Strand von Liuli, Lake Nyasa, TZA // 16:15 Ortszeit
Wie versprochen kommt hier die Fortsetzung des letzten Blogeintrags, auch möchte ich noch ein paar kleine, aber erwähnenswerte Dinge zum Schmunzeln nachtragen, es ist einfach viel passiert letzte Woche. Zudem hab ich auch die Bilder von gestern hochgeladen und es gibt heute sogar direkt Bilder im Eintrag. Verrückt, was?
Aktuell sitze ich an einem Baum am Strand im Schatten. Es sind gefühlt 38 Grad, es ist super schwül und die Sonne brennt ohne Gnade. Hoffentlich wird es heute Abend etwas besser…
Dienstag
Bevor ich am Dienstag mit den anderen zu Mr. Nyoni gelaufen bin, war ich ja noch zu Fuß unterwegs. Es war nicht so warm, so bot es sich an, den ehemaligen Flughafen von Liuli zu erkunden. Also machte ich mich auf die ca. 3 km Fußmarsch. Spannenderweise hatte ich auf dem gesamten Weg mindestens 2 Balken 4G-Netz und konnte dementsprechend lange und wirklich gut telefonieren. Ich hab immer häufiger den Eindruck, dass das Doctor‘s House der einzige Spot in ganz Liuli ohne gescheites Internet ist. Aber egal. Die Straße zum Flughafen ist wirklich schlecht. Deutlich sind die Erosionen zu erkennen, das Wasser richtet beim Regen hier durchaus größeren Schaden an. Selbst mit einem großen Geländewagen könnte der Weg schwierig werden. Am besten wäre ein Unimog, hab ich (leider) nicht, hat hier auch niemand, also wird alles an fahrbaren Untersätzen gnadenlos über die Straße geprügelt. Vor dem Flughafen kam eine scheinbar verlassene Polizeistation zum Vorschein. Zumindest war keine Flagge gehisst, der Parkplatz sah auch recht verlassen aus – zugegebenermaßen sieht hier aber alles so aus – und Türen und Fenster waren fest verschlossen und teilweise sogar vernagelt. Also mehr Lost Place als Polizeistation. Nur wenige Meter dahinter befand sich das Flugfeld: Eine (bestimmt sehr holprige) Graspiste, laut Luftbild wohl einen Kilometer lang, Ausrichtung 14/32. Selbst mit intensivem Bemühen einer bekannten Suchmaschine war es mir kaum möglich, mehr als den ICAO-Code HTLL rauszubekommen. Davis erklärte mir am nächsten Tag, das der Flughafen seit Jahren nicht mehr benutzt wird, es gab allerdings auch nie Gebäude. Wenn ich es richtig verstanden habe.



Mittwoch
Dem Mittwoch wollte ich eigentlich nur zwei Bilder von Regen hinzufügen. Dadurch, dass das Krankenhaus sehr offen gebaut ist, ist Regen durchaus einschränkend. Der Regen ist hier übrigens sehr digital: 0 oder 1. An oder Aus. Regen oder kein Regen. Und die Übergänge sind auch so. Nach dem ersten Tropfen dauert es oftmals nur wenige Minuten bis zu monsunartigen Ergüssen. Der Regen hämmert stark auf das Blechdach, Anamnese im OPD wird dadurch sehr schwierig, selbst die Kommunikation auf Muttersprache über weniger als 3 m ist eingeschränkt. Total verrückt.


Donnerstag
Noch bevor ich mit dem Donnerstagnachmittag weitermachen möchte, möchte ich gerne eine kleine Warnung vor „pilipili“ aussprechen. Pilipili ist das Swahili-Wort für verschiedene Pfeffer-, Paprika- und Chilisorten bzw. -Erzeugnisse. Oftmals ist hier aber Chili mit gemeint. Beim Heimweg trafen wir unseren Watch-Man Davis, er hatte eine kleine Tüte mit bunten kleinen Früchten dabei, diese erinnerten eher an eine Mischung aus Cocktailtomaten und winzigen Paprika. Jonas schnackte kurz mit Davis, er zeigt ihm die Tüte und Jonas stellte daraufhin die logische Frage: „Are they spicy?“ Es muss sich wohl um ein Missverständnis gehandelt haben, zumindest antworte Davis sowas wie „No!“. Jonas nahm also ein Pilipili und biss mal herzhaft ab. Alle anwesenden Einheimischen, inclusive Davis, stockte der Atem. Wenn Jonas im Petersdom blank gezogen hätte, dann wären die Gesichtsausdrücke wohl deutlich weniger in Richtung Entrüstung entglitten. Das Feuerwerk, welches in Jonas Mund gezündet wurde, folgte sogleich. Hochroter Kopf, Schweißausbrüche, und dezente Unruhe machten sich breit, das gereichte Wasser machte alles nur marginal besser. Geschluckt hat er es immerhin nicht. Allen war klar, dass man das nicht versuchen sollte. Rebecca und ich probierten nur einen Tropfen des Inneren. Wenn ich an die lange taube Zungenspitze zurückdenke, dann möchte ich mir das Inferno in Jonas Mundhöhle kaum vorstellen.

Ach übrigens wollte ich an diesem Tag mein SMS-Guthaben aufladen. Dummerweise hatte ich nur Internet und keine SMS oder Freiminuten in Dar Es Salaam gebucht. Damas half mir, durch das recht komplizierte Menü – natürlich nur auf Swahili – und kurz darauf habe ich ein paar SMS für 2.000 TSH (also 80 ct) mehr auf meinem Handy gehabt. Dass es 10.000 SMS sind, das wurde mir erst später bewusst. Also schreiben ist gesichert.
Zurück zum Thema
Jetzt aber endlich, hab genug zu allem was ich vergessen habe gelabert… Wenn mir noch was einfällt, dann gibt‘s das natürlich hier.
Nachdem ich aus der Kirche kam, lief ich direkt zum Sister‘s House. Da ich davon ausging, dass die anderen bereits bei Sister Ethi seien, ging ich mit großen Schritten auf das Gelände, vor der Kapelle machte ich dann schnell auf dem Absatz kehrt. Alle Schwestern waren noch, mehr oder minder harmonisch, am singen und beten. Von den anderen niemand in Sicht. Da ich nicht wie bestellt und nicht abgeholt in der Tür stehen wollte, drehte ich um und wartete vor dem Eingangstor. Als die anderem kamen, gingen wir zum Hintereingang und riefen nach Sister Ethi. Wie eigentlich immer, tauchte Sister Bibi auf. Sister Bibi ist eine durchaus betagte Nonne, allerdings wirkt sie noch sehr fit und ist echt auf Zack. Das schlechte Gewissen plagte uns dennoch etwas, immerhin muss sie immer laufen, um Sister Ethi zu suchen, wenn wir kommen. Wobei es „laufen und den Namen schreien“ deutlich besser trifft. So manche Ähnlichkeit mit dem ein oder anderen Familienfest ist schon erkennbar. Als Sister Ethi dann endlich gefunden wurde, wurden wir natürlich direkt in die gute Stube geführt. Ich dachte bis zu diesem Zeitpunkt noch, dass wir nur Brot bestellen würden. Zumindest wurden wir auf die Couch verfrachtet und sie verschwand. Die anderen erklärten mir, dass wir jetzt erst mal etwas warten würden, in wenigen Minuten gibt es sicher etwas zu essen und Tee. Aus wenigen Minuten wurden viele Minuten. Jetzt muss man sich mal vorstellen, man setzt vier etwas übermüdete Medis in eine gute Stube, eigentlich sollten sich diese dort ruhig verhalten. Aber wir wissen auch alle, dass nach „müde“ „doof“ kommt. Das Interieur des Zimmers verleitete aber auch zunehmend dazu, Fragen zu stellen, die eigentlich keine Antwort haben: Wieso es sich gerade hier befindet, was es zu bedeuten hat und wieso alle Bilder schief an der Wand hängen. Auch die gehäkelten Deckchen, eher einem Panda auf LSD gleich, sowie süße, aber sehr abgegriffene Stofftiere erheiterten unsere Laune. Das Kichern wurde immer intensiver, selbstverständlich mit dem Teufelskreis, der jedem:r bekannt ist: Je mehr man versucht, es zu unterdrücken, umso lustiger wird’s. Was passiert ist, als Luca ein ca. 50 cm langes, total doof grinsendes, sehr sehr dünnes Holzkrokodil unter dem Tisch hervorzauberte, muss ich hier nicht erklären. Aber wir hatten viel Spaß, und das Essen später war ebenso lecker wie der Tee.





Im Vergleich zur Gästekultur in Deutschland ist es hier durchaus etwas anders. Gefühlt wird man viel schneller nach Hause eingeladen, Mr. Nyoni erklärte allerdings, dass in ihrem Glauben häufiges Einladen das Haus segnen würde. Egal. Die Menschen sind wirklich sehr sehr gastfreundlich und freuen sich immer, wenn man mit nach drinnen kommt. Auch das Verständnis von Ordnung, welche mindestens nötig ist, um Besuch zu empfangen, würde meiner Mama die Haare zu Berge stehen lassen. Das Argument hätte leider zu Hause vermutlich kaum ziehen können…
Danach wollten wir noch in den Ort laufen um ein paar Dinge zu besorgen, die Menschen zu treffen und sehen, ob der Markt geöffnet hat. Tatsächlich hatte letzterer geöffnet. Meine seit zwei Wochen bestehende Hoffnung, ein anderes Gewürz als Salz zu finden, konnte hier leider nicht befriedigt werden. Scheinbar gibts hier echt wenig bis gar nichts, das einzige Gewürz ist Pilipili. Aber kein Pfeffer, keine Paprika. Nix. Nur pilipili infernalis. Ansonsten kann man auf diesem Markt alles mögliche an Obst und Gemüse kaufen, von Ananas, über Wassermelone, Mango, Kokosnuss und Banane, bis hin zu Passionsfrucht, hier gibt es alles. Auch eine große Auswahl an Gemüse – von der wir leider im Doctor‘s House noch nicht viel gesehen haben – wird hier angeboten. Zudem gibt es noch einige Haufen an Kernen und Pulver, allerdings ist mir nicht klar, was es sein soll. Pfeffer war es offensichtlich nicht. Auch das Lieblingsgewürz unserer Köchin – kleine Steine, die einem jedes mal ein Krachen in der Kauleiste bescheren – war hier nicht zu finden. Wird scheinbar mit den anderen Lebensmitteln zusammen geliefert. Oder sie kommen aus dem Wasser, mit dem Monika kocht. Aber egal. Ansonsten gab es noch getrocknetes Fleisch und Fisch. Wie gut der Fisch ist, kann ich leider nicht beurteilen, allerdings fand ich die Unmengen an Fliegen, welche sich auf den Fischen tummelten, und die Tatsache, dass keinerlei Kühlung der Verfügung steht, schon tendenziell ungut.





Ansonsten fanden wir, außer einem wenig vertrauenswürdigen Bus und einem noch ausmusterungswürdigeren Lastwagen, leider keinen funktionierenden Billardtisch, sondern ein wirklich schweres Schicksal vor der Bar vor. Ein junger Mann, vielleicht 30 Jahre alt kam auf Krücken zu uns, er legte auch direkt sein Bein auf den zweiten, defekten Billardtisch, und ich sah die wohl am schlechtesten versorgte Verletzung meines Lebens. Der Mann wurde vor einiger Zeit von einem Auto angefahren, offensichtlich war sein Unterschenkel dabei komplett gebrochen worden, eine mehrfache Fraktur würde mich auch nicht wundern. Der Wunde zu urteilen, könnte es sich dabei durchaus um einen offenen Bruch gehandelt haben. So richtig konnten wir nicht verstehen, ob es überhaupt versorgt wurde, es sah jedoch nicht danach aus. Das Bein ist massiv geschwollen, die Wunde war sicher immer noch 10 auf 30 cm groß, allerdings mittlerweile halb verheilt. Der Wundrand sah auch deutlich besser aus als erwartet, allerdings muss man sagen, dass das Bein dringend chirurgisch versorgt werden müsste. Die Infektionsgefahr ist immens, eigentlich wäre eine breitbandige antibiotische Therapie absolut indiziert. Das Bein ist wirklich krumm, ob falsch zusammengewachsen oder instabil war auch nicht so richtig herauszufinden. Auch Damas, welchen wir zur Hilfe zogen, konnte uns kaum weiterhelfen. Eine Versorgung ist in Liuli nicht möglich. Und jetzt kommt der wirklich traurige Teil der Geschichte: Vermutlich wird der junge Mann an dieser Verletzung sterben. Er ist nicht krankenversichert, hat keinerlei Einkommen und auch keine echte Möglichkeit zu arbeiten oder anderweitig, außer durch Betteln, an Geld zu kommen. Eine chirurgische Versorgung steht für ihn also außer Frage, auch Antibiotika kommen, aufgrund seiner finanziellen Situation, leider nicht in Frage. Trauriges Schicksal, aber hier leider nicht zu ändern.
Stay Tuned – once again
Ich kam leider nicht weiter zum schreiben. Eigentlich hätte der Eintrag auch gestern schon rausgehen sollen. Wieso er es nicht gemacht hat? Keine Ahnung. Wohl dem unberechenbaren Internet geschuldet. Aber egal.
Es ist auf jeden Fall viel lustiges und spannendes Zeug passiert, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Kommt alles die Tage, bitte habt etwas Rücksicht!
Bis dann, und lala salama
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