7.282 km von zu Hause entfernt

Der erste Tag

Doctor‘s House, Liuli, TZA // 20:45 Ortszeit

Anmerkung: Bilder gibts die Tage, es ist schon spät und der Upload dauert ewig… Bitte nicht böse sein 🙁

Der erste Tag? Ja und das sogar drei mal. Erst der erste Tag nach Ankunft, er erste komplette Tag hier und dann der erste Tag im Krankenhaus heute. Aufgrund der vielen zu erzählenden Eindrücke möchte ich hier noch nicht auf das Doctor‘s House oder das Krankenhaus im Allgemeinen eingehen – dazu wird es einen separaten Eintrag geben.

Die Ankunft in Liuli

Gift brachte mich zum Doctor‘s House. Die anderen Studis (Rebecca, Jonas und Luca) essen erst mal was mit mir. Monica, die Haushälterin hat uns Reis, Ugali und Bohnen gekocht. Ich hab mich mit Reis und Bohnen zurechtgefunden, Ugali, ein etwas an Knete erinnerndes weiß-pampiges Gericht, ist mir noch suspekt. Bohnen und Reis sind aber sehr lecker. Die Anderen haben sogar eine kleine Cola besorgt, zusammen mit dem Wasser ist es nach der langen Busreise eine absolute Wohltat! Nach dem Essen richtete ich mich erstmal häuslich ein. Aus meinem Schrank musste ich erstmal ein paar Geckos vertreiben, danach konnte ich meine großen Rucksack endlich ausräumen. Endlich endlich. Das ganze schwere Zeug, Handschuhe und Desinfektionsmittel, alles schwer und sperrig. Ich war so froh, dass es endlich raus ist und ich es auch nicht mehr mit nach Hause schleppen muss. Alles was medizinisch ist, und was ich nicht zwingend für meine Reiseapotheke brauche bleibt definitiv hier, hier mangelt es wirklich an so vielen Sachen. Die zwei Jungs verkündeten alsbald, sie würden gerne Fußball sehen. Rebecca und ich verziehen uns zum Strand. Der Strand am Malawisee ist wirklich nur 100 m quer durch den Dschungel entfernt. Einige Minuten am Strang mussten wir gehen um zu „Joseph‘s Paradise“ zu kommen. Eine wirklich wunderschöne Bar, mit welcher sich der unglaublich freundliche Joseph wirklich einen Traum erfüllt hat. Zu Joseph und Joseph‘s Paradise schreibe ich demnächst nochmal etwas, es soll ja spannend bleiben! Rebecca und ich kauften ein warmes Bier – Kühlung ist nicht so einfach. Pro Bier löhnten wir 2.500 TSH (ca. 1€), das Bier tranken wir dann am Strand. Naja, zumindest den ersten Teil. Rebecca musste noch telefonieren, aufgrund des schlechten Empfangs musste sie zum Doctor‘s House zurück. Ich schloss mich ihr an, dort konnte ich dann den letzten Blogeintrag auch fertig schreiben. Als die Jungs wieder zurück kamen gingen wir noch ins Dorf. Spannenderweise war dort tote Hose. Die Jungs berichteten,, dass erfahrungsgemäß mehr los sein müsste, war es aber nicht. In der einzigen noch offenen Bar holten wir uns dann jeweils ein mäßig warmes Bier, pro Nase auch wieder um die 2.000 TSH (also ca. 80 ct). Diese Bar war besonders: Von außen sah sie wirklich schäbig und winzig aus. Ehrlicherweise hatte es jedoch was von der Tardis (wem Tardis – Time and relative dimensions in space – nichts sagt, muss dringen Doctor Who? sehen). It‘s bigger on the inside! Erst mal auf dem Gelände war es doch wirklich schön. Eine gemütliche Ecke direkt vor der Bar. Die Jungs schnackten kurz mit dem Besitzer und richteten Grüße von Freunden aus Deutschland aus, die weitere Unterhaltung verlief auf Deutsch. Auch wenn wir englisch geredet hätten, dann hätte er leider nichts verstanden. Im Ort verstehen vor allem die Älteren kaum englisch. Wir kauften uns noch‘n Bier für den Kühlschrank zu Hause und dann ging es auch schon heim. Die anderen waren noch am schnacken, ich verzog mich erst ins Bad und dann ab ins Bett. Der lange Tag, die lange Busfahrt und vor allem diese unbändige feuchte Hitze. Macht mich alles fertig. Und nein, zum jetzigen Zeitpunkt wurde es noch keinen Deut besser. Die Nacht verlief recht gut, ich konnte schnell einschlafen und wurde auch erwartungsgemäß nicht von den anderen geweckt.

Der erste volle Tag

Ich wachte nicht etwa durch Lärm oder durch ein befriedigtes Schlafbedürfnis auf. Nein. Vor allem durch „Garen im eigenen Saft“. Wer sich das Ganze jetzt sehr eklig vorstellt, dem sei gesagt, dass es noch ekliger war. Leider kam ich nicht direkt zum Duschen, das Essen des Vortags und das Bier meldeten sich mit dem unbändigen Bedürfnis zum Aufsuchen des Schapp H. Ehrlicherweise wunderte es mich, dass ich erst an Tag 6 meiner Reise die ersten Probleme mit meinem Bauch bekam. Ich hab‘s ja mal häufiger, deshalb war ich umso glücklicher, dass es die ersten Tage wirklich wirklich gut ging. Kurz darauf gönnte ich mir eine Dusche, auch wenn es super ist, dass es hier sogar warmes Wasser gibt, empfiehlt es sich doch beim semi-kalten zu bleiben. Jede Abkühlung ist wahnsinnig gut. Zum Frühstück kamen ähnliche Gebäckstücke wie ich sie aus Dar Es Salaam kannte auf die Back draußen. Rebecca brachte dankenswerterweise ein Glas Ovomaltine mit, haushalten mussten wir damit schon, aber dennoch sehr sehr lecker. (Instant-)Kaffee gab und gibt es leide nicht, vielleicht finde ich ihn noch irgendwo! Der Rest des Tages war tendenziell von Schwitzen und dementsprechenden Kreislaufproblemen geprägt. Trotz einer, für mich deutlich erhöhten Trinkmenge, bekam ich es nicht so wirklich in den Griff, aber egal, es sich ja genug Medizin-Studis um mich rum.

Die geplante Wanderung auf die Anhöhe direkt am Malawisee war leider nur semi-erfolgreich. Zuerst mussten wir am Strand entlang, Rebecca meinte schon, dass wir einen kleinen Fluss überqueren müssten. Klingt soweit erst mal unproblematisch, bis zu dem Zeitpunkt an dem man erfährt, dass es A) keine Brücke gibt, B) der Fluss vermutlich voll Schistosomen ist und C) dort die Tage ein Mann von einem Krokodil gebissen wurde. Dennoch: Erkundung ist alles. Deshalb sind wir auch erstmal hin und haben geschaut, vielleicht gibt es Einheimische, vielleicht können diese uns helfen. Also: dort gab es sehr wohl Einheimische, diese wateten allerdings durchs Kniehohe Wasser – welches natürlich sehr trüb ausschaute. Zudem sah diese Stelle wirklich wie ein Kroko-Paradies aus. Also: Rückzug. Die Jungs und Rebecca wollte noch bei Jo vorbeischauen, ich hingegen ging zurück zum Doctor‘s House.

Der Weg führte mich vorbei an direkt zwei Sportplätzen, oder besser Bolzplätzen. Dieses Land liebt wirklich Fußball, auch wenn meine Fußballkünste quasi nonexistent sind und meine Füße, welche eher an Bügeleisen erinnern, super untalentiert sind, in Kombination mit meinen maulwurfgleichen Adleraugen sich auch nicht als hilfreich erweisen, dann wurde ich doch gefeiert, als ich den Ball in etwa in die Richtung des Spielfeldes zurücktreten konnte. Etwas stolz setzte ich meinen Weg dann fort.

Der weitere Weg führte mich direkt durch eine Kuhdrift, die Bullen und Kühe hielten direkt auf mich zu, eine Absicht derer anzuhalten war nicht zu erkennen, meine Flucht in den Hang wurde etwas belächelt. Immerhin hatten dadurch die Jungs neben dem Weg etwas zu lachen, der Bauer schaute auch etwas verdutzt, aber egal. Keine Ahnung wie ich sonst zurück kommen sollte.

Am oberen Ende der Kuhdrift angelangt entdeckte ich zunächst ein Schild, welches auf eine High-School hindeuten sollte, zudem noch ein wirklich cooles Kiosk. Letzteres hatte leider geschlossen, die Malerei an dem Gebäude ließ jedoch auf Chemie-Liebe des Besitzers oder gute Fälschungskünste schließen. Allerdings bin ich auch nicht der richtige, um Dieses zu deuten. Wenn ich an den Chemie-Kurs im ersten Semester denke: Die komischen Striche, Keile und Punkte, vogelwild kombiniert mit wahllosen Zahlen und Buchstaben, da wird mir direkt wieder schlecht. Aber egal, es erwartet ja niemand von mir, dass ich hier wieder mit komischen chemischen Formeln hantieren muss oder etwas in Sessel- oder Wannenformation Zeichen muss. Kein Plan.

Am Haus vertrieb ich mir dann die Zeit mit elendigem Schwitzen, Lesen und etwas Traurigkeit darüber, dass die Affen nur zum Frühstück da waren. Vielleicht sehen wir sie die Tage nochmal. Das Abendessen bestand dann aus Spinat, Kartoffeln und Bohnen. Ersterer bekommt mir scheinbar nicht wirklich, es gibt zumindest einen gleichgerichteten Zusammenhang zwischen „Monikas Spinat essen“ und „Pütz aufsuchen“. Dann verzichte ich eben auf den Spinat, besser für meine Zähne ist es ohnehin, die massig enthaltenen Steinchen und Sand würden mir irgendwann noch den Schmelz aus der Kauleiste reißen.

Nach einer halbstündigen Episode von buscopanbedürftigen Bauchschmerzen, kombiniert mit unbändigem Schwitzen ging es wieder raus auf die Terrasse. Wir schauten uns den ersten Teil des Films „Im Westen nichts Neues“ an, in der Hälfte unterbrachen wir und gingen ins Bett. Mit Schlafen war leider nix drin. Irgendwie hab ich es nicht geschafft, dass meine Körpertemperatur auf erträgliches Level fiel. Nach gut einer Stunde, mit dem immer näher kommenden claustrophischen Zustand entschloss ich mich die Dusche aufzusuchen. Eine Tür weiter, 30 Sekunden unter kaltes Wasser und zurück ins Bett. Das bewirkt Wunder und das werde ich heute Abend auch sicher wieder machen. Andernfalls drehe ich hier wirklich durch.

Der erste Tag im Krankenhaus

Wecker um 7:30, Gott sei Dank, es regnet. Schnell unter die Dusche, dieses mal aber richtig. Dann Frühstück mit den Anderen, wieder gibt es Gebäck aber leider kaum Affen. Um 8:20 starten wir in Richtung Krankenhaus.

Fünf Minuten später sind wir schon im Verwaltungsgebäude. Dort waren wir die ersten, Pünktlichkeit ist hier wohl auch so ne Sache. Nach etwas Gerede und einem Gebet eröffnete Gift die Sitzung. Dr. Matthews, der Chefarzt führt nasebohrenderweise das Wort, zudem sind noch Dr. Ewans und Damas vor Ort. Damas ist zwar kein Arzt und hat auch nie studiert aber er wird quasi wie einer eingespannt. Alles eine Erscheinung des unglaublichen Mangels an allem, aber wenn es funktioniert, dann soll es recht sein. Hier wird wirklich jeder gebraucht.

Nach der Besprechung liefen wir mit Dr. Ewans zur Visite, die Geburtenstation, die Kinderstation sowie die Stationen für Männer und Frauen wurden nach und nach visitiert. Zur hier gemachten Medizin werde ich mich später äußern, würde den Rahmen sprengen. Spannend waren allerdings vor allem eine wirklich böse Clavicula-Fraktur (Clavicula = Schlüsselbein), diese kann kaum behandelt werden. Auch einen Schlangenbiss sieht man in der Hunsrückklinik Simmern doch eher selten.

Nach der Visite gingen Luca und ich ins Major Theatre, dem großen OP-Saal. Dort sollte gleich eine Sectio (eigentlich Sectio Caesarea = Kaiserschnitt) laufen. Luca war 1. Assistenz, Dr. Ewans Operateur. Aufgrund der mangelnden Beatmungsmöglichkeit wird die Narkose mit einem Medikament gemacht, welches leider auch schnell im Kind anflutet. Deshalb muss es hier schnell gehen! Zu dem Vorgehen hier schreibe ich auch nochmal… Ein Pfleger, Rebecca und ich empfingen den kleinen Jungen und übernahmen die erste Versorgung,,, abtrocknen, einpacken, messen, wiegen. Alles wohlauf, alles reif, alles gut. Rebecca brachte den Kleinen zur Familie, ich räumte etwas auf und schon rief der nächste Fall.

Ein Junge hatte sich vor 2 Tagen den Unterarm komplett gebrochen. Das Reponieren und Gipsen machten weder dem Jungen, uns Studis oder Dr. Matthews Spaß, laut ihm wäre es jedoch vor der Einweisung in eine Chirurgie absolut nötig. Aus Unwissen, wie es hier läuft möchte ich dazu keine weitere Aussage treffen.

Um 13:00 war Feierabend für uns, Monika bekochte uns mit einem recht schleimigen Gemüse und Bohnen, den Gemüseschleim runterzuwürgen war etwas schwierig, ab und an fanden sich auch noch sehr faserige Teile darin. Aber egal, die Bohnen waren sehr lecker. Danach legte ich mich kurz hin.

Mein Erwachen war eher unschön, die anderen wollten noch zu einer Nonne gehen, wir waren zu Tee eingeladen. Leider konnte ich diesen Termin nicht wahrnehmen, mein Kreislauf kapitulierte unter der feuchten Hitze. Etwas Abkühlung brachte nur Wasser auf und in meinem Körper, eine Stunde und 1500 mL Trinkwasser später ging es mir dann wieder soweit gut, dass ich den anderen folgen konnte. Leider verpasste ich die Nonne nur knapp, ein kurzes „Hallo“ war noch drin, mehr leider nicht.

Rebecca lief zum Strand, die Jungs und ich liefen zum Dorf. Auf der Suche nach Seife gingen wir wieder an der High School vorbei, an der ich gestern schon vorbeigekommen war. Das Gelände ist deutlich größer als erwartet, ein junger Mann, seineszeichens motivierte Schüler, führt uns über das Areal und erklärte uns, dass hier ca. 150 Schüler in 4 Klassen gehen. In drei Schlafsäle mit Stockbetten sind die Jungen untergebracht. Auf dem Weg zurück trafen wir den Schulleiter, mit dem machten wir ein Treffen morgen ab, mit etwas Glück können wir eine Unterrichtsstunde mit ansehen, das wäre sicher spannend!

Im Ort kauften die Jungs noch Seife, für 18.000 TSH (ca. 7€) holten wir noch 18 Flaschen Trinkwasser mit. Die spielenden Kinder auf der Straße sind wirklich sehr dankbar wenn man ein wenig mit ihnen spielt. Also wurden wir drei Jungs kurzzeitig zur Belustigung der Kinder, ein kurzes Hochheben und Fliegen lassen war vermutlich das Highlight des Tages für die Kleinen.

Monika bereitete uns Abendessen, dieses mal super: Legendär gute Tomatensoße, dazu Bohnen und Chapati. Mega lecker. Ohne Bauchrumoren und gesättigt, dafür aber natürlich brutalst am schwitzen sitze ich nun auf unserer Terrasse und hacke diesen Text in mein iPad. Respekt, wer es bis hier in ausgehalten hat!

Morgen gehts wieder weiter, dann melde ich mich auch bald wieder. Ich geh jetzt kurz unter die Dusche, rufe noch zu Hause an und gehe dann auch ins Bett. Bis dahin:

Lala Salama (Swahili für „Gute Nacht“)

1 Kommentar

  1. Dr Dreick

    Alter soviel Text 🙂

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