Im Auto, irgendwo kurz hinter Songea, Ruvuma Region, TZA // 14:00 Ortszeit

Leider erst mal wieder ohne Bilder, das Internet auf der Straße ist echt verdammt wechselhaft, und meistens schlecht bis nicht vorhanden. Entschuldigt bitte!

Ohne Verzögerung möchte ich die vergangenen Tage zu Papier bringen. Oder zu Tastatur? Keine Ahnung, zumindest wird viel passieren und so kann ich euch recht gut auf dem laufenden halten. Und los gehts!

Sonntag

Kurz nachdem ich den letzten Eintrag abgeschickt habe, hört ich auch schon ein Motorrad anfahren. Ein gutes Zeichen, denn in der Regel bringt ein Motorrad das Gepäck der Neuankömmlinge. Kurz darauf wuchtete ich einen großen rosafarbenen Koffer ins Esszimmer des Doctor‘s House und wartete gespannt, zu wem dieses Stück gehören mag. Nur Augenblicke später hörte ich die zwei Neuen mitsamt Gift ankommen. Es wurde sich erst mal vorgestellt, Yigit und Nemire aus Istanbul, studieren beide Medizin, er in Berlin, sie in Istanbul. Sehr spannende Menschen. Im Endeffekt blieb für viel Begrüßung kaum Zeit, es wurde sich direkt an den gedeckten Tisch gesetzt. Monika hatte aufgekocht: Reis, Fisch, für mich ein Omelette, Bohnen und Gifts geliebter Ugali. Ugali ist eine Art Cassava-Pampe, die gibt‘s nur wenn Gift da ist. Zumindest versuchte mir Monika das zu erklären, ich versuchte zu verstehen. Vielleicht hat sie auch was ganz anderen von mir gewollt, aber das scheint am schlüssigsten. Alle saßen zusammen am Tisch im Doctor‘s House und aßen, nur ich hatte mich schon vorher verpflegt. Wenn der Bus erst stunden später gekommen wäre, dann hätte ich zumindest schon mal gegessen. Beim Essen wieder zwei Welten: zwei Menschen essen mit Messer und Gabel, um gute Manieren bemüht, zumindest laut dem, was in unserer Kultur gelehrt wird. Daneben Gift, der mit beiden Händen Ugali und Fisch in sich reinschaufelt, die Reste auf dem halben Tisch verteilt. Auch Manieren, aber halt in dieser Kultur. Sehr spannend zu sehen.

Nachdem die ersten Dinge geklärt waren, Gift nach Hause ging und wir unter uns waren, wurde erst mal schwer ausgepackt, es wurde geduscht, Zimmer bezogen und dergleichen. Verständlicherweise war es den zweien wirklich sehr warm, vor allem Yigit litt sehr unter der Hitze. Es war sehr spannend zu sehen, denn ich sah ja drei Wochen vorher exakt so aus, und fühlte mich auch so. An diesem Tag machte mir die Hitze wirklich gar nichts aus. Mein Körper ist also doch aklimatisierungsfähig. Gut zu wissen. Mit diesem Wissen, gab ich Ihnen erst mal Zeit anzukommen, ich hatte ohnehin erst am Abend etwas vor.

Zum Abendessen gab es dieses Mal Chipsy, also Glück gehabt! Kurz danach schrieb ich mit Richard, ich wollte mich nochmal mit Ihnen treffen um was zu trinken und ggf. über unsere gemeinsame Fahrt zu reden. Leider hatte ich die Familienfeier am Strand, zu der mich die Jungs einluden, verpasst, da ich ja auf die Neuankömmlinge warten wollte. An diesem Abend wollte ich die zwei Gruppen dann zusammenführen, wir machten uns auf zu einer Bar, etwas außerhalb des Ortes. Ich wurde mal wieder herzlichst begrüßt, fragte meine Mitstudis, ob sie auch etwas trinken wollen würden, und bestellt sogleich zwei kalte Bier. Achtung, jetzt kommt ein wichtiger Satz: „Wewe! Kilimanjaro baridi mbili!“ („Du! Zwei kalte Kilimanjaro!“). Wie erwartet, gab es kein kühles Bier, da nur ich auch warmes Bier trinken kann, wurde die Bestellung von „mbili“ (also zwei) auf „moja“ (eins) runtergeführt. Aus irgendwelchen Gründen gibt es hier nur bei einem Menschen kühlen Bier. Ironischerweise heißt dieser Mann Teke. Ich habe noch keine andere Bar gefunden, in der es kühles Bier gibt. Oftmals steht es sogar auf Regalbrettern, gerne mal in der knallen Sonne. Cola und co. gibts fast überall kalt, wieso kein Bier?? Ich werde es nie verstehen. Verständlicherweise verabschiedeten sich unsere zwei neuen türkischen Freunde nach kurzer Zeit, die letzten Tage waren anstrengend, am nächsten Tag soll‘s ins Krankenhaus gehen, und deshalb jetzt ins Bett. Ich kam im Laufe des Abends dann doch noch auf meine „mbili Kilimanjaro“ und verabschiedete mich danach.

Montag

Letzte Morgenbesprechung um 8, also war ich um 20 nach 8 da, und – geneigte Leser:innen wissen Bescheid – unter den ersten. Der „goody nighty reporty“ wurde von der Nachtschwester (und Nonne) vorgenuschelt. Englisch ist teilweise schwierig für viele, wenn man sich dann noch unsicher beim Lesen ist, dann kann es nachvollziehbarer Weise zu Minderbewegung im Kiefer beim Lesen kommen. Dr. Evans bezeichet es immer als „Swenglish“, also die Mischung aus Swahili und Englisch. Daher kommt auch das (gehörte) Ypsilon am Ende vieler englischen Wörter. „Female Wardy“, „Reporty“, „after thaty“, und so weiter. Manchmal schon ganz witzig, stellt auch keine Barriere dar. Dr. Matthews bedankte sich noch im Namen des Krankenhauses bei mir und meiner Arbeit hier, lud mich ein, wieder hier her zu kommen um Anästhesie und Intensivmedizin zu machen. Hat sich rumgesprochen, dass ich sowas gerne machen würde. Mal sehen, aber warum nicht? Am Ende wurde mir noch das Wort erteilt, ich sagte ein paar Sätze und erklärte auch, dass die anderen zwei heute doch noch nicht da sind, sie müssen erst zurück nach Mbamba Bay zum Geldautomaten, in Songea gab es Schwierigkeiten.

Direkt nach der Besprechung sagte Evans, dass wir jetzt eine Cesarian Section machen würden. Übrigens wurde am Vortag eine c/s bei einer jungen Frau mit Gravida 8 durchgeführt. Da ist die Indikation laut Evans klar gewesen, sinngemäß sei der Uterus so dünn wie ein Blatt Zeitungspapier. Bei dieser Patientin gab es allerdings eine andere Indikation. Diese OP verlief etwas schwieriger als meine anderen zuvor, allerdings geht es Mutter und Kind jetzt gut. Also kein Problem.

Um 11 war dann OPD angesagt. Aus Mangel an Patienten, dem Regen sei dank, konnte ich mit Damas direkt in den Ort laufen um ein paar Dinge zu organisieren und Geschenke auszudrucken. Unter anderem kaufte ich für 20.000 TSH (≈ 7,90 €) knappe 10 GB zusätzliches Datenvolumen. Im Vergleich zu deutschen Preisen sehr preiswert, und im Endeffekt auch ohne Alternative, ohne mobiles Internet bin ich leider etwas aufgeschmissen. Kurz danach wurden auch noch ein paar Stempel und Unterschriften organisiert, und zwei Bilder direkt verteilt. Eins bekam Damas, das andere habe ich direkt über der Tür zum Ultraschallraum aufgehängt. Darauf zu sehen ist ein Schnappschuss von Bob Rich, dem Mann für Ultraschall und Röntgen in diesem Krankenhaus, immer gut gelaunt, immer mit einer charakteristischen Pose. Genau diese wurde eingefangen, ausgedruckt, und hängt jetzt über seinem Reich. Gefreut hat er sich auf jeden Fall! Aufgrund weiten Patientenmangels wurde der Tag danach für beendet erklärt. Hat auch was.

Zurück am Haus überlegte ich echt lange, ob ich schon essen solle, oder noch auf Yigit warte. Auf Nemire zu warten funktioniert zumindest beim Mittagessen nicht, sie ist Muslima und zudem ist Ramadan. Irgendwann entschloss ich mich doch zu essen, als ich abdeckte stand Yigit neben mir. Mist. Hätte nicht mehr lange warten müssen, aber es gab auch keine Rückmeldung seinerseits. Also alles gut.

Am Abend versuchte ich wiederJo am Strand zu besuchen. Dieser ist immer noch nicht zurück aus Songea. Allerdings fand ich Richard samt Brüdern vor. Der jüngere heißt übrigens Libe, er ist, wie sein Bruder es war, Guide. Den Namen des älteren finde ich unansprechlich und kaum zu merken, er verdient sein Geld wohl als Werbetechniker. Dementsprechend ist er in meinem Kopf mal als „Uli“ abgespeichert. Das kann ich mir merken, von seinem neuen Namen weiß der gute aber noch nichts. Einen Sonnenuntergang später liefen wir zurück zum Haus, gespannt auf das vorletzte Abendessen hob ich gierig den Deckel der zwei Schüsseln nach oben. Rosa. Spinat. Also später zur Chipsy-Frau in den Ort, hat ja keinen Wert. Dieser Besuch konnte übrigens mit einem kühlen Bier an Tekes Theke abgerundet werden.

Dienstag

Es hatte mal wieder heftig geregnet, nichts desto trotz begann unser erster gemeinsamer Tag wie gewohnt. Pünktlich fanden wir uns mit Dr. Evans im OPD ein, dort wurden dann auch direkt die ersten Patientinnen und Patienten gesichtet. Nichts spannendes, nur eine 16-jährige mit einer längeren Vorgeschichte an Bauchschmerzen. In diesem Krankenhaus ist schon alles an möglicher Diagnostik gelaufen. Wir machten noch einen Ultraschall vom Bauch, aber auch hier ohne pathologischen Befund. Im Endeffekt müsste diese Patientin Endoskopisch untersucht werden. In Deutschland ist es ganz normal, eine solche Untersuchung durchzuführen, vor allem dann, wenn es eine längere Episode gibt, man nichts so wirklich findet, und das auch, wenn die Symptome nur gering sind. Kein Problem, ist Standart, und alles kein Problem, einfach mal schnell mit ner Kamera nachzusehen und vielleicht sogar etwas Gewebe zu entnehmen. Hier? Wieder nur mit größerem logistischen und finanziellen Aufwand machbar.

Von unserer Rund sind zwei Patienten zu erwähnen: Zum einen ein dreijähriger Junge, mit einer schweren Malaria tropica-bedingten Blutarmut (Hb 5,6). Es wurde sogar schon eine Blutkonserve vorbereitet, allerdings scheiterte es am passenden Anschluss am Kind. Da ein Kind normalerweise ohne solchen Anschluss ausgeliefert wird, muss der durch das vorhandene Krankenhauspersonal, in diesem Fall durch einen Medizinstudi aus München, realisiert werden. Allerdings ist das nicht so einfach, ich sagte, dass ich einen Versuch machen kann, danach nicht mehr. Die Vene war darstellbar, allerdings stellte sich das punktieren als durchaus schwierig dar und funktionierte am Ende leider nicht. Danach musste es jemand anderes versuchen, allerdings musste erst am gewartet werden, bis der Kleine sich wieder beruhigt hatte. Das Piksen einen schwerkranken Kindes macht wirklich keinen Spaß. Weder Kind, noch Mutter und erst Recht nicht dem besagten Medizinstudi aus München. Pole! Beim zweiten erwähnenswerten Fall handelt es sich um eine ältere Damen mit (kleinerem) Schlaganfall. Allerdings ist dieser hier nicht behandelbar. Das Problem mit der Verlegung ist bekannt.

Am Ende der Runde sahen wir wieder im Kreißsaal vorbei, eine Frau lag auf der Liege und war bei 5 cm Weite. Etwas später wollten wir wieder sehen, immer noch meinem Wunsch geschuldet, eine normale Geburt zu sehen. Zunächst ging es aber erst mal ins OPD, ein paar Patienten wurden behandelt, es wurde fleißig untersucht und geredet. Nach ca. zwei Stunden gingen wir wieder zum Kreißsaal. Mal wieder wie immer: Fünf Minuten vorher entbunden. Ich glaube nicht dran, dass ich noch eine normale Geburt sehen werde. Zumindest war danach erst mal Feierabend für heute.

Beim Mittagessen merkte ich plötzlich eine pustelig, rote, bei Berührung schmerzende Stelle am rechten Hals. Direkt kamen Erinnerungen an den vorherigen Abend hoch, ich wurde von irgendwas gestochen oder gebissen. Foto gemacht und angefangen zu recherchieren. Nemire kam dann letztendlich auf des Rätsels Lösung: Ich wurde von einer Spinne gebissen, und scheinbar auch von einer nicht zu kleinen. Schon etwas gruselig, also erst mal desinfiziert und mit bisschen Fenistil eingeschmiert, mehr hatte ich nicht dabei, viel mehr Möglichkeiten gibt es ohnehin hier nicht. Natürlich macht man sich dann seine Gedanken, ob es nicht doch etwas Giftiges sein könnte. Aber im Endeffekt bin ich noch am leben, erkenne auch noch keine Anzeichen, dass ich zu Spider-Man mutiere und es tut auch kaum noch weh. Dr. Evans meinte übrigens, einfach Cortison-Creme drauf, das hilft bei Spinnenbissen recht gut.

Ich versuchte auch wieder zum Strand zu Jo zu gehen, fand dort allerdings nur einen anderen jungen Mann vor, der schon mal ungefragt auf unserer Terrasse saß. Jeder der eingeladen wird, ist gerne gesehen, auch ist es hier normal, vor dem Betreten eines Hauses „Hodi?“ zu fragen, also ob man eintreten darf. Die normale Antwort ist „Karibu!“, also „Herzlich Willkommen!“, aber ein „Nein“ wird genauso akzeptiert, und das ist wichtig. Naja, dadurch, dass der junge Mann ab und an mal was raucht und was trinkt, wird der sonst seh gebildete Kerl etwas anstrengend und man kommt kaum von ihm los. Ein Anruf rettete mich aus der Situation, auch wenn auf der anderen Seite des Telefonats nur Swahili kam, egal. Und außerdem gibt es genug Menschen im Krankenhaus, die einerseits meine Handynummer für Notfälle haben, und andererseits nur Swahili sprechen. Also den guten abgewimmelt und ab zum Krankenhaus.

Im Krankenhaus ging ich alle Stationen ab, alles gut. Niemand hat angerufen, also falscher Alarm. Von wem auch immer. Allerdings traf ich auf Eli, den Elektriker. Sehr gut! In Rebeccas Zimmer ging das Licht schon nicht, mittlerweile hat Yigit das Zimmer bezogen. Immer noch ohne Licht. Eli kann sicher helfen. Außerdem wollte ich ihn schon länger mal Fragen, ob er mir etwas zur Stromversorgung des Krankenhauses erzählen kann, und das konnte er! Also machte er eine kleine Führung mit mir, und strahlte dabei wie ein Honigkuchenpferd, dass sich der Medizinstudent aus München für alles interessiert. Und dazu gehört auch die PV- und NE-Anlage. Schlussendlich konnte er noch eine neue Birne in der Lampe einbauen, das Zimmer ist jetzt wieder hell. Sehr gut, danke Eli!

Zu meinem Entsetzen musste ich allerdings feststellen, dass der o.g. junge Mann mit den anderen zweien zur Terrasse kam. Sie meinten er hätte sich selbst eingeladen, allerdings wäre er sehr schwierig. Der plötzlich einsetzende Regen machte es durchaus schwieriger, ihn vor die Tür zu setzen, Aber auch als es aufhörte und wir meinte, dass wir etwas wichtiges alleine besprechen müssten, wollte er noch etwas zu essen und eine Tasse Kaffee gebracht bekommen und einfach so lange dem Gespräch zuhören. Nur durch passiv aggressives Verhalten konnten wir noch etwas Ruhe haben. 

Nach dem Abendessen war ich mit Damas verabredet, bei Michaels Sport Bar lief das Länderspiel Tanzania – Uganda. Auch wenn ich immer noch keine Ahnung von Fußball habe, wirkte das Spiel deutlich anders als ein europäisches Profispiel. Im Endeffekte erinnerte es mich mehr an die Dienste auf der Arbeit, an der sich in der C-Klasse gegenseitig vom Platz gefoult wurde. Aber vielleicht wirkte es auch nur so. Zumindest schoss Uganda das 0-1 in der 92. Minute, dementsprechend ging das Spiel auch aus. Schade eigentlich, alle waren da und es wäre sicher schön gewesen, einen echten Torjubel zu hören. Normalerweise hört man das ganze Dorf grölen.

Zu Hause schnell ein paar Sachen vorgepackt und dann ab ins Bett. Morgen letzter Tag.

Mittwoch

Mein letzter Tag im Krankenhaus. Aufgrund unserer angekündeten durchgehenden Bereitschaft, im Krankenhaus auch nachts oder wochenends zu arbeiten, bekam ich die letzten zwei Tage frei. Zusammen gingen wir pünktlich in Richtung OPD, ich bog zuerst aber noch am Verwaltungsgebäude zu Gift ab. Im Schlepptau hatte ich noch Einweghandschuhe, die ich nicht gebraucht hatte, und gute 1,5 Liter Desinfektionsmittel. Auch konnte ich über 100 FFP2-Masken loswerden, von Rebecca war auch noch etwas Kram mit dabei. Gift bedankte sich herzlich, verabschiedete mich und ich wollte meinen Tag im Krankenhaus starten. Dummerweise musste ich nochmal zurück zum Haus und konnte so erst etwas später zu den anderen hinzustoßen, nachdem ich meine Übelkeit überwunden hatte. Ich bin mir sicher, dass diese verfluchten Reisbällchen daran schuld hatten. Aber egal.

Dieser Tag sollte von Geburten, Geburten und Geburten geprägt sein. Allerdings musste ich mich etwas zurück halten, ich musste noch einiges klären und wollte zudem noch als Mentor für die zwei Neuen da sein. Im Endeffekt ist es durchaus schwierig, sich hier als Studi, der europäische Abläufe gewohnt ist, direkt zurechtzufinden. Also habe ich die anderen etwas an die Hand genommen, aber primär mal machen lassen, und es entsprechend kommentiert und Hilfestellung gegeben. 

Im Delivery Room, zu deutsch Kreißsaal, steht mittlerweile sogar eine neue Liege, die Alte ist Gott sei dank weg. Normalerweise liegt dort vielleicht eine Patientin, aber in der Ward Round ist morgens in den meisten Fällen niemand hier. Umso erstaunter war ich, als beide Liegen belegt waren. Es wurde beschlossen, bei beiden Patientinnen eine c/s zu machen, wir sollten mit Dr. Evans entscheiden, welche die höhere Priorität hat. Nach der Entscheidung musste ich kurz ins OPD etwas klären, nach 15 Minuten konnte ich wieder zurück zur Maternity Ward. Dort angekommen traf mich fast der Schlag: Ich war 15 Minuten weg. Ich versuche seit über drei Wochen eine Spontangeburt zu sehen. Komme zurück, und auf der ersten Liege liegt eine Patientin, Säugling zwischen den Beinen, frisch abgenabelt und die Nabelschnur sogar noch im Geburtskanal. Also knapp verpasst. Schon wieder. Auf der anderen Liege lag auch eine Patientin, nur die OP-Transfer-Liege war weg. Irgendwas war faul im Busch und so lief ich zum Major Theatre und sah dort auch direkt eine weitere Patientin auf dem Tisch liegen. Vorbereitet für den Kaiserschnitt. Dr. Evans lieferte dann die passende Erklärung: Im selben Moment, in dem die Patientin in den OP gebracht wurde, kam eine andere Patientin mit Fruchtwasserabgang auf dem Picky-Picky in die Klinik, direkt in den Kreißsaal und quasi sofort entbunden. Verrückt. Faraja, eine der Mädels von der Anästhesie, bat mich noch beim Legen eines Zugangs zu Unterstützen. Nemire assistierte Dr. Evans und Yigit sollte sich ums Kind kümmern. Als nur MInuten später ein sehr schlaffes Kind zur Welt kam – Keta sei dank – wurde es von dreien Versorgt. Einem Pfleger, Yigit und mir. Dummerweise fehlte wichtiges Material, es musste noch an anderer Stelle schnell besorgt werden, konnte aber durch die flinken Flip-Flop-bespannten Füße des Pflegers schnell aufgetrieben werden. Man merkte richtig,  welch riesiger Stein Yigit vom Herzen viel, als das Kind endlich zu schreien begann. Das war wohl die Feuertaufe für unsere zwei Neuen. Beim ersten Mal ist das wirklich erschreckend. Die dritte Frau müsste übrigens spontan entbunden haben. Natürlich ohne mich.

Da es keine Patienten im OPD gab, folgte auch nicht Dr. Evans, zumindest unter Studis, berühmter Satz „Time to escape!“, welcher immer den Feierabend einläutet. Es wurden noch ein paar Bilder gemacht und dann ging’s nach Hause zum packen und Kram planen. 

Eigentlich wollte ich nochmal zu Jo an den Strand, allerdings regnete es und ich erreichte Jo auch nicht mehr. Vermutlich ist er noch in Songea, hat mal wieder sein Ladekabel vergessen oder sonst irgendetwas. Ich hätte ihn gerne noch verabschiedet, aber man kann nicht alles haben. Dann war mein letzter Besuch am Strand eben gestern, ist vielleicht auch gut, ansonsten kommt zu viel Melancholie auf. 

Wer allerdings besucht werden musste, war unsere liebe Nonne Sister Ethy. Am Sister‘s House öffnete sie uns, lud uns ein hereinzukommen und wir wurden auch wieder direkt kulinarisch versorgt. Sehr schön fand ich, dass sie später nochmal erwähnte, dass es kein Problem ist, dass Nemire am fasten ist, und nichts gegessen oder getrunken hat. Es wurden mal wieder ein paar Fotos gemacht, sich herzlich verabschiedet und am Ende gab es sogar einen Korb voll Essen mit nach Hause – einerseits für Nemire nach Sonnenuntergang, andererseits für mich am morgigen Reisetag. 

Zum Abend hatte ich bei Monika Chapati und Tomatensoße bestellt, und sogar bekommen! Ich freute mich sehr über das Abendessen, Davis hat bei seiner Übersetzung wohl genau das richtige gesagt. Danke Davis! Nach dem Essen liefen wir nochmal in den Ort um ein paar Dinge zu kaufen, unter anderem Wasser, Früchte und ich besorgte noch eine Rolle Klopapier für die Reise. Nach den letzten Erfahrungen und meiner Bauchsituation möchte ich da lieber auf Nummer Sicher gehen.

Leider konnte ich im Ort weder Dr. Evans noch Damas finden. Beiden wollte ich noch persönlich auf Wiedersehen sagen. Anrufe blieben unbeantwortet, WhatsApp und SMS ebenso. Als ich Palina am Gate bat mir zu zeigen, wo Damas wohnt, und wir auch da vor verschlossener Tür und dunklen Fenstern standen, gingen wir etwas ratlos zurück. Ein Krankenschwester klärte uns auf, dass beide aktuell im OP seien. Wer errät was sie gemacht haben? Genau! Nen Kaiserschnitt. Ich sagte ihnen, sie sollen sich einfach mal melden wenn sie fertig sind. In der Zwischenzeit konnte ich noch etwas packen, Wäsche sortieren, Packlisten kontrollieren und so weiter. Schneller als erwartet rief dann Dr. Evans an, wir trafen uns gemeinsam am Gate und redeten noch lange über alles Mögliche und sagten uns anschließend Auf Wiedersehen. Schade, die Jungs waren echt cool. Aber man sieht sich immer zweimal im Leben. Wenn ich nicht noch ne Stunde telefoniert hätte, dann hätte ich auch früher fertig packen können, und wäre vor 12 im Bett gewesen. Wecker für halb 4, da bleibt nicht mehr viel Zeit. Also ein letztes mal „lala salama“ im Liuli.

Liuli, mach’s gut!

Für die Reise heute wird es einen extra Eintrag geben, es sind jetzt schon ein paar witzige Dinge passiert, also freut euch auf einen mehr oder minder witzigen Eintrag von Noah und Freunden!