7.282 km von zu Hause entfernt

Schlagwort: Kontrolle

Moshi

BRK Rettungswache 07, Sauerlach, Deutschland // 12:00 Ortszeit

Nach sehr langem warten komme ich endlich wieder dazu, die letzten Einträge zu schreiben. Aktuell hab ich viel viel um die Ohren und die Zeit fehlt ein wenig, aber ich schreibe noch alles fertig. Wird auch nicht mehr so viel!

An diesem Mittwochmorgen war ich doch ziemlich früh wach. Wieso? Kein Plan. Vielleicht war mein Körper noch an die Safari gewohnt, andererseits sollte man doch denken, dass bei der Konstruktion unseres Körpers „Schlafmangel“ und „erst wachwerden, wenn das Schlafbedürfnis gestillt ist“ ein Rolle gespielt hätten. Scheinbar nicht, also zu früh wach. Wieder einschlafen hat natürlich auch nicht funktioniert, also einfach wach geblieben und etwas Buch gelesen. Auch gut.

Um neun klingelte dann auch schon mein Wecker, ich bin mal auf und unter die Dusche. Einstellungsmöglichkeiten weiterhin nur „heiß“ und „extrem heiß“. Ich entschied dafür, den Duschkopf, der mich offensichtlich zum Brühwürstchen verwandeln wollte, einfach abzuschalten. Ich hab keine höhergradige Verbrennung und Strom spare ich auch noch.

Nach der Dusche freute ich mich auf ein tolles Frühstück. Allerdings war mir nicht mehr so ganz im Gedächtnis, wie schlecht das Frühstück doch war. Man servierte mir drei Scheiben Weißbrot, die durch den Toaster eher zu Zwieback wurden, dazu ein eher geschmackloses, halb flüssiges Omelette und eine große Frenchpress mit extrem ekligem Kaffee. Milch gab’s natürlich keine, nicht mal das Modell „Pulverkuh“ war vorhanden. Also zwei halbe Tassen Ekelbrühe runtergewürgt, besser als nix allemal, und ein wenig Kaffee kann auch nicht schaden. Mein Zwieback hab ich auch ohne alles gegessen. Mit Absicht. Auf die Marmelade, in der scheinbar immer was anderes drin ist, hatte ich genauso wenig Lust wie auf die „Butter“. Wieso beides immer unterschiedlich schmeckt ist mir ein Rätsel, mit beiden Gefäßen ist es sehr einfach den Buchstaben „E“ und die Zahlen 1 bis 999 zu lernen. Sind scheinbar alle vertreten. Wie es technisch möglich ist, dass dennoch alles immer unterschiedlich schmeckt, dass ist und bleibt wohl ein Rätsel.

Um halb elf wollte ich meinen weiteren Tag planen. Richard und Liber hatten was von den Materun Wasserfällen und heißen Quellen erzählt. Klang spannend. Als Liber dann den Preis für die „Hot Springs Tour“ nannte, wurde mir kurz schlecht. Auch wenn eine Verpflegung, die Autofahrt und der Eintritt inclusive sein sollten, dann waren 200.000 TSH (also gute 77 €) einfach zu viel. Auch 160.000 TSH (≈ 61 €) für die andere Nummer wollte ich nicht ausgeben. Also sagte ich Liber ab und meldete mich wieder bei Elias, einem der Jungs von der Safari am Vortag. Der meinte, er hätte einen Fahrer (für 40.000 TSH) aufgetrieben, der Eintritt für die Hot Springs würde 10.000 TSH pro Nase betragen. Klingt gut, zugesagt, um halb zwölf sind sie da.

Afrikanische Pünktlichkeit. Ich muss glaube ich nichts mehr dazu sagen, über eine halbe Stunde später rollte wieder das kleine silberne Gefährt von gestern vor. Die hinteren Türen klemmen immer noch, die Linke geht jetzt gar nicht mehr auf, die Rechte nur mit Müh‘ und Not. Aber es fährt. Auch wenn man auf den Kunstledersitzen unglaublich schwitzt, alles besser als zu Fuß oder zu viel Geld ausgeben. Eine Dreiviertelstunden ging es quer durch Moshi, dann über eine Art Schnellstraße und schließlich noch eine ganze Weile über eine Offroad-Piste. Vor allem die Brücken sind spannend: Erstmal sind sie gefühlt zu hoch um die offenen Kanäle bzw. Gräben zu überqueren. Sollte das Wasser bis ganz nach oben stehen, dann bräuchte man schon ein Fahrzeug mit einer Wattiefe von mindestens einem Meter. Da die Brücke oben extrem kurz ist, brauchte es auch einen riesigen Rampenwinkel, sodass eigentlich nur noch ein Unimog oder vergleichbares in Frage kommen würde. Denkste. In Tanzania geht auch ein silberner Kleinwagen, auch wenns am Bodenblech ab und an richtig böse kracht.

An den Hot Springs wurde ich von Elias schmal angeschaut, weil ich nichts dabei hatte. Er und seine Schwester hatten Badesachen dabei, sie wollten es den Unmengen an weißen Touris gleichtun und in der heißen, glasklaren blau-türkisen Brühe baden. Schaut eigentlich wunderschön aus, wirklich. Interessanterweise waren deutlich weniger Instagram-Influencer-Arsch-in-die-Kamera-Mädels da als erwartet, aber die kann ich eh nicht besonders leiden um ehrlich zu sein. Elias konnte es sich nicht nehmen ins Wasser zu gehen, ich hatte natürlich nichts dabei. Einerseits hatte ich’s total verplant mal nachzusehen, was diese Hot Springs eigentlich sind, und andererseits wäre ich sowieso nicht rein. Heiße, stehende Gewässer, in denen sich viele viele Menschen aufhalten? Klingt für mich sehr nach Wurmerkrankungen, Amöbenruhr, Schistosomen und sonstige lustige Parasiten, die gerne außerhalb meines Körpers bleiben können. Zum Blog schreiben hatte ich dummerweise auch nichts dabei, also musste ich mich mit meinem E-Book auf meinem Handy und meinem Notizbuch zurechtfinden. Aber das hab ich ja lange genug trainiert.

Passend zu den extrem gewagten Sprüngen von einigen Einheimischen, die damit scheinbar ihre Paarungsbereitschaft signalisieren wollten, unterhielt ich mich lange mit Elias über Rettungsdienst, Studium und co. Ich konnte noch ein paar Kontakte vermitteln und wir lachten wirklich viel. Der Humor? Wie gewohnt sehr schwarz, aber schwarz ist ja bekanntlich meine Lieblingsfarbe.

Irgendwann tauchte Paulo, unser Fahrer, wieder auf. Er hatte scheinbar noch ein paar andere Termine und würde gerne nach Hause fahren. Ja, kein Problem, Elias aus dem Wasser bekommen und dann nach Hause. Er erzählte mir ein paar wirklich spannende Dinge, wobei es sich bei einigen gelohnt hätte, sie ein paar Tage früher zu hören: Vor allem Paviane interpretieren den Gesichtsausdruck ihrer Kontrahenten. Also böse schauen, alles gut. Schaust du freundlich oder ängstlich, dann bist du deren Opfer. Also Mama, schau: Ist manchmal doch gut, wenn ich grimmig aussehe! Aber egal. Sollte der Pavian einem gegenübersitzen, dann ist das Schlagen ins Gesicht, wie gestern geschehen, die schlechteste Option. Gib ihm was er will, dann kommst du ungeschoren davon. Wäre gut zu wissen gewesen, ich hoffe ich brauche das Wissen nicht so schnell wieder. Außerdem erzählte er uns, dass seine Farm zwischen sechs und zehn Kilometer vom Tarangire Nationalpark entfernt wäre. Da sich wilde Tiere, in diesem Falle Elefanten, nicht an die Grenzen halten, wäre es wohl ganz normal, dass er ab und an von ebendiesen Besuch bekäme. Klingt gut, ist es aber nicht. Die Tiere zerstören einiges seiner Farm, klassischer Wildschaden sozusagen. Zum Wiederaufbau zerstörter Bereich gäbe es einen nationalen Hilfsfont, der auch gar nicht so klein wäre. Außerdem hat er als Kind schon auf Kuhherden aufpassen müssen, ein guter Freund von ihm hat einen Löwenangriff überlebt und er ist bei einem Angriff geradeso davongekommen. Eine etwas andere Kindheit also die, von Justus aus Grünwald.

Die Rückfahrt war deutlich rasanter als der Hinweg. Hat allerdings nix gebracht, die Polizei stoppte uns. Paulo ist scheinbar an „meinem“ deutschen Verkehrszeichen 267 vorbeigefahren. Ein rotes Schild, darin ein weißer dicker Querbalken. Heißt auch in Tanzania „Einfahrt verboten“, hat er trotzdem gemacht, scheinbar eine beliebte Abkürzung. Kurz wars, aber auch teuer. Dumm gelaufen, aber dafür können wir ja nix. Abgesetzt wurde ich wieder im Hotel und wir vereinbarten ein gemeinsames Abendessen in der Stadt.

Eine Lokal hatte ich eigentlich schnell gefunden. TripAdvisor hilft da tatsächlich immer recht gut, zumindest in die touristischen Regionen. Ein Indisches Restaurant sollte es werden, da hatten wir alle Lust drauf. Es wunderte mich kaum, dass ich zur vereinbarten Zeit alleine dort stand, immerhin blieb mir noch kurz Zeit um die Toilette zu besuchen. Mein Bauch war irgendwie unglücklich, ob indisches Essen jetzt eine gute Idee ist? Keine Ahnung, aber was soll’s. Interessanterweise brauchte man dort den Schlüssel nur für das europäische Klo. Das afrikanische bzw. indische Modell ist frei zugänglich und auch nicht abschließbar. Wieso es so ist? Keine Ahnung. Ich hab lange überlegt, kam aber zu keiner Erklärung.

Ich aß als Vorspeise eine Portion Pommes, wobei es „Knoblauch mit Pfeffer, dazu ein Hauch von Kartoffelstreifen“ besser getroffen hätte. Aber war sehr lecker. Auch mein Hauptgericht war wirklich fein, auch wenn ich nicht so genau weiß, was es wirklich war. Ein Kilimanjaro und eine Tablette Buscopan als Nachtisch, dazu lange geredet und als sich die Nacht endgültig über Moshi legte, beschlossen wir, den Heimweg anzutreten.

Da ich einerseits wenig Lust hatte zu Fuß zu gehen, andererseits ein wenig von Bauchschmerzen geplagt wurde und zudem die Sicherheit nachts nicht so richtig einschätzen konnte, entschloss ich mich ein Bajaji zu organisieren. Den ersten herangewunken, Zeil erklärt und nach dem Preis gefragt. Als er 18.000 TSH (≈ 7 €) ansagte, lehnte ich dankend ab, sagte es seien nur fünf Minuten und wollte den nächsten anhalten. Er merkte scheinbar, dass ich es ernst meinte, sagte erst 10.000 und fragt dann, was ich denn bezahlen würde. 2.000 TSH gibts, mehr nicht. Fünftausend? Nein, ich suche mir sonst jemanden. Er lenkte bei 3.000 ein und fuhr mich nach Hause, wo ich innerhalb von 3 Minuten ankam. Im Endeffekt hat er immer noch ein gutes Geschäft gemacht, aber ich lasse mich dort nicht mehr über den Tisch ziehen.

Im Hotel angekommen bin ich nur noch ins Bad und danach in die Falle. Zu früh, aber mir ging’s nicht sonderlich gut.

Wirklich gemacht hab ich am Folgetag nichts. Ich bin um halb sieben wachgeworden, nur um direkt wieder einzuschlafen. Um halb zwölf klopfte die Hoteldame mal an meiner Türe, und fragte ob alles okay wäre. Vielleicht weil ich das Frühstück ausgeschlagen hatte. Keine Ahnung, aber es war eine nette Geste.

Am Abend musste ich dann aber einfach raus, Stimmung heben, außerdem was essen. Kaum vor der Tür stieg meine Laune auch signifikant. Ein blinkender, Lichthupe gebender Noah kam die Straße angerauscht, Richard am Steuer. Dieser hatte sogar Geburtstag an diesem Tag und lud mich abends in die Mzungu Bar ein, ein Angebot, welches ich gerne annahm, an diesem Tag konnte ich positive Stimmung wirklich sehr gut gebrauchen. Außerdem empfahl mir Richard die Maembe Bar, direkt ums Eck, zumindest wenn ich was zum Abendessen haben wollen würde. Er hatte auch überlegt mich bei seiner Familie zum Mittagessen einzuladen, aber ich hätte sicher zu tun gehabt. Leider nicht, aber konnte ja niemand wissen.

Das Essen in der Maembe Bar war recht gut, nichts was mich vom Hocker gerissen hätte, aber auch nicht wirklich schlecht. Lediglich ein Teil des Burgers schmeckte wie der Biss in einem Mehlsack, aber ich bin ja Kummer gewohnt. „Kilimanjaro ndogo baridi moja“ dazu, 23.000 TSH, also knapp zehn Euro gezahlt und im dunkeln wieder ans Hotel. Mal wieder Bauchschmerzen, was ein Mist. Lieber mal noch ne kurze Runde schlafen, vielleicht wird’s dann besser.

Klassiker: Aus „ach ich mach nur ne halbe Stunde Powernap“ werden dann knapp drei. Egal, schnell was angezogen, und innerhalb von fünf Minuten in der bekannten Mzungu-Bar gewesen. Liber und Jimmy sitzen dort, Richard allerdings nicht mehr. Er hat sich vor nicht allzu langer Zeit schon verabschiedet. Schade, aber dann trinke ich zumindest hier ein Bier. Natürlich lief – oh Wunder – Fußball und später auch noch was anderes: Wrestling. Liber erzählte lachend, dass Jimmy bis vor kurzem dachte, es wäre komplett ohne Skript und 100% real. Man schaut es dort dennoch gerne, wobei ich mich dann für Fußball entscheiden würde.

Es war bestimmt fast Mitternacht, da kam Liber, meinte, er müsse einen Auftrag seines Bruders ausführen, nämlich mich zu entführen. Ins Amuzz, wohl der Club in Moshi schlechthin. Naja, was soll ich sagen. Bin kein Clubgänger, aber wenn Richard Geburtstag hat und sich wünscht, dass ich mit ihm dorthin gehe, dann mach ich das natürlich. Als dann Liber mit einem VW T2 Bus vorfuhr um mich dorthin zu bringen, da konnte ich ja nicht mehr nein sagen. Auch wenn der Bus sicher nicht original aus deutscher Produktion stammte, und afrikatypisch etwas verbastelt ausschaut war es dennoch ein tolles Gefährt. Der Start verlief etwas holprig, aber Liber lenkte den Bus recht sicher zum Amuzz.

Dort angekommen dachte ich, wir würden einen normalen Parkplatz suchen, so wie man’s von deutschen Veranstaltungen gewohnt ist. Und natürlich ging ich davon aus, dass wir irgendwo in der Walachei parken müssten, weil’s vor Ort nichts mehr gäbe. Falsch gedacht! Wir stellten uns vor das Tor des Amuzz, Liber machte das, was hier jeder macht, wenn er reingelassen werden will: Er hupt einfach. Einfach auf die Hupe und nicht mehr loslassen bis jemand öffnet. Hat sogar funktioniert, es kamen uns zwar zwei andere Fahrzeuge entgegen, es wollte natürlich mal wieder niemand platz machen, und so standen wir mit drei Autos, alle hupenderweise, uns gegenüber und warteten, dass irgendjemand was macht. Nach einer gefühlten Ewigkeit von Hupen und Sirenen konnten wir dann einfahren und bekamen einen Parkplatz zehn Meter vor dem Eingang.

Drinnen winkte Richard sofort eine Bedienung herbei und orderte Bier. Was die Getränke im Amuzz kosteten kann ich leider nicht beurteilen, ich habe nicht ein Getränk bezahlen müssen. Dann mal trinken für lau, hat auch was. In diesem Club läuft natürlich auch Fußball, wie überall in diesem Land. Es ist einfach verrückt. Außerdem gibts Billardtische, einen großen Grill, viele viele Sitzmöglichkeiten und eine Handvoll Bars. In der Mitte steht eine Bühne, anscheinend gibts da auch ab und an mal Livemusik, ansonsten nur einen DJ und Karaoke Ausrüstung. Zu Karaoke hab ich mich nicht breitschlagen lassen. Mein musikalisch-stimmliches Talent hält sich dann doch in Grenzen, in Kombination mit meinen Swahili-Kenntnissen wäre es doch sehr sehr peinlich geworden. Also halte ich mich lieber an nem Bier, als an nem Mirkophon fest, und schaue weiter den Anderen beim „Singen“ zu. Mit „den Anderen“ sind hier vor allem Weiße gemeint. Hier sind wirklich unglaublich viele weiße Menschen im Club, laut Richard wäre das Amuzz auch eine Art Treffpunkt für alle weißen Menschen aus Moshi und eigentlich der gesamten Region. So kam ich mit diversen Menschen ins Gespräch, nicht nur mit jungen Leuten aus Tanzania, auch habe ich mich mit vielen aus Skandinavien unterhalten. Wirklich spannend, wen man so alles trifft.

Ich glaube es war halb vier als Jimmy los wollte. Im Auto angekommen verfrachtete sich Jimmy auf die Rückbank und Liber meinte, es wäre noch viel zu früh um nach Hause zu fahren. Da gebe ich ihm durchaus recht, und deshalb meinte er, wir würden jetzt mal noch „richtig feiern“. Meiner Meinung nach haben wir schon richtig gefeiert, aber ich lies mich einfach mal drauf ein. Jimmy schlief sowieso direkt ein, also konnten wir auch einfach zu zweit weiter losziehen.

Liber stoppte den kleinen grünen T2 Bus vor dem „Red Stone“. Wer an Minecraft denkt muss enttäuscht werden, hierbei handelt es sich um einen weiteren Club. Tanzaniatypisch befand sich direkt davor auch ein Grill, ich hatte wirklich Hunger und bestellte einmal Chipsy ohne alles. Nach ein paar Minuten wurde mir ein durchaus kleiner Teller mit ein paar Chipsy gereicht, der junge Mann verlangte 5.000 TSH. Tatsächlich recht viel, aber ich hatte sowieso noch einiges an Bargeld dabei, Hunger hatte ich sowieso und im Vergleich zu deutschen Preisen ist’s immer noch ok. Liber sah das Ganze leider etwas anders, und explodierte förmlich vor dem Stand. Ich habe nicht wirklich verstanden, was er dem jungen Mann an den Kopf geworfen hat, aber freundlich war es sicher nicht. Die Ganze Nummer wurde gekrönt, indem Liber die Chipsy postwendend über die Theke zurückfeuerte, ungeachtet dessen, dass ich immer noch von Hunger geplagt wurde. Er hätte sie ja weder essen noch bezahlen müssen, fühlte sich aber dennoch irgendwie angegriffen. Egal, wir gingen direkt in den Club, auch wenn wir schnurstracks zum VIP-Bereich geführt wurden, gab es dort nur Bier und sonstige Getränke. Kein Essen. Also Niklas hungrig.

Mein Hunger konnte auch durch eine Handvoll Getränke nicht gestillt werden, zumindest machten wir uns gute zwei Stunden später auf in Richtung Bett. Am Bus angekommen schlief Jimmy immer noch tief und fest darin, ich weiß nicht ob er überhaupt mitbekommen hat, dass wir unterwegs waren. Im Bus drehte Liber den immer noch steckenden Schlüssel im Schloss um, der Anlasser verrichtete kreischend seine Arbeit, allerdings ohne Erfolg. Es wurde georgelt und gedreht, geflucht und ausgestiegen. Aber half alles nix, die Kiste blieb aus. Jimmy? Pennt. Liber kam irgendwann auf den Trichter, dass es wohl an Kraftstoff fehlen würde. Ja klar, es musste ja irgendwann mal so kommen, dass ich mit einem Auto liegenbleibe. Morgens um sechs in Moshi ist jetzt nicht mein favorisierter Zeitpunkt, aber ändern konnte ich’s nicht. Es wurde ein Boda-Boda bestellt, ich wurde nach 20.000 TSH gefragt – übrigens dem einzigen Geld, was ich an dem Abend ausgegeben habe – und Liber wurde schon abgeholt. Ich wartete alleine mit einem schlafenden Jimmy im Bus. Schon ein wenig komisch, so nachts alleine in nem alten T2 Bus, ein schlafender, schnarchender Mann auf dem Rücksitz und der Fahrer auf nem Moped unterwegs um Sprit zu kaufen.

Liber zurück, Sprit im Bus, Schlüssel rumgedreht, Bus läuft. Also scheinbar doch alles gut und nichts kaputt. Es wurde mal wieder extrem wenig getankt, ich wusste auch nicht so genau, wo wir waren, und ich machte mir ernsthaft sorgen, ob wir überhaupt zum Hotel zurück kommen würden.

Am Hotel angekommen versperrte uns mal wieder das Tor die einfahrt. Ich ahnte es schon: Auf die Hupe gehauen bis sich was rührte. Die arme Frau vom Hotel sah schon etwas genervt aus, wobei ich mittlerweile der Meinung bin, dass sie einfach nur verschlafen war. Sie öffnete uns, Liber kippte mich vorm Hotel ab, ich ging direkt ins Bad, Zähne putzen und danach gleich ins Bett.

Mein Wecker rief mich um neun Uhr dreißig an. Das Frühstück wollte ich schon nicht verpassen, also schälte ich mich um kurz vor zehn aus der Koje und wackelte in Richtung Frühstück. Die Dame, die mir vor einigen Stunden das Tor öffnete war scheinbar überhaupt nicht sauer oder genervt von mir, sie begrüßte mich wirklich freundlich und brachte mir Frühstück. Zu meiner Freude hatte unsere Party keine körperlichen Blessuren hinterlassen, und vor allem blieb der erwartete Kopfschmerz fern. Die zweite sehr positive Sache war, dass man mir extra Milch besorgte, vermutlich irgendein Milchpulver in Wasser gelöst, aber diese Brühe machte die andere Brühe, die man hier Kaffee nennt, durchaus trinkbar. Wirklich freundlich und aufmerksam.

Eigentlich wollte mich Liber um zwei abholen. Geplant war zunächst das Kaufen des Zugtickets für den folgenden Tag, da ich an dem Online Buchungssystem wie gesagt verzweifelte und ein anschließender Besuch bei der örtlichen Feuerwehr. Da mich eine SMS erreichte, in welcher Liber die Abfahrt auf vier Uhr verlegte, konnte ich noch ganz entspannt (kalt) duschen, Blog schreiben und mein Buch lesen. In der Lobby des Hotels stehen drei Sofas, diese bieten sich dafür bestens an. Die Kühlschränke vornedran sind zwar aus, sollte man aber ein kaltes Getränk trinken wollen, dann bringt die nette Hoteldame eins aus der Küche. Zum Schreiben ein durchaus guter Ort. Außerdem ist es sehr praktisch, dass meine Toilette nur wenige Meter entfernt ist. Mein Bauch machte irgendwie wieder mucken.

Um halb fünf war Liber immer noch nicht da. Auf meine SMS antwortete er nicht, auch meine Anrufe blieben für die nächsten Stunden unbeantwortet. Leicht angefressen stampfte ich alleine in Richtung Bahnhof, in der Hoffnung, dass dort noch jemand sei und ich dementsprechend mein Ticket buchen kann. Ich hatte ja nicht mehr so viel Zeit um wieder nach Dar Es Salaam zu kommen, also war es durchaus wichtig, den Zug am Folgetag zu nehmen.

Um sechs am Bahnhof. Und wie vermutet: Keiner da. Laden dicht. Am Bahnsteig habe ich ein paar recht offiziell ausschauende Damen gefunden, die Gewehre deuteten dann doch wieder auf Sicherheitsdienst hin und ihr Aussagen halfen mir auch nicht sonderbar. Sie meinten nur die ganze Zeit irgendwas von „Kesho“, das heißt so viel wie „morgen“. Ob der Zug morgen fährt, oder ob das Ticket-Office morgen öffnet, das habe ich leider nicht rausbekommen. Ich konnte Liber immer noch nicht erreichen und war mittlerweile schon ziemlich sauer, machte mir aber auch irgendwie Gedanken, ob nicht etwas passiert sein könnte. Dass er sich gar nicht mehr meldet ist ungewöhnlich, sein Bruder wusste auch nichts von ihm. Ich ging dann dazu über, die Aushänge am Bahnhof zu studieren. Alles auf Swahili, nichts auf Englisch, aber die Google-Translator-App mit Livebild Übersetzer hilft da ungemein. Ich wusste dann, dass ich bis zu 70 kg Gepäck, mitnehmen darf, und ich nicht mehr mitgenommen werde, wenn ich über dem fünften Schwangerschaftsmonat bin. Scheinbar aus gesundheitlichen Bedenken. Ich fragte mich echt, wie wild diese Fahrt werden würde, wenn das eine echte und begründete Sorge ist. Was ich nicht fand waren Öffnungszeiten oder eine Telefonnummer. Die Preise scheinen allerdings absolut fix zu sein, da muss ich mir keine Sorgen zu machen. Die Idee, auf der Website der tansanischen Bahn nachzuschauen stellte sich auch als wenig erfolgreich raus. Mein erneuter Versuch, ein Onlineticket zu buchen scheiterte mal wieder an der falschen Passnummer, auch wenn ich „foreign Passport“ auswählte, dann wurde dennoch eine Nummer in tansanischem Format verlangt. Nächste Idee: einfach mal anrufen! Englisch ist eine Landessprache, an der Hotline wird sich wohl irgendjemand melden, der/die der englischen Sprache mächtig ist. Naja, soweit kam ich gar nicht. Telefonnummer kopiert, gewählt und es meldete sich direkt eine VodaCom-Ansage. Ansagen von VodaCom sind ganz normal. Was sie bedeuten? Kein Plan, ist ja alles Swahili. Nur diese Ansage klang irgendwie anders. Die folgende englische Ansage verriet mir dann, dass die Nummer nicht vergeben wäre. Ach come on, dachte ich mir und war etwas angenervt, dass hier scheinbar noch weniger als bei der DB funktioniert. Eine letztes, noch ungenutztes Formular zog meine Aufmerksamkeit vollständig auf sich: „Fahrt suchen“ lautete es. Vielleicht kann ich ja hier buchen? Naja, was soll ich sagen: draufgeklickt, Error 500, internal server error. Hab dann endgültig kapituliert und gehofft, dass ich am nächsten Tag buchen und den Zug nehmen kann.

In der Dämmerung machte ich mich auf um mein Hungergefühl zu stillen. Ich lief einfach mal los ohne echtes Ziel, nur grob zurück in Richtung Hotel. Natürlich wurde ich als weißer Touri erkannt und direkt von zwei Männern angequatscht. Ich bin dann aber doch so gut im Abwimmeln geworden, dass ich beide recht schnell abblitzen lies und weiterhin nach was Essbarem suchen konnte. Mit Zwischenstopp in einem Supermarkt fand ich einen Chipsy-Stand und bestellte eine Portion. Ja, ich esse oft das gleiche, aber meine Probleme mit meinem Bauch waren dann doch nicht so lustig und ich war froh, dass ich was gefunden hatte, was eigentlich immer ging.

Kurz vor dem Hotel rief mich Liber an: Er entschuldigte sich wirklich oft und erklärte, dass er Probleme mit dem T2 hatte. Mir wurde auch klar, wieso wir am Vortag keinen Sprit mehr hatte. Lag wohl nicht am verbrauch, sondern eher an der undichten Benzinleitung. Beim Starten des Busses auf einer anderen Tour mit Touristen fing das gesamte Heck Feuer und alles brannte. Immerhin konnte schnell genug gelöscht werden, sodass der Bus nicht gänzlich ausbrannte und den Insassen nichts passierte. Also Glück im Unglück! Zudem war sein Handy noch leer und aufladen war an nem brennenden Bus auch nicht drin, dementsprechend konnte er sich einfach nicht melden, war aber sehr verständnisvoll, dass ich etwas angenervt war. Im Endeffekt war ich froh, von ihm gehört zu haben, für den nächsten Morgen wurde mir versprochen, dass wir wirklich alles klären würden.

Zurück im Hotel schrieb ich noch ein wenig Blog, telefonierte lange und packte ein paar Sachen zusammen, irgendwann nachts ging ich ins Bett und schlief recht gut. Morgen gehts dann weiter nach Dar Es Salaam, sofern die Bahn mitspielt, und vielleicht sogar doch noch zur Feuerwehr Moshi. Das wäre wirklich cool!

Bis dahin…

Im nächsten Eintrag gehts dann um das, was man hier wohl als „Feuerwehr“ bezeichnet, um ein wenig Planungschaos und um die wohl wildeste Zugfahrt meines LebensAlso stay tuned!

Noah 2

Hotel Rose Home, Moshi, TZA // 23:30 Ortszeit

Aufstehen und Abfahrt

Da ich dachte, wir würden zwischen 7 und 8 weiterfahren, wollte ich um halb 7 aufstehen. Schnell duschen und Zähne putzen, zu packen hatte ich ohnehin quasi nichts. Ich bin auch früh genug aufgestanden und freute mich auf eine schöne warme Dusche. Wirklich warm war‘s nicht in Mafinga. Ich hab sogar ne Decke gebraucht nachts. Hab ich in Tanzania auch nicht erwartet. Aber was soll’s, war ja alles da. Unter der Dusche dann aber die Enttäuschung: nur kalt, aber immerhin Wasser. Schon mal ein Fortschritt zum Vortag. Also stehe ich im kalten Mafinga unter einer kalten Dusche. Dummerweise ist mir mein Block Haarshampoo noch in Stücke gebrochen, auch Mist, aber immerhin hab ich genug dabei. Also erst mal mit kaltem Wasser die Krümel in den Haaren verteilen, schön einmassieren und danach wieder mit ebenso kaltem Wasser rauswaschen. Der Körper folgte sogleich, und ich sag‘s wies ist: In den letzten 5 Sekunden meiner Dusche fing das Wasser dann an minimal wärmer zu werden. Wenn es allerdings in gleichbleibenden Geschwindigkeit wärmer geworden wäre, dann wäre es jetzt bei 17 Grad. Vielleicht. 25 Minuten nach meinem Aufstehen war ich komplett angezogen, geduscht, und alles gepackt. Mal sehen wann die Anderen fertig sind.

Also bin ich mal kurz raus, niemand da. Wieder kurz zurück ins Bett, kurz hingelegt, und kurz die Augen zugemacht. Zack. Viertel nach acht, es klopft an der Tür. Ich natürlich sofort hellwach, springe auf, gehe zur Tür. Erwartung: Alle sind fertig, sitzen im Auto, sichtlich angepisst, und ich bin der letzte. Wirklichkeit: Liber klopft, er ist grad aufgestanden, sonst ist noch niemand wach, er fängt an, sich fertig zu machen und wollte mich nur freundlicherweise wecken. Die afrikanische Pünktlichkeit eben. 

Um viertel vor neun sind dann auch endlich alle fertig und abfahrbereit. Sogar Hussein ist wieder da, auch kommt Uli aus dem Hotel geschleppt. Dummerweise ohne Handy, aber das ist erstmal egal, Hussein hat zum Frühstück eingeladen.

Frühstück

Fünf Minuten später wird Noah auf Husseins Hof zum Halten gebracht. Ein freundliches „Karibu nyumbani“ mit folgendem „Karibu chakula“ lädt zunächst ins Haus, dann zum Essen ein. Mal wieder werden wir alle auf eine Couch verfrachtet, im Hintergrund läuft ein Film im Fernsehen, in der Küche wird schwer gewerkelt. Ich erwarte mal wieder etwas Kleines, aber eigentlich müsste ich es mittlerweile besser wissen: Suppe, natürlich mit Huhn, und Chapati werden gereicht. Die Suppe ohne Huhn ist sehr lecker, auch sind die Chapati wirklich phänomenal. Also wieder erstmal richtig den Bauch vollgeschlagen, wer weiß, wann es wieder etwas gibt. Dummerweise gingen meine Essensaktionen zu lange zu gut. Bauch meldet sich, ich frage freundlich, ob ich nicht mal die Toilette benutzen dürfte, und werde sogleich dorthin geführt. Jetzt ist es als Mensch, der das europäische Modell gewohnt ist, gar nicht so einfach. Der Mangel an entsprechendem Papier ist mir noch früh genug aufgefallen, und so ging ich nochmal fix zum Auto. Zurück im Schapp vollführte ich irgendwie mein Kunststück, war danach aber deutlich erleichtert, und meine Bauchschmerzen waren wie weggeblasen. Also alles gut. 

Handy

Wie schon ganz am Anfang berichtet, braucht man in Tanzania zum kaufen einer SIM-Karte einen Personalausweis, eben weil die Karte auf den Ausweis registriert wird. Doof ist nur, wenn die Karte verloren geht, dann braucht man erst mal nen Wisch von der Polizei, dass der Verlust gemeldet und die Karte gesperrt ist. Wieso das alles recht schnell passieren sollte, erklärt folgender doofer Umstand: Es gibt hier das M-Pesa System. Es erlaubt einem, Geld auf das Handy bzw. die SIM-Karte zu senden, und damit dann entweder zu bezahlen oder sich das Geld auszahlen zu lassen. Am Vortag benötigte Richard Bargeld, da es aber weit und breit keinen Geldautomaten gab, der seine australische Karte akzeptieren wollte, wurden kurzerhand 300 AU$, was ungefähr 470.000 TSH entspricht. Also ner Menge. Mit dem Verlust des Handys war auch erst mal das Geld weg. Sehr doof. Also erst zur Polizei, dann zum Vodacom-Shop. Was dort genau gemacht wurde, keine Ahnung, wir hielten auch mehrmals bei unterschiedlichen Shops an. Im Endeffekt konzentrierte ich mich nur noch auf das schwappende Geräusch. Scheinbar hat sich Noah doch etwas mehr Wasser gefangen, als gedacht. Irgendwo, in irgend einer Verkleidung, da muss noch ne ganze Menge rumschwappen. Über eine Stunde später ging es dann aber auch echt los. Anstatt der geplanten Abfahrtzeit, zwischen 7 und 8, konnte Richard Noah erst um viertel vor elf auf die Straße in Richtung Moshi bringen. Ob wir heute noch ankommen? Ich glaube nicht daran. Immerhin sind es 850 km, für die man in Tanzania mal mindestens 14 Stunden braucht.

Iringa

Die erste Etappe, von gut 80 km meisterte Noah in eineinhalb Stunden. Die Landschaft ist wirklich wahnsinnig schön, lange sind wir durch ein Tal gefahren, nur nach Iringa mussten wir eine Straße mit Steigung hoch. Links aus dem Fester: Wundervolle Landschaft, Berge, die ich einem Mittelgebirge zuordnen müsste, aber unendlich viele Findlinge darin. Überall diese riesigen Felsen, macht alles schon sehr monumental. Leider auf Bilder nur schlecht einzufangen. Gerade aus: Ein Sattelzug, Zugmaschine der Firma Scania, man hört und riecht das Heulen des Aggregats deutlich, nur mit Müh und Not kommt die Kiste auf 20 Stundenkilometer. Also Blinker rechts, überholen. In diesem Moment musste ich fest an Noah glauben. Der Gute ist ja etwas untermotorisiert, sein Gepäck, bestehend aus fünf Menschen mit entsprechend viel Gepäck, vier Kürbissen, einem Sack Erdnüssen, nem halben Zentner Mangos und Fisch, sowie der immer noch malträtierten Wandlerautomatik sind eigentlich keine gute Kombination, um an einem unübersichtlichen Berg zu überholen, vor allem dann nicht, wenn einem nicht wenige acht- oder noch-mehr-achsige Lastwagen entgegenkommen. Ich schätze mal, dass Noah sehr durstig war, immerhin machte er uns schon einige Zeit mit dem Aufleuchten seiner Tanklampe auf sein Bedürfnis aufmerksam, auf jeden Fall meisterte er mehrere Überholmanöver mit Bravour. Gut gemacht!

Auf dem etwas höher gelegenen Iringa wurde zunächst eine Tränke für Noah angefahren. Ich bin auch noch fix in die Tanke geflitzt um ne Cola zu kaufen und danach zu pinkeln, wer weiß wann wir wieder anhalten würden. Also schnell zurück ins Auto, Türen zu. Nächster Stop: Zehn Meter weiter. Wirklich? Haben wir was vergessen? Haben wir nicht. Drei Brüder raus, ich erstmal etwas ratlos im Auto, die Mutter der Jungs weiterhin auf der Beifahrerseite, wartenderweise. Nachdem der Minutenzeiger schon eine halbe Runde gedreht hatte, ging ich dann auch mal raus, und fragte was los sei. Fragen musste ich nicht, die drei Jungs standen an einem Laden, großes Schild „VodaCom“ darüber. Scheint noch zu dauern, also bin ich mal die Straße hoch, die Straße runter, Thromboseprophylaxe und so. Normales Straßenbild: unzählige Motorräder, Bajajis, einige wenige Autos und LKW der allzeit beliebten skandinavischen Marke. Wer sich übrigens grad fragt, wie es mit Feinstaub und so hier ausschaut: Die Regel „was nicht rußt, hat keine Leistung“ stimmt nicht. Ein Lastwagen, dieses mal ein asiatisches Fabrikat, über Beladung und Grenzwerte wollen wir mal nicht reden, versuchte im Berg anzufahren. Das Getriebe bedankte sich knirschend für das zarte einhämmern des Gangs, beim Lösen der Feststellbremse zischte es für meinen Geschmack zu viel und zu lange, die Karre rollte einige Meter nach hinten, Kupplung millimeterweise kommen lassen und die Dampf- pardon, Rußlok ändert langsam ihre Bewegungsrichtung. Der große Aufdruck „FIGHTER“, quer über die Windschutzscheibe, der passt hier echt gut. Fighter against gravity, das hätte es noch besser getroffen. Beim Vorbeifahren lese ich noch in riesigen Lettern „IN GOD I TRUST“ auf der Heckschürze. Also am Berg vertraue ich lieber genug Leistung und einer funktionierenden Bremse. Scheinbar hier nicht so wichtig. Zum krönenden Abschluss kam dann noch, wirklich Bondfilm-reif, ein schwarzes Bajaji aus der schwarzen Rußwolke, die kaum mehr Sicht auf die Straße talwärts bog, geschossen. Special effect – african style. Sowohl Noah, als auch der, sich immer noch resigniert in seinem Inneren befindliche, Fahrgast waren davon gänzlich unbeeindruckt und wollten glaube ich einfach nur weiter. Nachdem der Zeiger auf dem Ziffernblatt noch ne ganze Runde gedreht hatte, ging es auch weiter.

Kontrolle

Die weitere Fahrt verbrachte ich erst mal schlafend, auch wenn mir die Kürbisse etwas Beinfreiheit nahmen, kann man in Noah dennoch gut schlafen. Seine Rückbank lässt sich schön nach hinten lehnen. Man muss nur etwas gegen einen Sack Mangos, Erdnüsse…. Ihr wisst Bescheid… ankämpfen. Aber dann ist alles schick.

Ich wurde nur Minuten vor einer Kontrolle wach. Wir fuhren auf eine Schrank zu, diese wurde geöffnet und Noah direkt danach von einem offiziell ausschauenden Mann zum Halten gebracht. Richard stieg aus und kam auch kurz drauf wieder, weiter ging die Fahrt. Richard erklärt auch sogleich, dass wir nun in einem Sperrgebiet sind. Keine Fotos erlaubt. Es wird kontrolliert, wie viele Personen in das Gebiet einfahren. Bei diesem Gebiet handelt es sich um den „Mtera Dam“, einem Wasserkraftwerk mit entsprechendem Stausee. Wieso das Gebiet so genau kontrolliert wird? Keine Ahnung, vermutlich aus Angst vor Sabotage oder Terrorismus. Aber das sind echt Schüsse ins Blaue.

Bei der Ausfahrt gab‘s natürlich nochmal ne Kontrolle. Dieses Mal auch etwas genauer. Es wurde ins Auto gelukt, darin: Vier Menschen, die offensichtlich von hier sind, und ich. Also Niklas einmal raus, Pass auspacken, dem Offiziellen unter die Nase halten. Es wurden mehrmals die gleichen Fragen gestellt. Ja, ich bin das erste mal hier, nein ich war noch nie vorher hier, ja ich bin so und so alt, ja ich komme aus Deutschland, ja wir kommen aus dem Süden des Landes. Irgendwie schaute er etwas skeptisch, Richard stand mir auch zur Seite. Irgendwann hatte ich jedoch ein mulmiges Gefühl, ich weiß nicht, ob es an der eingehenden Kontrolle mit den immergleichen Fragen lag, an der plötzlichen Hitze, oder doch an den Sturmgewehren um mich rum. Vermutlich eine Kombination aus allem. Ein freundliches „Welcome to Tanzania!“, in Kombination mit einem herzlichen Lächeln, ließen alle Sorgen verschwinden. Hakuna matata!

Knappe 20 Minuten später: Wieder ein Offizieller, in diesem Falle ein Polizist. Steht winkend auf der Straße, meint wohl uns. Richard bremst Noah und musst auch direkt aussteigen. Ich ahnte schon, wo das Problem lag. Zumindest fuchtelte ein anderer Polizist unter einem Baum mit einer Radarpistole rum. Wie sie das gesehen haben sollen, dass wir etwas zu schnell waren? Kein Plan, meiner Meinung nach fast unmöglich. Aber was soll’s, ist jetzt so. Richard erzählte den Männern scheinbar auch das passende, aber nichts half. Er kam zurück, mit Ticket. Wie viel er zu schnell war, nicht ersichtlich. Es steht nur drauf „zu schnell“, kostet dann 37.500 TSH, gute 15 €, bzw. für ihn wohl eher 24 AU$. Also recht günstig. In Deutschland hätten wir uns wohl noch das nächste Knöllchen abgeholt: Nach der Kontrolle, alle, bis auf die Beifahrerin, wieder raus aus dem Auto, am Straßenrand einmal piseln, der Polizist hält fünf Meter hinter uns die nächsten Autos an. Aber juckt ihn kein Stück. Also alle um etwas Urin, und RIchard noch um etwas Geld, erleichtert wieder in Noahs Innere.

Die weitere Strecke führte uns durch ewige Leere, und das vermutlich größte Funkloch Afrikas. Wenn dir hier was passiert, dann muss erst mal jemand ne Dreiviertelstunde fahren, bevor er überhaupt jemanden anrufen kann. Zumindest hatte ich gut über ne Stunde Null von Vieren, maximal mal ein Residuum eines Bälkchens Empfang.

Dodoma

Wenn ich Dodoma mit einem Wort beschreiben müsste, dann würde dieses Wort „Baustelle“ lauten. Von viertel nach fünf an fuhren wir fast 20 Minuten durch eine riesige Baustelle, hierbei muss hier direkt über den Unterbau gefahren werden, also nicht über asphaltierte Straßen. Alles sehr holprig, Überholmanöver erscheinen dadurch auch nicht zwingend sicherer. Außer, dass Noahs Dach am Ende fast von einer Baggerschaufel aufgeschlitzt wurde, war alles in bester Ordnung. Wenige Minuten später erreichten wir Dodoma.

Dodoma ist die Hauptstadt, auch wenn sie weniger als ein Zehntel der Einwohner von Dar Es Salaam hat, und auch keinen internationalen Flughafen. Wieso es so ist? Weiß ich leider nicht. Allerdings passiert in dieser Stadt mächtig was. Überall Baustellen, teilweise auch sehr moderne Baustellen. Die Stadt wirkt im Großen und Ganzen sauber und aufgeräumt – sofern man das von einer Stadt in Ostafrika behaupten kann. Breite Straßen, große – mal wieder scheinbar regellose – Kreisverkehre, Verwaltungsgebäude. Und unzählige Baustellen.

Kurz nach Ankunft wurde Noah auch schon auf den Parkplatz eines barähnlichen Baus. Darin: Eine große Küche, bzw. eher die hier typische Feuerstelle, dazu noch ein paar Arbeitsplatten auf denen fleißig geschnippelt wurden. Das alles in einer großen Halle, oder eher einem überdachten Hof. Außerdem: Billardtische, tatsächliche eine Bar und unzählige, simpel aber saubere, Sitzgelegenheiten. Ich bestellte ein Gericht, mit dem ich erfahrungsgemäß gut klarkommen würde, Chipsy-Mayai und ein Kilimanjaro logo baridi. Wieder 5.000 TSH, also knapp 2 € günstig. Alles in allem, simpel, einigermaßen lecker, und bauch-safe. Also alles gut.

Um 7 gehts weiter. Uli fährt. Ich nutze die Gelegenheit, um mal zu fragen, bis wohin wir heute fahren. Antwort: „Heading right up to Moshi!“. Oha. Also doch noch so weit. Aber es sind ja nur noch acht Stunden. Mindestens. Aber was soll’s, haben ja zwei Fahrer, ich sitzt gut und trocken, die Kürbisse immer noch zu meinen Füßen, was soll schief gehen.

Eine Sache, die ich noch zu Dodoma erwähnen wollte: Hier sind mir die unzähligen Ambulanzen, also quasi Krankenwagen (Rettungswagen trau ich mich nicht zu sagen), aufgefallen. In keiner anderen Stadt, vor allem Dar Es Salaam oder Songea, aber auch nicht in Mafinga oder Njombe, hab ich so viele gesehen. Die quantitative Versorgung ist hier also deutlich besser. Über die qualitative Versorgung möchte ich kein Urteil fällen, wenn sich allerdings genauso gut und die Patient:innen, wie um die Fahrzeuge gekümmert wird, dann schraubt man am besten die (Rot- und) Blaulichter ab und pinselt die ganze Karre schwarz. Noch ein paar schicke Vorhänge rein, und schon gehts ab zur letzten Tour.

Und weiter gehts, quer durchs Nirgendwo

Uli fährt, heißt im Umkehrschluss: der arme Noah muss etwas mehr leiden. Seine Heckschürze ist mittlerweile ganz lose, wenn Noah ab und an besonders hart über eine Bodenwelle geprügelt wird, dann schlägt das Heck so dermaßen in der Straße ein, dass das Plastik den Boden berührt, an Stellen, an denen es den Boden nicht berühren sollte, und die Plastikklipse, die Noahs Heckschürze an seinem Hinterteil halten sollten, ja die versagen natürlich auch irgendwann ihren Dienst. Also hängt Noahs Gesäß etwas auf halb acht, aber das hält unseren Kämpfer nicht davon ab, uns Minute um Minute weiter gen Norden zu transportieren. 

Es war mittlerweile richtig dunkel, ich habe wohl auch einige Zeit geschlafen. Es ging eine breite, gut ausgebaute Serpentinenstraße nach oben. Ich stelle mir immer noch die Frage, ob es hier sowas wie nen „TÜV“ oder ähnliches gibt. Vorstellen kann ich‘s mir kaum, wenn ich all die uralten und teilweise schrottreifen Lastwägen denke. Einer fuhr sogar im „Hundegang“ vor uns her, so krumm und schief war wirklich alles an dem alten Bock. Andererseits wird mir aber auch wieder klar, wie wichtig die Abfahrtkontrolle ist. Sollte ich jemals in Afrika einen Lastwagen bewegen (dürfen), dann werde ich die, in der Fahrschule oftmals propagierte, und bis zum Erbrechen wiederholte, Abfahrtkontrolle wirklich gewissenhaft machen. Denn wenn dir hier was passiert, dann kann man lange auf Hilfe warten, wenn denn welche kommt. Auf Rettung braucht man nicht zu warten. Hast du nen Unfall und bist eingeklemmt? Dann stirbst du glaube ich mit höchster Wahrscheinlichkeit. Bei einer einfachen Einklemmung der unteren Extremität kannst du dir vielleicht saw-like das Bein selbst amputieren. Mehr aber auch nicht. Naja egal, zurück zu dem, was ich eigentlich erzählen wollte: Scheinbar versagte bei dem ein oder anderen die Bremsanlage beim Bergabfahren. Obwohl der gesamte Lastzug recht modern aussah, das heißt eine dreiachsige Sattelzugmaschine der unbekannten chinesischen Firme, sowie ein dreiachsiger Muldenanhänger, und ich eigentlich davon ausgehen muss, dass die Kiste zumindest drei Betriebsbremskreise sowie eine Dauerbremsanlage hat, hat scheinbar nichts geholfen. Oder der Fahrer, bzw. die Fahrerin hat den Berg falsch eingeschätzt. Zumindest war bei dem Zug auf der anderen Straßenseite der linke Außenspiegel nicht mehr zu gebrauchen, ich schätze nicht, dass der Lastwagen nur Müde war, er wurde einfach nach allen Regeln der Kunst auf die Seite geworfen. Zur „Absicherung“ hat man hier einfach ein einzelnes Warndreieck hingestellt und die Kiste liegen gelassen. Keine Beleuchtung, keine Bergung, nix. Spannenderweise stand das Warndreieck ausschließlich im Gegenverkehr. Eine Warnung, des nachfolgenden Verkehrs, der nach der Kurve direkt in den hingelegten Vierzigtonner reinrauschen würde, hielt man scheinbar nicht für nötig. Ich hab genau geschaut, zwischen Unfallstelle und einem Kilometer weiter, war kein Zeichen der Warnung zu erkennen. Oder es war wieder was sehr spezielles afrikanisches, drei Grashalme im 74,8 Grad Winkel auf der Straße oder so. 

Kurz drauf lag der nächste Zossen auf der Seite, wenn ich mir allerdings die Kiste wieder in den Sinn rufe, dann hätte ich ihn auch vorher schon mit „Vertrauenswürdig: 0/10“ eingestuft. Also kein Wunder. Die Stelle war auch so unübersichtlich, dass man sicherheitshalber gänzlich auf ein Zeichen der Warnung, oder gar Beleuchtung verzichtete.

In der nächsten Stunde passierte, außer der gefühlt 27. Passkontrolle, nix. Wir kamen gut durch, die Straßen waren einigermaßen frei, und bis auf die normalen Bodenwellen und Schwelle frei von größeren, meist mehrachsigen, Hindernissen. 

Durst

Mittlerweile war es schon fast Mitternacht. Noah rollte und rollte immer weiter und weiter, alles schlief, nur ich noch nicht so wirklich. Ich bastelte noch immer am letzten Blogeintrag rum, oder versuchte mit den Menschen zu Hause Kontakt zu halten. Manchmal aufgrund der Empfangssituation aber durchaus schwierig. 

Was mir dementsprechend auch Sorge bereitete, war, dass uns Noah seit etlichen Kilometern auf sein zunehmendes Durstgefühl aufmerksam machte. Die entsprechende Warnlampe wurde gefühlt immer heller und blendender. Jetzt stellt euch mal vor, ihr sitzt in einem Auto, weit weit weg von zu Hause. In einem Land, was ihr zwar seit einigen Wochen kennt, allerdings ne komplett andere Region. Irgendwo auf einer Straße, euch kam schon was länger kein Auto mehr entgegen. Die Tanklampe wird gefühlt immer heller. Und ihr habt keinen Empfang. Wenn ich keinen Empfang habe, hat auch sonst niemand welchen. Sehr schön am immer zeitgleichen Vermelden von neuen Nachrichten nach einem Funkloch. Von allen Telefonen in einer wundervollen Kakophonie. Nach ewigen weiteren Kilometern taucht dann endlich eine 24h-Tankstelle auf. Nur hat der Tag hier scheinbar mindestens 25 Stunden, zumindest hatte die Bude zu. Lichter aus, kein Personal mehr auf der Fläche. Nix. Also weiter. Meiner Meinung nach sind wir in die andere Richtung wieder auf die Straße aufgefahren, allerdings sieht hier manchmal echt alles gleich aus. Meiner Angst vor der liegenbleiben wurde dadurch auch nicht unbedingt besänftigt. Das Einzige, was mich beruhigte, war, dass wir mit unseren Vorräten im Auto mindestens eine Woche überleben könnten.

Die zweite 24h-Tanke taucht auf. Auf den Platz, gleiches Spiel. Alles dunkel, Bordsteine hochgeklappt, kein Sprit zu bekommen. Oder Diesel. Oder Kerosin. Für was hier viele Tankstellen Kerosin verkaufen ist mir immer noch ein Rätsel. Außer Lastwägen, welche meistens mit Diesel, und Autos, Motorrädern und Bajajis, die größtenteils Super brauchen, sind hier nur Eselskarren unterwegs. Ich bin mir nicht sicher, aber mir ist keine Eselrasse bekannt, die Kerosin bräuchten. Flugzeugtriebwerke sind hier etwa so häufig wie Einhörner, also keine Ahnung.

Tanke Nummer drei hat dann auch endlich geöffnet. Noah bekommt seinen Sprit, er ist sicher die letzten Kilometer nur mit Luft und Liebe, in Kombination mit gutem Willen noch gefahren. Alle anderen einmal raus, kurz langmachen, Thromboseprophylaxe, fix zum WC und wieder ab auf die Straße. Uli wurde abgelöst, Richard fährt den Rest.

Moshi

Ich wurde durch Richards „Mosh-Mosh! Welcome home!“ Rufe wach. Ein müder Blick auf die Uhr verrät, dass es fast halb vier ist. Also habe ich mal mindestens drei Stunden echt gut gepennt.

Habe ich erwähnt, dass ich fast vergessen habe, ein Hotel zu buchen? Wobei was heißt „fast“. Eigentlich hatte ich es bis vor fünfeinhalb Stunden gar nicht auf dem Schirm, es wurde mir dann aber brühwarm klar, als ich feststelle, dass die Jungs mitsamt Mama ja in Moshi wohnen. Ich nicht. Heißt: Ich brauch noch was. Mist. Liber meinte dann aber, dass er Jimmy schreibt, der melde sich dann gleich bei mir. Jimmy ist der Tour-Operator und Inhaber der Firma „Gazelle Safari“ in Moshi, mit der ich auf Safari bin, und obendrein noch Libers Chef. Also habe ich glücklicherweise einen kurzen Draht zu Jimmy. Dieser antworte auch bald und bot mir ein Hotel für 30.000 TSH an. Knapp 13 € für ne Nacht, da kann man eigentlich nicht viel gegen sagen. Die Antwort lies etwas auf sich warten, nachdem allerdings nach einer guten Stunde alles in trockenen Tüchern war, fiel auch meine Angst der akuten transienten Obdochlosigkeit von mir ab. Endlich konnte ich schlafen.

Richard lenkte Noah direkt in eine Seitenstraße, die eher an Liulier Straßenverhältnisse erinnerte. Staub, Dreck und Geröll. Mehr hatte ich von Moshi noch nicht gesehen, und ahnte nicht, dass es sich um eine do so moderne Stadt handeln sollte. 

Auf dem Tor zum Hof des Hotels war ein großes Schild zu sehen. Vor allem die unterste Zeile las sich richtig gut. „WiFi free“. Das erste mal WLAN nach Wochen. Der Eine oder die Andere mag jetzt denken „Was ist das fürn Suchti??“, aber ich will euch beruhigen. Im Endeffekt ging es mir dabei nur um meine Bilder. Meine Fotomediathek auf dem Handy vermeldete, dass knapp über eintausend Bilder auf den Upload in die iCloud, und somit auf den Schutz vor Verlust warten. Normalerweise werde ich schon nervös, wenn ich nicht zweimal am Tag ein Backup von allem machen kann. Hier sind’s jetzt schon mehr als vier Wochen. Die Mediathek am iPad möchte übrigens weit über zweitausend Bilder loswerden. Außerdem: Je mehr WLAN, umso mehr Bilder wird es hier geben. Macht euch schon mal auf einen riesigen Schwall an Bilder parat, sobald ich wieder zu Hause bin.

Scheinbar hat Liber seinen Chef angerufen, der kommt nämlich nach wenigen Minuten auf den Hof gefahren. Eine Sache noch: Wie bekomme ich ein Tor auf, an dem keine sichtbare Klingel ist? Das Hotel sieht nicht so aus, als ob dort dauerhaft jemand wach wäre. Ganz einfach. Einfach auf die Hupe hauen und so lange Hupen, bis sich das Tor öffnet. Schon bisschen verrückt alles.

Leider ist es an der Zeit, mich von Noah zu verabschieden! Danke Kumpel, dass du uns so gut von Liuli bis nach Moshi gefahren hast. Hast Schlamm und Schlaglöcher mitgebracht, musstest durstig sein, hast uns aber dennoch überall hin gebracht! Wurdest manchmal etwas hart rangenommen, aber auch das hast du professionell weggesteckt. Mach‘s gut…

Mein Kram wird ins Zimmer getragen, am nächsten Morgen will mich Jimmy um zehn abholen. Dann machen wir alles wegen meiner Safari klar. Viel umgeschaut hab ich mich nicht mehr, ich bin wirklich einfach direkt ins Bett. Schlafsack raus, Mosquitonetz runter, Zähne putzen, pullern und ab ins Bett. 

Lala Salama Moshi, morgen sehen wir uns wieder!

Mittlerweile bin ich nicht mehr in Moshi sondern schon auf Safari. Um genau zu sein an meinem Schlafplatz in Mto wa Mbu. Ich hab echt viel gesehen und erlebt, bin aber leider echt viel und lange unterwegs, deshalb kommen die nächsten Eintrage alle mit etwas Verzögerung. Tut mir leid!

Songea

Unterkunft, Songea, TZA // 18:00 Ortszeit

Zunächst einmal hat der Tag mit dem endgültigen Verschieben meines Fluges begeonnen. Also hatte ich genug Zeit um in Ruhe zu Frühstücken, erneut zu duschen, wer weiß wann sich die nächste Gelegenheit ergibt (goldrichtiger Gedanke wie sich später rausstellen wird), in Ruhe meinen Kram zu packen und dann entspannt zum Flughafen zu fahren. Frühstück ohne größere Komplikationen, duschen, packen und Check-Out ebenso, die Uber-App wies mir den gleichen rasanten Fahrer wie gestern zu und kurz später war ich am Julius Nyerere International Airport – Terminal 2. Übrigens konnte ich auf dieser Fahrt auch das Rätsel mit den Bussen klären: Das ungefähre Ziel ist an der Farbgebung des Busses zu erkennen, gar nicht mal so doof, es muss ja bedacht werden, dass bei weitem nicht die gesamte Bevölkerung lesen oder gar schreiben kann!

Der erste Check-In verlief problemlos, großen und kleinen Rucksack durch die Sicherheitskontrolle gebracht, dann den großen Rucksack aufgegeben und mit dem kleinen Rucksack weiter. Wieder Sicherheitskontrolle und dann warten. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass es keine gute Idee ist, von diesem Terminal aus etwas zerbrechliches aufzugeben. Das Band, auf welches das Aufgabegepäck gefeuert wird ist tatsächlich nur ca. 2 m lang und macht nichts anderes, als das liebevoll und sorgsam verschnürte Gepäck auf der anderen Seite der Mauer auf den Boden zu werfen. Dort findet es dann in der Regel ein Mitarbeiter welches eben jenes Gepäck auf einen Wagen wirft. Das weitere Verfahren mit dem Gepäck bleibt unklar.

Das Boarding unserer Dash-8 Q400 verlief problemlos und zügig, zu meiner Freude ware die Sitze überaus bequem und auf meinem Fensterplatz fand sich auch kein Sitznachbar ein. Das unbändige Dröhnen unserer Turboprop kündigte den Start an, problemlos. Die erste Stunde war auch deutlich ruhiger als gedacht, die letzten 20 Minuten umso turbulenter. Es schmiss die Maschine in der Luft umher, selbst die Damen der Cabin-Crew krallten sich mit Händen und Füßen an unserer Dash-8 fest. Man hörte Köpfe in den Seitenverkleidungen einrasten, leises Wimmern aus dem achternen Teil des Fliegers und der junge Mann neben mir wurde ganz blass. Einer meiner „special-anti-vomit-chewing-gums“ bewirkte Wunder, dass es sich um einen stinknormalen Kaugummi handelte sagte ich erst später. Die Landung (oder besser der Einschlag auf der Landebahn) beendeten das Abenteuer Air-Tanzania abrupt. Nach dem Aussteigen wurden wieder einmal die Pässe samt Visa kontrolliert, hier ist dafür nicht mehr nötig als ein zerfleddertes Notizbuch, ein Kugelschreiber und ein vollautomatisches Sturmgewehr der Gattung AK-47. Wenige Minuten später kam auch schon ein rumpelndes Quad-ähnliches Gefährt angerollt, auf der Ladefläche viel zu vieler Koffer und Taschen. Die Ausgabe des Gepäcks erfolgte ähnlich liebevoll wie am Flughafen Dar Es Salaam und so konnte ich nur knapp verhindern, dass mein Rucksack aus 2,5 Metern Höhe in den Staub und Dreck vor meinen Füßen geworfen wurde. Alles fein, alles da, alles ganz – soweit zum jetzigen Zeitpunkt ersichtlich.

Bei deutlich angenehmerem Wetter (26 Grad, es hat gerade aufgehört zu regnen) werde ich von Gift. dem Sekretär der Krankenhauses samt Taxi und Fahrer erwartet. Mein Gepäck wandert in den Kofferraum, das Taxi rollt los und er erklärt mir den Zeitplan: Erst Medikamente und Equipment fürs Krankenhaus kaufen, dann zum Geldautomaten, dann zum Hotel. Soweit so gut. Ich habe mich am Anfang erkundigt, was das Krankenhaus aktuell gut gebrauchen könnte, vor allem Geld wurde mir gesagt. Also hab ich etwas Geld zusammengekratzt und wir haben gemeinsam für dann insgesamt 500.000 TSH (ca. 200€) Material kaufen können. (Wer diesen Text liest, und sich denkt, es sei eine gute Sache etwas zu geben, der darf sich gerne bei mir melden!) Insgesamt konnten wir zwei gut gefüllte Kartons mit allerhand Dingen besorgen: Von Antibiotika über Aspirin, Blutentnahmeröhrchen samt Kanülen bis zu einem Blutzuckermessgerät. Insgesamt mussten wir hierfür drei Apotheken und einen weiteren Laden anfahren – Material zu besorgen ist hier absolut nicht einfach.

Zwischendurch ging es noch zu einem Geldautomaten. An der Funktionsuntüchtigkeit des selben konnte auch der Bankanstellte, mitsamt zwei Jungen Männern inclusive geschulterer Strumgewehre der wohl allseits beliebten Bauart „Kalaschnikow“, nichts ändern. Also nächster Geldautomat, dieser spuckte auch brav mein Geld aus. Ein weiterer Stop stellte der Busbahnhof dar, 15.000 TSH (ca. 6€) sollte das Ticket für die 170 km morgen früh kosten. Am Hotel angekommen verlangte der Taxifahrer 50.000 TSH (ca. 20€) für einen ganzen Nachmittag Herumfahrerei.

Das Hotel. Obwohl, das wäre eigentlich zu viel gesagt. Nennen wir es mal „Unterkunft“. Wahnwitzige 14.000 TSH (ca. 5,60€) wollte die nette für die Nacht haben. Ich habe auch schon in heruntergekommenen Buden gepennt, aber heute Nacht wird sicher spannend. Auch wenn ich gestern Nacht von irgendeinem Krabbelviech (keine Ahnung was es war, ca. 7 mm groß, ich konnte es gerade noch wegschnappen) in den Bauch gebissen wurde und es unglaublich heiß war, muss man dennoch sagen, dass das Hotel in Dar Es Salaam viel viel mehr den Begriff „Hotel“ verdient hat. Unten sind Bilder, auch im Vergleich zu Dar Es Salaam, viel mehr sagen muss ich nicht. Immerhin hab ich Strom und es ist günstig. Was soll’s.

An dieser Stelle wieder ein gut gemeinter Tipp: Wer in einen touristisch kaum entschlossenen Teil Afrikas reist, und zumindest ein wenig an europäische Verhältnisse gewohnt ist, dem schadet eine Rolle Toilettenpapier im Handgepäck auf keinen Fall!

Nach dem Beziehen meines Zimmers sollte es noch etwas Essbaren geben. Mir wurde vorgeschlagen, dass ich doch einfach mal die Straße hochlaufen solle, dort gäbe es allerhand. Gesagt – Getan. An der ersten Kochnische blieb ich stehen, ich fragte, was es alles gäbe und man bot mir diverses an. Irgendwann konnten wir uns auf einen Mix aus Ei, Salat, Fritten und Mango einigen. So richtig verstehen wollte man nicht, wieso ich kein Fleisch essen mag, mit etwas Überzeugungsarbeit lies man dann aber doch davon ab. Alsbald wurden mir zwei Teller gereicht, einer mit einem omeletteartigen Pfannengericht, dazu selbstgemachte Tomatensoße und der andere mit Mango, Salat und der mir wärmsten ans Herzen gelegten „special-sauce, little bit hot, little bit chili“. MERKE: Wenn dir hier „little bit“ angedreht wird, dann wird dir wirklich warm ums Herz. Mir wurde es. Ich tunkte nur ein Stück Mango in die Sauce und bekam Schweißausbrüche, Herzrasen, sicher einen hochroten Kopf und bestimmt entgleisten meine Gesichtszüge auch kurzzeitig. Mein Leid wurde erkannt, recht schnell kam eine junge Dame die mir eine sehr kalte Pepsi-Cola verkaufte. Dass Flüssigkeit wenig bringt, hätte ich wissen müssen, hab‘s aber vercheckt, halb abgezogen, noch mehr Schmerzen und dann in mein Omelette gebissen. Etwas gelindert wurde mein Schmerz schon, aber vom Geschmack meines Gerichts blieb leider nicht mehr so viel über. Auch hier wieder ein gut gemeinter Tipp: Wer nicht mit den Fingern essen mag, der sollte etwas Besteck bei sich haben, ich hab mir selten die Finger so versaut wie bei dem Verzehr meines Abendbrots.

Jetzt bin ich wieder im Hotel, gleich werde ich mein Bett beziehen, das Mosquitonetz ausfalten und mich dann hinlegen. Morgen früh geht‘s um 20 nach 6 schon los. Mal sehen, was mich heute Nacht so kneift, beißt oder sticht. Es wird spannend.

Gute Nacht.

Frankfurt

Wecker um 1, Abfahrt halb 2, um 4 in Frankfurt. Erst den großen Rucksack abgegeben – problemlos. Dann beginnt die Odyssee. Aufgabe: US-Dollar besorgen. Man sollte meinen, sowas wäre am größten deutschen Flughafen Problem möglich, wer auch der Annahme ist täuscht sich leider gewaltig. Keine Reisebank hat geöffnet vor 6, alle Geldautomaten mit Fremdwährungen haben „diese Währung aktuell leider nicht vorrätig“ und das weder in Terminal 1 noch 2. Egal.

Der Security Check-In ruft. Wenn man jetzt als absoluter „Vielflieger“ diverse Dinge beachten würde, dann würde man sicher auch nicht nochmal gefilzt werden. Wenn.

Es ist 20 vor 7, das Boarding ist vorbei und wir sollten anfangen zu rollen. In Amsterdam müsste ich dann wirklich auch Dollar besorgen, ob‘s funktioniert? Keime Ahnung, aber wir werden sehen.

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