liuli, Tanzania // 12:00 Ortszeit

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass die Nacht, trotz der direkt daneben liegenden Disko, deutlich besser war als erwartet. Auch wenn sich sicher nicht an irgendwelche Lautstärkegrenzwerte – vorausgesetzt sowas gibt es hier – gehalten wurde, und es wirklich meinen Raum durchschüttelte bis in den frühen Morgen, war die Nacht sehr angenehm. Ich wurde von keinem Krabbeltier gebissen, auch musste ich erfreulicherweise die Toilette nicht nutzen.

Mein Treffen mit Gift, dem hospital secretary, war geplant um 6:20. Also vorher aufstehen, versuchen zu duschen. Leider passierte überhaupt nichts als ich den Hahn in diesem Bad umdrehte. Also musste doch der Kübel mitsamt Schöpfkelle, eigentlich gedacht um die Toilette zu spülen, herhalten. Aus Wassermangel wurden die Haare ausgelassen, wenige Minuten später war ich dann halbwegs frisch gewaschen fertig und konnte meine letzten Sachen zusammenpacken. Beim Zusammenlegen meiner Jacke, welche ich unter mein Kopfkissen legen musste (scheinbar ist die Hausstaubmilbenbelastung in diesem Bett so hoch, dass meine seit Jahren stille Allergie zurück kam), klopfte es fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit an meiner Tür. Sehr pünktlich dieser Mann. Schnell mein Zeug zusammengepackt, aufgesperrt, Sachen ans Taxi getragen, nochmal alles kontrolliert, eingestiegen und schon düste der Fahrer los zum Busbahnhof. 15.000 TSH (ca. 6€) ärmer, aber sehr schnell am Ziel, wurden wir abgeladen. Ich bewachte das Gepäck während Gift im Getümmel verschwand. Ungefähr eine halbe Stunde später rollte unser Bus auf den Platz. Immerhin, kein uralter Zossen. Wirkt sogar recht modern, drei Achsen, recht hoch, Reisebus. Wird sicher gut. Gift holte mich ab, die drei Kisten für‘s Krankenhaus und mein großer Reiserucksack wanderten recht lieblos in den Gepäckraum und wir bezogen unsere Plätze. Zweite Reihe, ich am Fenster, guter Blick nach vorne. Ledersitze, ziemlich im Eimer, Beinfreiheit (selbst für meine 173 cm) gleich null, aber mit Schiebefenster. Die Fahrt kann starten. Meine Frage, ob wir dann in vier Stunden, wie geplant, ankämen, wurde mit einem kleinen Lacher verneint. Mit dem Auto vier Stunden. Mit dem Bus mindestens das doppelte. Darauf hin noch schnell antikoaguliert, sicher ist sicher und schon setzte sich unser Gefährt mit dem unablässigen Betätigen der ziemlich lauten Drucklufthupe in Bewegung.

Unser erstes Zwischenziel sollte Mbinga sein. Zwei Stunden waren geplant dort hin. Im Endeffekt haben wir nur etwas länger gebraucht. Unserer erster Fahrer, ein recht schmächtiger Mann mit Kaputzenpulli fährt. Oder besser gesagt: Er überholt. Er überholte wirklich alles und jeden, keine Sicht über die nächste Kuppe, keine Sicht um die nächste Kurve, keine Sicht am Lastwagen vor uns vorbei. Aber egal, drauf auf die Hupe, runterschalten und mit Vollgas vorbei. Spannenderweise überlebten wir allesamt. Die Sache mit den Kaputzenpullis ist recht spannend: Oftmals wurden Fenster geschlossen, weil es doch noch viel zu kalt wäre. Kann ja heiter, werden dachte sich mein jetzt schon schwitzendes Ich. Spätestens alle zwei Minuten stoppte der Bus am Wegesrand, es stiegen entweder Menschen ein, alternativ wurden Säcke oder Eimer oder Post eingeladen. Nach ca. zwei Stunden rasanter Fahrt erreichten wir Mbinga.

In Mbinga scheint wohl eine Art Umsteigeplatz zu sein. Der Hof, auf welchen wir draufrollten, war prall gefüllt mit mehr oder minder schrottreifen Bussen. In einige wenige würde ich auch einstiegen, allerdings würde sicher keiner mehr irgendeine europäische Sicherheitskontrolle bestehen. Aber glücklicherweise sind wir ja in Afrika, Tanzania, Mbinga, irgendwo in der Rumuva-Region, unendlich weit von zu Hause entfernt, gelandet. Gift sagt mir, hier würden wir eine Frühstückspause einlegen. Also Rucksack aufgesetzt, raus aus dem Bus und Gift nach. Dieser holte sich direkt zwei Suppen, eine scheinbar mit Fleisch, Knochen und Innereien, die andere mit Bohnen, Bohnen, Bohnen und etwas Speck. Beides, unter anderem in Hinblick auf die bevorstehenden Stunden, eher ungeeignet. Dem Jungen neben mir wurde ein köstlich aussehendes pfannkuchenartiges Gepäck gebracht, ich verlangte direkt zwei davon: Tatsächlich Pfannkuchen, sogar unglaublich leckere! Dazu bekam ich noch eine Tasse äußerst schmackhaften Tee und löhnte wahnwitzige 700 TSH (ca. 28 cent). Nach 90 Minuten inclusive Toilettenbesuch kündigte die Hupe baldiges Abfahren an. Einsteigen, weiter geht‘s.

Jetzt fährt ein anderer Mann. Zwar überholt er weniger, dafür fährt er aber signifikant schneller. Das wenige Überholen ist aber auch eher dem abnehmenden Verkehr geschuldet. Verkehrsberuhigunge Bauwerke, wie wirklich wirklich böse Schwellen in der Straße, werden ebenso ignoriert und mit Karacho überfahren wie Fußgängerüberwege oder dergleichen. Auch wenn alle Überwege auf einem kleinen Plateau liegen, und wir dementsprechend immer aus dem Sitz gehoben wurden, wurde sicher nicht vom Gas runter gegangen. Sollten Fußgänger dort stehen, dann wurde – oh Wunder – einfach gehupt und vorbeigefahren. Standen Fußgänger allerdings an der (oftmals nicht markierten) richtigen Stelle, so wurde natürlich ebenfalls gehupt, angehalten um sie einsteigen zu lassen. Natürlich wurden auch hier ab und an nur Säcke oder einfach rohe unverpackte Fische mitgenommen. Alles normal. Bei der Abfahrt, wurde natürlich auch wieder die Hupe genutzt. Ohne diese geht hier nix. Interessant war das Entertainment im Bus. Bei Abfahrt lief noch etwas zu laute lokale Musik samt Musikvideos. Trotz 90% Lautstärke meiner Black-Metal-spielenden Kopfhörer, war die Musik noch deutlich zu hören. Der neue Fahrer entschied sich scheinbar für einen Film. Für den Rest der Fahrt wurden also Low-Budget Kurzfilme gezeigt, allesamt aus türkischer Produktion aber in Swahili „synchronisiert“. Die Synchro funktioniert scheinbar so, dass ein paar Jungs den Film nehmen und sobald jemand redet (egal ob männlich oder weiblich), die Tonspur komplett abschalten und das Gesprochene in ihr Mirkophon sprechen. Das Mikrophon ist scheinbar aus einer Dose, einem Gummi und einem Stück alter Telegraphenleitung selbst gebaut, andernfalls ist die Tonqualität nicht zu erklären. Das Ausblenden des Tons führt teilweise zu lustigen Tonschnipseln: So dröhnte ab und zu ein Hubschrauber, ein abstürzender Düsenjäger, eine Disko oder gar eine Schießerei durch unseren Bus, ununterbrochen von der „Synchronisation“ und natürlich der gequälten Hupe unseres Busses. Die weiter Fahrt wurde nur kurz durch ein Schild unterbrochen, welches befahl, nicht mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht durchzufahren. Der kommende Streckenabschnitt wäre keinesfalls dafür ausgelegt. Wenige hundert Meter nach dem Schild erschien rechts ein Gebäude, vor dem Gebäude eine Achslastwaage. Dies zeigt für die Vorderachse knapp acht Tonnen, für die zweite Achse samt Schleppachse ungefähr zwölf Tonnen. Ein Offizieller schaute sich die Zahlen an, nickte freundlich und schon ging es, mit nur 16,5 Tonnen zu viel, auf die, für uns eigentlich gesperrte, Straße. Bis Mbomba-Bay verlief die Fahrt meinerseits hauptsächlich schlafenderweise, in Mbomba-Bay wurde der nächste Stopp eingelegt.

In Mbomba-Bay verschwand Gift mit einem Umschlag samt Geld. Dieser Umschlag war wichtig für meine Arbeitserlaubnis. Nachdem dieser abgegeben wurde holte ich mir noch etwas zu trinken, Gift eine Portion Pommes, ich mir die köstlichste Banane des Universums (für 100 TSH, also vier Cent), und es wurde wieder fleißig umgestiegen, umgepackt, ein- und ausgeladen. Gift sagte mir bereits, dass der nächste Abschnitt „a little bit ruffer“ werden würde. Mit „a little bit“ habe ich ja seit gestern meine Erfahrungen, ich stellte mich also auf Wildes ein.

Jetzt fährt wieder ein anderer. Nennen wir ihn mal Walter Röhrl. Er muss sicher Rallyefahrer sein, andernfalls kann ich mir die wahnwitzige Geschwindigkeit, sowie das skrupellose Steuern unseres 20-Tonners in Menschenmengen wirklich nicht erklären. Auch jedes Schlagloch wurde scheppernd mitgenommen, der Bus rutschte, lief am Hang quer und wurde wieder in die Spur gezogen. Jetzt erklärt sich mir auch, wieso die Spur des Busses so dermaßen verstellt ist. Wenn dieses arme Gefährt jeden Tag diese Tortur mitmachen muss, dann wird einiges klar, umso weniger möchte ich die Radaufhängung von unten sehen. Nach wenigen Minuten wurde unsere Fahrt von einem sehr schlammigen steilen Berg gestoppt. Der Bus hielt, Feststellbremse rein, Tür auf, alles aussteigen und zu Fuß den Berg hoch. Der Bus sollte direkt folgen. Dies tat er auch, zumindest die Hälfte der Strecke, dann ging nix mehr. Weder vor, noch zurück. Im Schlamm eingegraben, da konnte unser Walter machen was er wollte. Ratlos stand ich da, und wusste nicht ob wir helfen gehen sollte zu schaufeln oder zu schieben. Aber was will ich bei 20 Tonnen am Berg machen, außer später tot darunter zu liegen? Im Sinnieren überholte mich ein sandgelbes großes Etwas. Einen Moment brauchte ich schon, um den Grader der Firma CAT zu begreifen. Ich hab hier wirklich mit allem gerechnet, aber nicht hiermit. Eine viertel Stunde später standen Bus und Grader vor meiner Nase, gerade so im Ebenen, dass der Bus wieder anfahren konnte. Also allesamt einsteigen, sich‘s gemütlich machen und weiterfahren. Weit gefehlt. Ca. 300 m später hielt der Bus wieder. Feststellbremse. Tür auf. Alle raus. Vor uns ein Hand, unten am Hang eine deutlich zu schmale Brücke, darunter arbeitende Männer welche ein Rohr installieren sollten. Zu Fuß war die Brücke kaum gefahrlos zu überqueren, so rutschig war es und so tief sanken wir ein. Schnell kamen ein paar Männer mit Schaufeln, es wirde eifrig versucht de Brück notdürftig zu verbreitern und die Schlammlöcher etwas ebener zu bekommen. Half alles nichts, wir mussten warten. Kein Empfang, einen Fahrer aus Liuli rufen war also auch nicht drin. Nach einer Ewigkeit kroch der Bus langsam den Berg hinab. Vor der Brück erneutes stehenbleiben, schauen, erster Gang und mit Gas über die Brücke. Das selbst Walter die Schweißperlen auf der Stirn standen deutete eindeutig auf den Ernst der Lage hin. Oder ob es der seit einiger Zeit zusehende Polizist war, welcher ihm die Schweißperlen auf die Stirn trieben? Keine Ahnung. 20 Meter weiter durften wir dann wieder alle in unseren noch vollständigen Bus einsteigen. Weiter lief der wilde Ritt. Die nächsten zwei Stunden waren geprägt von weniger gehupe (außer natürlich alle zwei Minuten an einer „Haltestelle“ aka. Baum), etwas gerutsche, viel viel Vollgas und viel Kurbelei am Lenkrad seitens Walter. Auch wenn ich mein Leben mehrfach an mir vorbeiziehen sah, kamen wir dann endlich gegen 16:30 Uhr in Liuli an.

Die vierte Haltestelle in Liuli gehörte uns. Aussteigen, nach längerer Sucherei wurde dann auch mein Rucksack unter drei großen, zentnerschweren Säcken (wohl mit Kartoffeln gefüllt) gefunden. Für 1.000 TSH wurde mein Rucksack auch zum Doctor‘s mittels Mopped gebracht. Die drei anderen Famulant:innen erwarteten mich schon freudig. Der Weg zum Doctor‘s House verlief durch den Ort, 10 Minuten Fußweg. Zuerst brachten wir die Kisten mit der Medizin in die Krankenhausapotheke, dann mich ins Doctor‘s House.

Alles weitere zur Ankunft, zum Doctor‘s House und dem Krankehaushaus wird etwas später kommen, jetzt muss ich leider mit den drei anderen ein Bier trinken gehen. Also dann, bis später!

Edit: Die Nacht war sehr entspannt, endlich angekommen. Allerdings ist die Versorgung mit Internet etwas schwieriger, deshalb kann ich mich wohl nicht mehr jeden Tag melden. Über das Krankenhaus schreibe ich die Tage!

Songea

Unterkunft, Songea, TZA // 18:00 Ortszeit

Zunächst einmal hat der Tag mit dem endgültigen Verschieben meines Fluges begeonnen. Also hatte ich genug Zeit um in Ruhe zu Frühstücken, erneut zu duschen, wer weiß wann sich die nächste Gelegenheit ergibt (goldrichtiger Gedanke wie sich später rausstellen wird), in Ruhe meinen Kram zu packen und dann entspannt zum Flughafen zu fahren. Frühstück ohne größere Komplikationen, duschen, packen und Check-Out ebenso, die Uber-App wies mir den gleichen rasanten Fahrer wie gestern zu und kurz später war ich am Julius Nyerere International Airport – Terminal 2. Übrigens konnte ich auf dieser Fahrt auch das Rätsel mit den Bussen klären: Das ungefähre Ziel ist an der Farbgebung des Busses zu erkennen, gar nicht mal so doof, es muss ja bedacht werden, dass bei weitem nicht die gesamte Bevölkerung lesen oder gar schreiben kann!

Der erste Check-In verlief problemlos, großen und kleinen Rucksack durch die Sicherheitskontrolle gebracht, dann den großen Rucksack aufgegeben und mit dem kleinen Rucksack weiter. Wieder Sicherheitskontrolle und dann warten. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass es keine gute Idee ist, von diesem Terminal aus etwas zerbrechliches aufzugeben. Das Band, auf welches das Aufgabegepäck gefeuert wird ist tatsächlich nur ca. 2 m lang und macht nichts anderes, als das liebevoll und sorgsam verschnürte Gepäck auf der anderen Seite der Mauer auf den Boden zu werfen. Dort findet es dann in der Regel ein Mitarbeiter welches eben jenes Gepäck auf einen Wagen wirft. Das weitere Verfahren mit dem Gepäck bleibt unklar.

Das Boarding unserer Dash-8 Q400 verlief problemlos und zügig, zu meiner Freude ware die Sitze überaus bequem und auf meinem Fensterplatz fand sich auch kein Sitznachbar ein. Das unbändige Dröhnen unserer Turboprop kündigte den Start an, problemlos. Die erste Stunde war auch deutlich ruhiger als gedacht, die letzten 20 Minuten umso turbulenter. Es schmiss die Maschine in der Luft umher, selbst die Damen der Cabin-Crew krallten sich mit Händen und Füßen an unserer Dash-8 fest. Man hörte Köpfe in den Seitenverkleidungen einrasten, leises Wimmern aus dem achternen Teil des Fliegers und der junge Mann neben mir wurde ganz blass. Einer meiner „special-anti-vomit-chewing-gums“ bewirkte Wunder, dass es sich um einen stinknormalen Kaugummi handelte sagte ich erst später. Die Landung (oder besser der Einschlag auf der Landebahn) beendeten das Abenteuer Air-Tanzania abrupt. Nach dem Aussteigen wurden wieder einmal die Pässe samt Visa kontrolliert, hier ist dafür nicht mehr nötig als ein zerfleddertes Notizbuch, ein Kugelschreiber und ein vollautomatisches Sturmgewehr der Gattung AK-47. Wenige Minuten später kam auch schon ein rumpelndes Quad-ähnliches Gefährt angerollt, auf der Ladefläche viel zu vieler Koffer und Taschen. Die Ausgabe des Gepäcks erfolgte ähnlich liebevoll wie am Flughafen Dar Es Salaam und so konnte ich nur knapp verhindern, dass mein Rucksack aus 2,5 Metern Höhe in den Staub und Dreck vor meinen Füßen geworfen wurde. Alles fein, alles da, alles ganz – soweit zum jetzigen Zeitpunkt ersichtlich.

Bei deutlich angenehmerem Wetter (26 Grad, es hat gerade aufgehört zu regnen) werde ich von Gift. dem Sekretär der Krankenhauses samt Taxi und Fahrer erwartet. Mein Gepäck wandert in den Kofferraum, das Taxi rollt los und er erklärt mir den Zeitplan: Erst Medikamente und Equipment fürs Krankenhaus kaufen, dann zum Geldautomaten, dann zum Hotel. Soweit so gut. Ich habe mich am Anfang erkundigt, was das Krankenhaus aktuell gut gebrauchen könnte, vor allem Geld wurde mir gesagt. Also hab ich etwas Geld zusammengekratzt und wir haben gemeinsam für dann insgesamt 500.000 TSH (ca. 200€) Material kaufen können. (Wer diesen Text liest, und sich denkt, es sei eine gute Sache etwas zu geben, der darf sich gerne bei mir melden!) Insgesamt konnten wir zwei gut gefüllte Kartons mit allerhand Dingen besorgen: Von Antibiotika über Aspirin, Blutentnahmeröhrchen samt Kanülen bis zu einem Blutzuckermessgerät. Insgesamt mussten wir hierfür drei Apotheken und einen weiteren Laden anfahren – Material zu besorgen ist hier absolut nicht einfach.

Zwischendurch ging es noch zu einem Geldautomaten. An der Funktionsuntüchtigkeit des selben konnte auch der Bankanstellte, mitsamt zwei Jungen Männern inclusive geschulterer Strumgewehre der wohl allseits beliebten Bauart „Kalaschnikow“, nichts ändern. Also nächster Geldautomat, dieser spuckte auch brav mein Geld aus. Ein weiterer Stop stellte der Busbahnhof dar, 15.000 TSH (ca. 6€) sollte das Ticket für die 170 km morgen früh kosten. Am Hotel angekommen verlangte der Taxifahrer 50.000 TSH (ca. 20€) für einen ganzen Nachmittag Herumfahrerei.

Das Hotel. Obwohl, das wäre eigentlich zu viel gesagt. Nennen wir es mal „Unterkunft“. Wahnwitzige 14.000 TSH (ca. 5,60€) wollte die nette für die Nacht haben. Ich habe auch schon in heruntergekommenen Buden gepennt, aber heute Nacht wird sicher spannend. Auch wenn ich gestern Nacht von irgendeinem Krabbelviech (keine Ahnung was es war, ca. 7 mm groß, ich konnte es gerade noch wegschnappen) in den Bauch gebissen wurde und es unglaublich heiß war, muss man dennoch sagen, dass das Hotel in Dar Es Salaam viel viel mehr den Begriff „Hotel“ verdient hat. Unten sind Bilder, auch im Vergleich zu Dar Es Salaam, viel mehr sagen muss ich nicht. Immerhin hab ich Strom und es ist günstig. Was soll’s.

An dieser Stelle wieder ein gut gemeinter Tipp: Wer in einen touristisch kaum entschlossenen Teil Afrikas reist, und zumindest ein wenig an europäische Verhältnisse gewohnt ist, dem schadet eine Rolle Toilettenpapier im Handgepäck auf keinen Fall!

Nach dem Beziehen meines Zimmers sollte es noch etwas Essbaren geben. Mir wurde vorgeschlagen, dass ich doch einfach mal die Straße hochlaufen solle, dort gäbe es allerhand. Gesagt – Getan. An der ersten Kochnische blieb ich stehen, ich fragte, was es alles gäbe und man bot mir diverses an. Irgendwann konnten wir uns auf einen Mix aus Ei, Salat, Fritten und Mango einigen. So richtig verstehen wollte man nicht, wieso ich kein Fleisch essen mag, mit etwas Überzeugungsarbeit lies man dann aber doch davon ab. Alsbald wurden mir zwei Teller gereicht, einer mit einem omeletteartigen Pfannengericht, dazu selbstgemachte Tomatensoße und der andere mit Mango, Salat und der mir wärmsten ans Herzen gelegten „special-sauce, little bit hot, little bit chili“. MERKE: Wenn dir hier „little bit“ angedreht wird, dann wird dir wirklich warm ums Herz. Mir wurde es. Ich tunkte nur ein Stück Mango in die Sauce und bekam Schweißausbrüche, Herzrasen, sicher einen hochroten Kopf und bestimmt entgleisten meine Gesichtszüge auch kurzzeitig. Mein Leid wurde erkannt, recht schnell kam eine junge Dame die mir eine sehr kalte Pepsi-Cola verkaufte. Dass Flüssigkeit wenig bringt, hätte ich wissen müssen, hab‘s aber vercheckt, halb abgezogen, noch mehr Schmerzen und dann in mein Omelette gebissen. Etwas gelindert wurde mein Schmerz schon, aber vom Geschmack meines Gerichts blieb leider nicht mehr so viel über. Auch hier wieder ein gut gemeinter Tipp: Wer nicht mit den Fingern essen mag, der sollte etwas Besteck bei sich haben, ich hab mir selten die Finger so versaut wie bei dem Verzehr meines Abendbrots.

Jetzt bin ich wieder im Hotel, gleich werde ich mein Bett beziehen, das Mosquitonetz ausfalten und mich dann hinlegen. Morgen früh geht‘s um 20 nach 6 schon los. Mal sehen, was mich heute Nacht so kneift, beißt oder sticht. Es wird spannend.

Gute Nacht.

Kleine technische Probleme

Im Hotel, Dar Es Salaam, TZA // 21:00 Ortszeit

Der heutige Tag fing mit einem ähnlichen Frühstück wie gestern an, zusätzlich bekam ich noch eine Süßkartoffel. Zumindest sagte man mir, dass es eine Süßkartoffel wäre, allerdings sah diese gänzlich anders aus als erwartet. Geschmacklich war diese leider wenig überzeugend – eine Mischung aus purer Stärke und super mehliger Konsistenz, dennoch drückte ich die Kartoffel runter, sättigend war sie allemal. Kurz darauf ging’s dann in mein Zimmer, irgendetwas ist mir nicht so gut bekommen beim Frühstück, aber egal. Ne halbe Stunde später war wieder alles gut.

Nach dem Frühstück wollte ich dann online für meinen Flug morgen nach Songea einchecken. Die passende E-Mail wurde schnell gefunden, doch leider war der Check-In trotz vielversprechender Betreffzeile („Check-In opened“) nicht möglich. Meine Buchungsnummer gäbe es wohl auch nicht laut System. Da ich allerdings schon ein E-Ticket ohne Check-In zu Hause ausgedruckt hatte, der Flug bezahlt und fest geplant ist, entschloss ich mich zum Flughafen zu fahren um dort direkt nachzufragen – weit ist es ohnehin nicht. Also E-Ticket eingepackt, Reisepass mitgenommen und die Uber-App am Handy gezückt – wenige Minuten später fuhr auch schon mein knatterndes Bajaji vor. Kaum mehr verwundert über riskante Überholmaneuver mehrerer Lastwagen mit großer Aufschrift „DANGER“, holprigen Abkürzungen durch den Straßengraben oder das Überqueren von Gleisen auf denen erst einmal spielende Kinder aufgescheucht werden mussten ging’s ab zum Flughafen.

Am Terminal 2 angekommen stellte ich mich selbstverständlich zunächst in der falschen Schlage an, am Schalter wurde ich nur verdutzt angeschaut wieso ich selbst fliegen wollen würde – im Nachhinein wurde mir mein Fehler bewusst, riesige Lettern „ONLY CARGO“ gaben den passenden Hinweis. In der richtigen Schlange konnte mir dann schnell geholfen werden. Ja, mein Ticket ist gültig. Nein, der Check-In öffnet erst zwei Stunden vor Abflug. Zugleich glücklich, dass ich morgen weiterkomme, als auch verwundert über die Betreffzeile der E-Mail, beschloss ich den Flughafen noch etwas genauer zu erkunden.

Die Unterschiede zwischen Terminal 2 und 3 sind immens. Terminal 2 ist ausschließlich der Sicherheitsbereich Indoor, der Rest ist Outdoor unter einer Art Vordach, der Wartebereich ist winzig und die Sicherheitskontrolle besteht aus einem Röntgengerät. Ich denke mir, der Flughafen Hahn ist im Vergleich hierzu riesig. 350 Meter weiter befindet sich das neue Terminal 3. Hier werden, im Vergleich zu Termine 2, die internationalen Flüge abgewickelt. Der Departure-Bereich besteht allerdings auch hier vollständig aus Indoor-Sicherheitsbereich, der Arrival-Bereich war leider nicht zu betreten. Ein Uniformierter wies mich mehr oder minder freundlich hin, dass man hier nicht hin dürfe. Die Auslastung dieses riesigen Gebäudes erinnerte mich allerdings wieder stark an den vertrauten Flughafen Hahn.

Mit Snack im Bauch stiefelte ich los um ein Bajaji zu bestellen. Leider lässt es die Uber-App nicht zu, ein Bajaji auf dem Gelände zu ordern. Kaum bin ich in der Nähe der Grenze werde ich von mindestens 15 Fahrern angesprochen, ob ich einen Transfer bräuchte. Den freundlichsten suchte ich mir aus, es wurde sich auf einen Preis geeinigt und dann sprintete er los. Folgen musste ich irgendwie, ich würde ihn nie mehr finden. Problem: Die sechs-spurige Straße inclusive vier Abbiegespuren, zwei Einmündungen zum Flughafen, zwei zur Tankstelle und einer zu einer weniger als befahrbar einzustufenden Straße auf der Gegenseite. Da auf sechs Spuren locker zehn Fahrzeuge nebeneinander, kreuz und quer und sowieso ohne die Beachtung eines einzigen Verkehrszeichens fahren, war das Queren durchaus spannend, aber ohne Verluste etwaiger Körperteile oder größerer Mengen Blut gut machbar.

Im Hotel erst duschen, dann lesen. Dies Hitze macht mich fertig. Vor allem heute, 38 Grad. Durch den Stand der Sonne im Zenith ist auch Schatten kaum zu finden. Die Freude über meinen Deckenventilator hielt leider nicht besonders lange an. Nach kurzer Zeit viel der Strom aus, nach wenigen Minuten war er dann wieder da. Seit dem funktioniert das WLAN zwar kaum mehr aber immerhin geht der Ventilator. Die Freude hielt leider nicht besonders lange, nach einer halben Stunde fiel der Strom wieder aus, nach 45 Minuten ohne hörte man das Starten eines größeren Dieselmotors, einen Augenblick bewegte sich der Ventilator auch wieder. Mehrere Stunden unter Dieselbetrieb zogen ins Land, mittlerweile ist aber alles wieder gut. Nur WLAN gibts immer noch keins. Gerade eben funkte es gewaltig in einer Steckdose.

In diesem Moment habe ich eine Nachricht bekommen, dass mein Flug morgen von 9:30 auf 13:05 verschoben wurde. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem Frieden trauen soll, immerhin kamen in den letzten Tagen mehrere solcher Mails. Früh genug am Flughafen zu sein kann sicher nichts schaden.

Für heute genug geschrieben, ich lege mich gleich ins Bett, wer weiß wann ich morgen auch wirklich ankomme. Bis dahin.

Gute Nacht.

Der erste Tag in Dar Es Salaam

Im Hotel, Dar Es Salaam, TZA // 22:30 Ortszeit

Die erste Nacht war recht kurz aber erstaunlich gut. Wach wurde ich von dem allgemeinen Verkehrslärm, von Hitze und dem recht unsanften Einsortieren von Besteck und Geschirr in die außen liegende Spüle, welche sich direkt vor meinem Fenster befindet. Nach dem Duschen (und dem besorgen von Trinkwasser zum Zähneputzen) habe ich mich dann ans Frühstück gemacht. In einem kleinen Raum unterhalb meines Zimmers wurde Weißbrot, allerhand Marmelade, undefinierbares Heißen in einem Wärmebehälter und kleine Kuchen gereicht. Da ich meinen Bauch nicht schon am ersten Tag überfordern wollte, hab ich mich dann für‘s Weißbrot mit Marmelade entschieden, dazu ein Küchlein (welche übrigens exakt so aussehen und schmecken wie die selbstgemachten „Fassenachtskichelscha“ aka. Berliner von Oma) und einen Saft einer mir unbekannten Frucht. Oder Früchte? Keine Ahnung, was soll‘s, geschmeckt hat‘s auf jeden Fall.

Nach einer kurzen Pause habe ich mich dann an Weston gewendet, er hat mir ein Bajaji organisiert welches mich für 20.000 TSH (ca. 8€) die knapp 15km in die Innenstadt gebracht hat. Alles was ich gestern zum hiesigen Verkehr geschrieben hab wurde definitiv um Lichtjahre übertroffen. Dass Verkehrszeichen hier deutlich weniger Bedeutung haben als zu Hause war mir zwar bewusst, aber spätestens nachdem wir mit unserem Gefährt über eine rote Ampel geschossen sind bei der auch nur sechs weitere Spuren kreuzten wurde mir absolut klar, dass es sich hierbei maximal um Vorschläge (aber keinesfalls um Anweisungen) handeln kann. Auch wurde durch einige sehr offiziell ausschauende Männer versucht der Verkehr zu regeln, wobei ich mir im Nachhinein nicht sicher bin, ob sie es wirklich versuchten, oder nur bemüht waren nicht selbst überfahren zu werden. Die Fahrt endete sehr abrupt an einer Kreuzung mit den Worten „The city-center my friend“, ich rückte die Kohle raus und schon zischte mein Gefährt samt Fahrer schon ab.

In der Innenstadt angelangt bin ich erst mal ohne Ziel losgestiefelt. Und wenn ich „gestiefelt“ schreibe, dann mein ich das auch so. Aufgrund meiner geplanten weiteren Reise habe ich wirklich festes Schuhwerk dabei, ich bin immer noch heil froh, diese Schuhe heute in der Innenstadt getragen zu haben. Entweder kennen die Menschen welche hier wohnen jeden Kieselstein oder haben Bänder wie Drahtseile, andernfalls ist ein unbeschadetes gehen hier kaum möglich. Die Qualität der Wege ist so wechselhaft, hier kann man Pflastersteine, Asphalt, Staub, Gestrüpp, kleine Steine und große Steine auf einem Weg haben, alles innerhalb weniger Meter und natürlich wahlweise mit Flüssigkeiten aller Art und super viel Unrat. Der Killer für jedes Außenband welches nur die Münchner sowie Hunsrücker Straßen gewohnt ist. Jedenfalls sind Stiefel für mich hier geeignet, alle anderen Menschen hier schwören auf Flip-Flops.

Tatsächlich habe ich neben Deodorant (welches man hier tendenziell nur in Apotheken bekommt) auch etwas Essbares auftreiben können. Wobei „auftreiben“ eigentlich die falsche Vokabel ist. Hier wird wirklich an jeder Ecke etwas angeboten, oftmals kann ich erahnen was es ist, möchte aber meinen Bauch noch nicht allzu viel zumuten. Nachdem ich an der was-weiß-ich-wie-vielten Fritteuse (also fettgefülltem Blecheimer mit Feuer drunter) vorbei gekommen bin überkam mich doch die Lust. Was wird hier angeboten? In einer Art Auslage wird Fleisch, etwas pommesartiges und etwas krautartiges angeboten. Ich entscheide mich für das pommesartige, bezahle 2.000 TSH (ca. -,80€) und bekomme eine richtig dicke Tüte voll sehr gut schmeckender Pommes mit sehr leckerer Soße bis jetzt unklarer Art. Eine Flasche Limo für 1.000 TSH hole ich an einer anderen Ecke und so gehe ich zu einem schattigen Platz um mein Mahl einzunehmen. Erst später stelle ich fest, dass ich wohl gerade gegenüber eines Krankenhauses bin, Menschen in Klinik-Dress lassen mich stutzig werden, der anfahrende Krankenwagen bestätigt meinen Verdacht.

Kurz zum weitern Aussehen in der Stadt: Alle Elektriker oder solche die es noch werden wollten sollten einfach die folgenden Bilder übersprungen.

Weiter gehts in Richtung Wasser. Das Meer ist ganz nah. Irgendwann erreiche ich auch einen Zaun, von dem aus das Wasser zu sehen ist. Der Straße folge ich ohne großartig darüber nachzudenken in eine Richtung, der immer stärker werdende Geruch nach Fisch deutet auf die Nähe eines Fischereihafens oder -Markts hin. Also dem Geruch nach und nach wenigen Minuten erreiche ich dann auch den Fischmarkt. Hier muss Jean-Baptiste Grenouille geboren worden sein, dieser Fischmarkt erinnert mich wirklich stark an das, was Patrick Süskind in „Das Parfum“ beschrieben hat. Und wieder bin ich wirklich froh mit meinen Stiefeln. Ich finde mich zwischen Styroporboxen mit wirklich frischem Fisch und wirklich altem, verwesenden Fisch, Schlachtabfällen, Blut, unzähligen Menschen und wahnsinnig vielen Mücken wieder. Ganz kurz kommt mir der Gedanke zum Erregerspektrum an diesem Ort in den Sinn und stelle dann einfach fest: Alles. Hier gibts wohl wirklich alles. Allerdings muss man sagen, dass der Geruch hier nicht am intensivsten war. Es muss einen Ort geben, von dem aus dieser wirklich intensive Geruchsmix ausgeht welcher mir immer wieder in die Nase getrieben wird. Kaum gehe ich um die Ecke entdecke ich es. Ein Gebäude, darunter dicht an dicht Menschen die Kochen, Menschen die Fischgekröse ausnehmen, eben dieses Fischgekröse überall auf Tischen und Boden, Blut, Mücken und frischem Fisch. Auch gibt es hier allerlei „Beilagen“, wie Gemüse, Wurzeln, Obst, Mais und dergleichen. Vieles davon schaut auch gut aus, leider wird alles von dem wirklich krassen Geruch übertüncht. Hier war ich dann wirklich froh, dass ich schon einige wirklich eklige Gerüche aufgrund meiner Arbeit in die Nase bekommen habe, allerdings wäre eine etwas schlechter funktionierende Nase an dieser Stelle sicher hilfreich gewesen.

Achtung, gefühlt Fakten incoming:
Der Verkehr besteht zu ca. 30% aus Motorrädern, 30% Bajajis, 25% „kaum“ überfüllten Bussen, der Rest setzt sich zusammen aus Autos, Handkarren, LKWs (deren Fahrerinnen und Fahrer eine sehr spannende Auffassung von Ladungssicherung haben) und vereinzelten Fahrrädern. Auch gibt es mehrere Linien eines offiziellen Schnellbus-Netzes, die Haltestellen und Wege hierfür sind extra gebaut und es scheint auch echte Buslinien zu geben. Bei den anderen Bussen, welche deutlich kleiner und nicht blau sind, hat man oft den Eindruck, dass der Besitzer einiges von sich preisgibt und den Bus wirklich nach seinen Vorstellungen gestaltet. So sind Busse mit gesprayten Gebeten, mit ausfüllenden Bannern von Fußballprofis und -Mannschaften, Jahreszahlen, Drohungen (?!) und allen Kombinationen aus all dem und noch viel mehr an mir vorbeigerauscht. Was mir allerdings nicht klar wurde, wie ich erkennen kann, wohin ein Bus fährt. Es ist und bleibt mir ein absolutes Rätsel, wie dieses System funktionieren soll. Es steht auf jeden Fall fest, dass zwei Menschen benötigt werden: Eine:r fährt, eine:r an der Tür. Erstere:r ist vermutlich vom Teufel besessen, kennt am Bus vor allem die Hupe sehr genau und hat auch wenig Skrupel mit Vollgas in Menschenmengen reinzurauschen, es hat alles funktioniert, niemand wurde überfahren und es waren immer noch mindestens 10 mm Luft zwischen Bus und anderen Verkehrsteilnehmenden, welche scheinbar alle weniger Rechte als Busse haben. Zweitere:r steht an der Tür, haut aufs Blech wenn ein Fahrgast kommt, lässt wieder anfahren wenn der Fahrgast nur noch wenige Schritte vom Bus entfernt ist und kassiert am Ende auch ab. Ein „voll“ gibt es auf jeden Fall nicht, ebensowenig gibt es Haltestellen und die Sache mit den Linien wird mir wohl für immer ein Rätsel sein.

An einem blauen Busse entdeckte ich jedoch, dass er wohl Richtung „Fire Station“ fahren würde. Also Handy raus, Maps auf, ist nur wenige Minuten entfernt also ab da hin. Meine Erwartung war zwar nicht sonderbar groß aber unspektakulären hätte es kaum sein können. Ein unscheinbares Gebäude, durch das offene Tor konnte man in den Innenhof sehen, dort standen zwei rote Fahrzeuge welche allerdings eher ausgemustert aussahen, weitere Fahrzeuge waren nicht auszumachen. Auch schien es nicht so, als ob sich hinter den drei geschlossenen Toren noch Feuerwehrfahrzeuge verstecken würden.


An dieser Stelle möchte ich noch das Ambulanzfahrzeug mit erwähnen, welches ich vor dem oben genannten Krankenhaus entdeckt habe. Scheinbar sind diese Transporter direkt den Krankenhäusern angegliedert, nirgends konnte ich etwas offizielles erkennen.

Etwas enttäuscht entschied ich mich den Heimweg anzutreten, die Uber-App half mir ein halbwegs vertrauenswürdiges Bajaji zu finden und 10 Minuten später rollte ein rotes Gefährt vor. Die Fahrt sollte doppelt so lange dauern wie der Hinweg, es war allerdings nur ein Kilometer mehr Strecke. Der Verkehr war schuld. Verkehrszeichen haben hier scheinbar keinerlei Bedeutung. An vielen fahrbaren Untersätzen sind Unmengen an bunt blinkenden Lichtern verbaut, scheinbar ohne Bedeutung. Wenn jetzt eine Ampel bunt blinkt…. Egal. Alles was zählt ist hupen und Vollgas. Ich musste einige Male den Atem anhalten aber mein Fahrer kannte sein Gefährt. Vor allem von der Bremsleistung und vom Wendekreis bin ich immer noch überrascht, mit kurzem Tankstopp wurde ich sicher am Hotel abgegeben. Für 13.000 TSH (ca. 5,20€) fast eine Stunde unterwegs, 15 Kilometer weit? Absolut super! Mit etwas Glück wird sowas auch demnächst an meinen Lieblings-Konzertlocations eingeführt, beim Teilen des Fahrpreises durch zwei würde sich richtig Geld sparen lassen. Wobei man wohl auch zu acht in einem Bajaji fahren kann. Heute gesehen. ABer für deutsche Verhältnisse WÜrde das den Rahmen schon sprengen.

Jetzt bin ich im Hotel, habe eben ein wenig telefoniert und werde gleich noch mehr telefonieren. FaceTime hilft wirklich sehr, sich hier nicht komplett allein und so weit weg von zu Hause zu fühlen, wie es in Wirklichkeit ist. Alles in allem muss man jedoch sagen, dass die Menschen hier alle wirklich freundlich sind und man auch echt den Eindruck hat, dass hier viel mehr gelacht wird aus im harten Bayern oder aufm Hunsrück. Morgen wird sich erst mal etwas ausgeruht, am Freitag morgen geht‘s wieder ab zum Flughafen, weiter nach Songea. Bis dahin.

Gute Nacht.

Ankunft in Tanzania

im Hotel, Dar Es Salaam, TZA // 01:45 Ortszeit

Erst mal ein einziges Wort zum Wetter: klebrig. Warm mit 25°, durch 88% Feuchte gefühlt wie 28° und das mitten in der Nacht. Keine Ahnung wie ich das überleben soll…

Der Flug verlief zumindest bis zum Boarding reibungslos. Kurz vor Abflug meldete sich der Kapitän, dass wohl ein Netz im Belly kaputt wäre und man jetzt erst reparieren würde. Egal, ich sitze ja warm und trocken. Nachdem die ganze Nummer wieder heile war und wir mitsamt dem Enteisen schon 41 Minuten Verspätung gesammelt haben ging’s dann auf in die Luft. Recht schnell wurde die erste warme Mahlzeit gereicht (Penne al Forno), welche mich in zweierlei Hinsicht positiv überraschte: Einerseits war es wirklich lecker und andererseits hat sie mir nicht auf den Bauch geschlagen. Sehr gut. Nach dem Essen wird natürlich erst mal ein Nickerchen gemacht…

Minimale Turbulenzen holen mich aus dem Land der Träume zurück und ich finde mich wieder in einem einigermaßen bequemen Economy-Class-Sitz irgendwo über Süd-Europa. Zu meiner (und den Menschen am anderen Ende ihres Endgeräts) Freude gibt es ein kostenloses WLAN an Bord. WhatsApp geht, Signal nur mäßig, der Rest kostet extra. Also zuerst lesen, dann einen Film reinziehen und schau an: Ne zweite warme Mahlzeit gibts auch noch. Verrückt. Auch diese erfüllt beide der oben erwähnten Kriterien. Total verrückt.

Für das obligate Nickerchen ist leider keine Zeit, wir sind schon im Landeanflug auf Zanzibar. Die Landung verlief sehr sanft, ca. 90% der Mitreisenden steigen aus und es kommen erst mal keine neuen Reisenden hinzu. Nein. Es kommt eine Putzkolonne reingestürmt, es wird hier und da geputzt, gesaugt, Müll weggeräumt und Decken eingesammelt. Dass das alles während des laufenden Betriebs geschieht wundert mich zwar ein wenig, aber was soll’s. Ich sitze ja warm und trocken.

Kurz drauf kommen auch die anderen Reisenden, der Flieger ist wieder brechend voll, wir rollen los und kurz drauf heben wir ab in Richtung Dar Es Salaam.

Wenige Minuten später taucht die Stadt schon unter uns auf. Im Vergleich zu europäischen Städten fallen zwei Dinge sofort auf: Viel mehr LED und viel weniger Struktur zu erkennen.

Landung? Problemlos, aber der Runway ist wohl was schlechter. Auf zur Parkposition, die Anschnallsymbole erloschen, Gurt auf, Rucksack holen, raus, Auch wenn der Flieger direkt mit dem Gebäude verbunden ist drückt die Hitze direkt. Ich denke mir direkt, dass es wohl recht unangenehm für mich wird, der den deutschen Sommer bei 22° schon fast zu warm findet, Wieso bin ich eigentlich nochmal hier?

Passkontrolle und Visum waren in 5 Minuten erledigt, Gepäck abholen ebenso. Im Terminal werde ich von Weston erwartet, ein sehr freundlicher Mann. Zuerst gehen wir zum Geldautomaten, dort zieh ich 400.000,00 Tanzania-Schilling, der Automat wirft mir 40 Scheine mittelmäßiger Qualität über und ich bin 162,49€ ärmer. Kurz drauf noch fix ne SIM-Karte besorgt (24,1GB für 60.000,00 TZS oder knapp 25€) und dann ab zum Auto.

An dieser Stelle möchte ich kurz erwähnen, dass ich unter meiner alten Handynummer weiterhin über WhatsApp, Signal, FaceTime, Telegram und co. erreichbar bleibe,

Am Parkplatz wollte ich dann natürlich auch erst mal auf der falschen Seite einsteigen, aber ich bin ja auch müde und von Hitze gequält, also verzeih ich mir meinen Fehler. Weston fährt wirklich langsam und bedacht, mir wird auch schnell klar wieso. An dieser Stelle möchte ich einmal das Auswärtige Amt zitieren:

Es herrscht Linksverkehr. Der Zustand der Straßen ist meist recht gut, in abgelegenen Gegenden weniger und dort gibt es schwere Schlaglöcher. Das Fahren auf Schnellstraßen stellt aufgrund ungewohnter und sehr unterschiedlicher Fahrstile eine Herausforderung dar.

Es gibt häufig schwere Verkehrsunfälle. In der letzten Zeit häufen sich auch schwere Busunglücke auf den Schnellstraßen in Tansania.

https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/tansaniasicherheit/208662#content_3

Wenn man jetzt noch „Schnellstraßen“ durch „überall“ ersetzt dann müsste ein Schuh draus werden. Auf 10 Minuten Fahrt habe ich einen Busunfall gesehen, unzählige riskante Überholmanöver mit allenmöglichen fahrbaren Untersätzen, strandende Hunde und so schweren Schlaglöcher wie sie es noch nicht mal im Kreis Birkenfeld gibt. Und das alles nur 10 Minuten vom Flughafen entfernt

Ich sitze jetzt in meinem Hotel für die nächsten 3 Nächte. 150.000,00 TZS (oder 60,95€) kostet mich der Spaß, morgen holt mich Weston ab und wir gehen in die Innenstadt. Ich leg mich jetzt mal schlafen, naja egal. Ich liege ja (sehr) warm und (nicht mehr ganz so) trocken.

Gute Nacht.

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