7.282 km von zu Hause entfernt

Schlagwort: Strand

Krankenhaus die vierte

Im Auto, irgendwo kurz hinter Songea, Ruvuma Region, TZA // 14:00 Ortszeit

Leider erst mal wieder ohne Bilder, das Internet auf der Straße ist echt verdammt wechselhaft, und meistens schlecht bis nicht vorhanden. Entschuldigt bitte!

Ohne Verzögerung möchte ich die vergangenen Tage zu Papier bringen. Oder zu Tastatur? Keine Ahnung, zumindest wird viel passieren und so kann ich euch recht gut auf dem laufenden halten. Und los gehts!

Sonntag

Kurz nachdem ich den letzten Eintrag abgeschickt habe, hört ich auch schon ein Motorrad anfahren. Ein gutes Zeichen, denn in der Regel bringt ein Motorrad das Gepäck der Neuankömmlinge. Kurz darauf wuchtete ich einen großen rosafarbenen Koffer ins Esszimmer des Doctor‘s House und wartete gespannt, zu wem dieses Stück gehören mag. Nur Augenblicke später hörte ich die zwei Neuen mitsamt Gift ankommen. Es wurde sich erst mal vorgestellt, Yigit und Nemire aus Istanbul, studieren beide Medizin, er in Berlin, sie in Istanbul. Sehr spannende Menschen. Im Endeffekt blieb für viel Begrüßung kaum Zeit, es wurde sich direkt an den gedeckten Tisch gesetzt. Monika hatte aufgekocht: Reis, Fisch, für mich ein Omelette, Bohnen und Gifts geliebter Ugali. Ugali ist eine Art Cassava-Pampe, die gibt‘s nur wenn Gift da ist. Zumindest versuchte mir Monika das zu erklären, ich versuchte zu verstehen. Vielleicht hat sie auch was ganz anderen von mir gewollt, aber das scheint am schlüssigsten. Alle saßen zusammen am Tisch im Doctor‘s House und aßen, nur ich hatte mich schon vorher verpflegt. Wenn der Bus erst stunden später gekommen wäre, dann hätte ich zumindest schon mal gegessen. Beim Essen wieder zwei Welten: zwei Menschen essen mit Messer und Gabel, um gute Manieren bemüht, zumindest laut dem, was in unserer Kultur gelehrt wird. Daneben Gift, der mit beiden Händen Ugali und Fisch in sich reinschaufelt, die Reste auf dem halben Tisch verteilt. Auch Manieren, aber halt in dieser Kultur. Sehr spannend zu sehen.

Nachdem die ersten Dinge geklärt waren, Gift nach Hause ging und wir unter uns waren, wurde erst mal schwer ausgepackt, es wurde geduscht, Zimmer bezogen und dergleichen. Verständlicherweise war es den zweien wirklich sehr warm, vor allem Yigit litt sehr unter der Hitze. Es war sehr spannend zu sehen, denn ich sah ja drei Wochen vorher exakt so aus, und fühlte mich auch so. An diesem Tag machte mir die Hitze wirklich gar nichts aus. Mein Körper ist also doch aklimatisierungsfähig. Gut zu wissen. Mit diesem Wissen, gab ich Ihnen erst mal Zeit anzukommen, ich hatte ohnehin erst am Abend etwas vor.

Zum Abendessen gab es dieses Mal Chipsy, also Glück gehabt! Kurz danach schrieb ich mit Richard, ich wollte mich nochmal mit Ihnen treffen um was zu trinken und ggf. über unsere gemeinsame Fahrt zu reden. Leider hatte ich die Familienfeier am Strand, zu der mich die Jungs einluden, verpasst, da ich ja auf die Neuankömmlinge warten wollte. An diesem Abend wollte ich die zwei Gruppen dann zusammenführen, wir machten uns auf zu einer Bar, etwas außerhalb des Ortes. Ich wurde mal wieder herzlichst begrüßt, fragte meine Mitstudis, ob sie auch etwas trinken wollen würden, und bestellt sogleich zwei kalte Bier. Achtung, jetzt kommt ein wichtiger Satz: „Wewe! Kilimanjaro baridi mbili!“ („Du! Zwei kalte Kilimanjaro!“). Wie erwartet, gab es kein kühles Bier, da nur ich auch warmes Bier trinken kann, wurde die Bestellung von „mbili“ (also zwei) auf „moja“ (eins) runtergeführt. Aus irgendwelchen Gründen gibt es hier nur bei einem Menschen kühlen Bier. Ironischerweise heißt dieser Mann Teke. Ich habe noch keine andere Bar gefunden, in der es kühles Bier gibt. Oftmals steht es sogar auf Regalbrettern, gerne mal in der knallen Sonne. Cola und co. gibts fast überall kalt, wieso kein Bier?? Ich werde es nie verstehen. Verständlicherweise verabschiedeten sich unsere zwei neuen türkischen Freunde nach kurzer Zeit, die letzten Tage waren anstrengend, am nächsten Tag soll‘s ins Krankenhaus gehen, und deshalb jetzt ins Bett. Ich kam im Laufe des Abends dann doch noch auf meine „mbili Kilimanjaro“ und verabschiedete mich danach.

Montag

Letzte Morgenbesprechung um 8, also war ich um 20 nach 8 da, und – geneigte Leser:innen wissen Bescheid – unter den ersten. Der „goody nighty reporty“ wurde von der Nachtschwester (und Nonne) vorgenuschelt. Englisch ist teilweise schwierig für viele, wenn man sich dann noch unsicher beim Lesen ist, dann kann es nachvollziehbarer Weise zu Minderbewegung im Kiefer beim Lesen kommen. Dr. Evans bezeichet es immer als „Swenglish“, also die Mischung aus Swahili und Englisch. Daher kommt auch das (gehörte) Ypsilon am Ende vieler englischen Wörter. „Female Wardy“, „Reporty“, „after thaty“, und so weiter. Manchmal schon ganz witzig, stellt auch keine Barriere dar. Dr. Matthews bedankte sich noch im Namen des Krankenhauses bei mir und meiner Arbeit hier, lud mich ein, wieder hier her zu kommen um Anästhesie und Intensivmedizin zu machen. Hat sich rumgesprochen, dass ich sowas gerne machen würde. Mal sehen, aber warum nicht? Am Ende wurde mir noch das Wort erteilt, ich sagte ein paar Sätze und erklärte auch, dass die anderen zwei heute doch noch nicht da sind, sie müssen erst zurück nach Mbamba Bay zum Geldautomaten, in Songea gab es Schwierigkeiten.

Direkt nach der Besprechung sagte Evans, dass wir jetzt eine Cesarian Section machen würden. Übrigens wurde am Vortag eine c/s bei einer jungen Frau mit Gravida 8 durchgeführt. Da ist die Indikation laut Evans klar gewesen, sinngemäß sei der Uterus so dünn wie ein Blatt Zeitungspapier. Bei dieser Patientin gab es allerdings eine andere Indikation. Diese OP verlief etwas schwieriger als meine anderen zuvor, allerdings geht es Mutter und Kind jetzt gut. Also kein Problem.

Um 11 war dann OPD angesagt. Aus Mangel an Patienten, dem Regen sei dank, konnte ich mit Damas direkt in den Ort laufen um ein paar Dinge zu organisieren und Geschenke auszudrucken. Unter anderem kaufte ich für 20.000 TSH (≈ 7,90 €) knappe 10 GB zusätzliches Datenvolumen. Im Vergleich zu deutschen Preisen sehr preiswert, und im Endeffekt auch ohne Alternative, ohne mobiles Internet bin ich leider etwas aufgeschmissen. Kurz danach wurden auch noch ein paar Stempel und Unterschriften organisiert, und zwei Bilder direkt verteilt. Eins bekam Damas, das andere habe ich direkt über der Tür zum Ultraschallraum aufgehängt. Darauf zu sehen ist ein Schnappschuss von Bob Rich, dem Mann für Ultraschall und Röntgen in diesem Krankenhaus, immer gut gelaunt, immer mit einer charakteristischen Pose. Genau diese wurde eingefangen, ausgedruckt, und hängt jetzt über seinem Reich. Gefreut hat er sich auf jeden Fall! Aufgrund weiten Patientenmangels wurde der Tag danach für beendet erklärt. Hat auch was.

Zurück am Haus überlegte ich echt lange, ob ich schon essen solle, oder noch auf Yigit warte. Auf Nemire zu warten funktioniert zumindest beim Mittagessen nicht, sie ist Muslima und zudem ist Ramadan. Irgendwann entschloss ich mich doch zu essen, als ich abdeckte stand Yigit neben mir. Mist. Hätte nicht mehr lange warten müssen, aber es gab auch keine Rückmeldung seinerseits. Also alles gut.

Am Abend versuchte ich wiederJo am Strand zu besuchen. Dieser ist immer noch nicht zurück aus Songea. Allerdings fand ich Richard samt Brüdern vor. Der jüngere heißt übrigens Libe, er ist, wie sein Bruder es war, Guide. Den Namen des älteren finde ich unansprechlich und kaum zu merken, er verdient sein Geld wohl als Werbetechniker. Dementsprechend ist er in meinem Kopf mal als „Uli“ abgespeichert. Das kann ich mir merken, von seinem neuen Namen weiß der gute aber noch nichts. Einen Sonnenuntergang später liefen wir zurück zum Haus, gespannt auf das vorletzte Abendessen hob ich gierig den Deckel der zwei Schüsseln nach oben. Rosa. Spinat. Also später zur Chipsy-Frau in den Ort, hat ja keinen Wert. Dieser Besuch konnte übrigens mit einem kühlen Bier an Tekes Theke abgerundet werden.

Dienstag

Es hatte mal wieder heftig geregnet, nichts desto trotz begann unser erster gemeinsamer Tag wie gewohnt. Pünktlich fanden wir uns mit Dr. Evans im OPD ein, dort wurden dann auch direkt die ersten Patientinnen und Patienten gesichtet. Nichts spannendes, nur eine 16-jährige mit einer längeren Vorgeschichte an Bauchschmerzen. In diesem Krankenhaus ist schon alles an möglicher Diagnostik gelaufen. Wir machten noch einen Ultraschall vom Bauch, aber auch hier ohne pathologischen Befund. Im Endeffekt müsste diese Patientin Endoskopisch untersucht werden. In Deutschland ist es ganz normal, eine solche Untersuchung durchzuführen, vor allem dann, wenn es eine längere Episode gibt, man nichts so wirklich findet, und das auch, wenn die Symptome nur gering sind. Kein Problem, ist Standart, und alles kein Problem, einfach mal schnell mit ner Kamera nachzusehen und vielleicht sogar etwas Gewebe zu entnehmen. Hier? Wieder nur mit größerem logistischen und finanziellen Aufwand machbar.

Von unserer Rund sind zwei Patienten zu erwähnen: Zum einen ein dreijähriger Junge, mit einer schweren Malaria tropica-bedingten Blutarmut (Hb 5,6). Es wurde sogar schon eine Blutkonserve vorbereitet, allerdings scheiterte es am passenden Anschluss am Kind. Da ein Kind normalerweise ohne solchen Anschluss ausgeliefert wird, muss der durch das vorhandene Krankenhauspersonal, in diesem Fall durch einen Medizinstudi aus München, realisiert werden. Allerdings ist das nicht so einfach, ich sagte, dass ich einen Versuch machen kann, danach nicht mehr. Die Vene war darstellbar, allerdings stellte sich das punktieren als durchaus schwierig dar und funktionierte am Ende leider nicht. Danach musste es jemand anderes versuchen, allerdings musste erst am gewartet werden, bis der Kleine sich wieder beruhigt hatte. Das Piksen einen schwerkranken Kindes macht wirklich keinen Spaß. Weder Kind, noch Mutter und erst Recht nicht dem besagten Medizinstudi aus München. Pole! Beim zweiten erwähnenswerten Fall handelt es sich um eine ältere Damen mit (kleinerem) Schlaganfall. Allerdings ist dieser hier nicht behandelbar. Das Problem mit der Verlegung ist bekannt.

Am Ende der Runde sahen wir wieder im Kreißsaal vorbei, eine Frau lag auf der Liege und war bei 5 cm Weite. Etwas später wollten wir wieder sehen, immer noch meinem Wunsch geschuldet, eine normale Geburt zu sehen. Zunächst ging es aber erst mal ins OPD, ein paar Patienten wurden behandelt, es wurde fleißig untersucht und geredet. Nach ca. zwei Stunden gingen wir wieder zum Kreißsaal. Mal wieder wie immer: Fünf Minuten vorher entbunden. Ich glaube nicht dran, dass ich noch eine normale Geburt sehen werde. Zumindest war danach erst mal Feierabend für heute.

Beim Mittagessen merkte ich plötzlich eine pustelig, rote, bei Berührung schmerzende Stelle am rechten Hals. Direkt kamen Erinnerungen an den vorherigen Abend hoch, ich wurde von irgendwas gestochen oder gebissen. Foto gemacht und angefangen zu recherchieren. Nemire kam dann letztendlich auf des Rätsels Lösung: Ich wurde von einer Spinne gebissen, und scheinbar auch von einer nicht zu kleinen. Schon etwas gruselig, also erst mal desinfiziert und mit bisschen Fenistil eingeschmiert, mehr hatte ich nicht dabei, viel mehr Möglichkeiten gibt es ohnehin hier nicht. Natürlich macht man sich dann seine Gedanken, ob es nicht doch etwas Giftiges sein könnte. Aber im Endeffekt bin ich noch am leben, erkenne auch noch keine Anzeichen, dass ich zu Spider-Man mutiere und es tut auch kaum noch weh. Dr. Evans meinte übrigens, einfach Cortison-Creme drauf, das hilft bei Spinnenbissen recht gut.

Ich versuchte auch wieder zum Strand zu Jo zu gehen, fand dort allerdings nur einen anderen jungen Mann vor, der schon mal ungefragt auf unserer Terrasse saß. Jeder der eingeladen wird, ist gerne gesehen, auch ist es hier normal, vor dem Betreten eines Hauses „Hodi?“ zu fragen, also ob man eintreten darf. Die normale Antwort ist „Karibu!“, also „Herzlich Willkommen!“, aber ein „Nein“ wird genauso akzeptiert, und das ist wichtig. Naja, dadurch, dass der junge Mann ab und an mal was raucht und was trinkt, wird der sonst seh gebildete Kerl etwas anstrengend und man kommt kaum von ihm los. Ein Anruf rettete mich aus der Situation, auch wenn auf der anderen Seite des Telefonats nur Swahili kam, egal. Und außerdem gibt es genug Menschen im Krankenhaus, die einerseits meine Handynummer für Notfälle haben, und andererseits nur Swahili sprechen. Also den guten abgewimmelt und ab zum Krankenhaus.

Im Krankenhaus ging ich alle Stationen ab, alles gut. Niemand hat angerufen, also falscher Alarm. Von wem auch immer. Allerdings traf ich auf Eli, den Elektriker. Sehr gut! In Rebeccas Zimmer ging das Licht schon nicht, mittlerweile hat Yigit das Zimmer bezogen. Immer noch ohne Licht. Eli kann sicher helfen. Außerdem wollte ich ihn schon länger mal Fragen, ob er mir etwas zur Stromversorgung des Krankenhauses erzählen kann, und das konnte er! Also machte er eine kleine Führung mit mir, und strahlte dabei wie ein Honigkuchenpferd, dass sich der Medizinstudent aus München für alles interessiert. Und dazu gehört auch die PV- und NE-Anlage. Schlussendlich konnte er noch eine neue Birne in der Lampe einbauen, das Zimmer ist jetzt wieder hell. Sehr gut, danke Eli!

Zu meinem Entsetzen musste ich allerdings feststellen, dass der o.g. junge Mann mit den anderen zweien zur Terrasse kam. Sie meinten er hätte sich selbst eingeladen, allerdings wäre er sehr schwierig. Der plötzlich einsetzende Regen machte es durchaus schwieriger, ihn vor die Tür zu setzen, Aber auch als es aufhörte und wir meinte, dass wir etwas wichtiges alleine besprechen müssten, wollte er noch etwas zu essen und eine Tasse Kaffee gebracht bekommen und einfach so lange dem Gespräch zuhören. Nur durch passiv aggressives Verhalten konnten wir noch etwas Ruhe haben. 

Nach dem Abendessen war ich mit Damas verabredet, bei Michaels Sport Bar lief das Länderspiel Tanzania – Uganda. Auch wenn ich immer noch keine Ahnung von Fußball habe, wirkte das Spiel deutlich anders als ein europäisches Profispiel. Im Endeffekte erinnerte es mich mehr an die Dienste auf der Arbeit, an der sich in der C-Klasse gegenseitig vom Platz gefoult wurde. Aber vielleicht wirkte es auch nur so. Zumindest schoss Uganda das 0-1 in der 92. Minute, dementsprechend ging das Spiel auch aus. Schade eigentlich, alle waren da und es wäre sicher schön gewesen, einen echten Torjubel zu hören. Normalerweise hört man das ganze Dorf grölen.

Zu Hause schnell ein paar Sachen vorgepackt und dann ab ins Bett. Morgen letzter Tag.

Mittwoch

Mein letzter Tag im Krankenhaus. Aufgrund unserer angekündeten durchgehenden Bereitschaft, im Krankenhaus auch nachts oder wochenends zu arbeiten, bekam ich die letzten zwei Tage frei. Zusammen gingen wir pünktlich in Richtung OPD, ich bog zuerst aber noch am Verwaltungsgebäude zu Gift ab. Im Schlepptau hatte ich noch Einweghandschuhe, die ich nicht gebraucht hatte, und gute 1,5 Liter Desinfektionsmittel. Auch konnte ich über 100 FFP2-Masken loswerden, von Rebecca war auch noch etwas Kram mit dabei. Gift bedankte sich herzlich, verabschiedete mich und ich wollte meinen Tag im Krankenhaus starten. Dummerweise musste ich nochmal zurück zum Haus und konnte so erst etwas später zu den anderen hinzustoßen, nachdem ich meine Übelkeit überwunden hatte. Ich bin mir sicher, dass diese verfluchten Reisbällchen daran schuld hatten. Aber egal.

Dieser Tag sollte von Geburten, Geburten und Geburten geprägt sein. Allerdings musste ich mich etwas zurück halten, ich musste noch einiges klären und wollte zudem noch als Mentor für die zwei Neuen da sein. Im Endeffekt ist es durchaus schwierig, sich hier als Studi, der europäische Abläufe gewohnt ist, direkt zurechtzufinden. Also habe ich die anderen etwas an die Hand genommen, aber primär mal machen lassen, und es entsprechend kommentiert und Hilfestellung gegeben. 

Im Delivery Room, zu deutsch Kreißsaal, steht mittlerweile sogar eine neue Liege, die Alte ist Gott sei dank weg. Normalerweise liegt dort vielleicht eine Patientin, aber in der Ward Round ist morgens in den meisten Fällen niemand hier. Umso erstaunter war ich, als beide Liegen belegt waren. Es wurde beschlossen, bei beiden Patientinnen eine c/s zu machen, wir sollten mit Dr. Evans entscheiden, welche die höhere Priorität hat. Nach der Entscheidung musste ich kurz ins OPD etwas klären, nach 15 Minuten konnte ich wieder zurück zur Maternity Ward. Dort angekommen traf mich fast der Schlag: Ich war 15 Minuten weg. Ich versuche seit über drei Wochen eine Spontangeburt zu sehen. Komme zurück, und auf der ersten Liege liegt eine Patientin, Säugling zwischen den Beinen, frisch abgenabelt und die Nabelschnur sogar noch im Geburtskanal. Also knapp verpasst. Schon wieder. Auf der anderen Liege lag auch eine Patientin, nur die OP-Transfer-Liege war weg. Irgendwas war faul im Busch und so lief ich zum Major Theatre und sah dort auch direkt eine weitere Patientin auf dem Tisch liegen. Vorbereitet für den Kaiserschnitt. Dr. Evans lieferte dann die passende Erklärung: Im selben Moment, in dem die Patientin in den OP gebracht wurde, kam eine andere Patientin mit Fruchtwasserabgang auf dem Picky-Picky in die Klinik, direkt in den Kreißsaal und quasi sofort entbunden. Verrückt. Faraja, eine der Mädels von der Anästhesie, bat mich noch beim Legen eines Zugangs zu Unterstützen. Nemire assistierte Dr. Evans und Yigit sollte sich ums Kind kümmern. Als nur MInuten später ein sehr schlaffes Kind zur Welt kam – Keta sei dank – wurde es von dreien Versorgt. Einem Pfleger, Yigit und mir. Dummerweise fehlte wichtiges Material, es musste noch an anderer Stelle schnell besorgt werden, konnte aber durch die flinken Flip-Flop-bespannten Füße des Pflegers schnell aufgetrieben werden. Man merkte richtig,  welch riesiger Stein Yigit vom Herzen viel, als das Kind endlich zu schreien begann. Das war wohl die Feuertaufe für unsere zwei Neuen. Beim ersten Mal ist das wirklich erschreckend. Die dritte Frau müsste übrigens spontan entbunden haben. Natürlich ohne mich.

Da es keine Patienten im OPD gab, folgte auch nicht Dr. Evans, zumindest unter Studis, berühmter Satz „Time to escape!“, welcher immer den Feierabend einläutet. Es wurden noch ein paar Bilder gemacht und dann ging’s nach Hause zum packen und Kram planen. 

Eigentlich wollte ich nochmal zu Jo an den Strand, allerdings regnete es und ich erreichte Jo auch nicht mehr. Vermutlich ist er noch in Songea, hat mal wieder sein Ladekabel vergessen oder sonst irgendetwas. Ich hätte ihn gerne noch verabschiedet, aber man kann nicht alles haben. Dann war mein letzter Besuch am Strand eben gestern, ist vielleicht auch gut, ansonsten kommt zu viel Melancholie auf. 

Wer allerdings besucht werden musste, war unsere liebe Nonne Sister Ethy. Am Sister‘s House öffnete sie uns, lud uns ein hereinzukommen und wir wurden auch wieder direkt kulinarisch versorgt. Sehr schön fand ich, dass sie später nochmal erwähnte, dass es kein Problem ist, dass Nemire am fasten ist, und nichts gegessen oder getrunken hat. Es wurden mal wieder ein paar Fotos gemacht, sich herzlich verabschiedet und am Ende gab es sogar einen Korb voll Essen mit nach Hause – einerseits für Nemire nach Sonnenuntergang, andererseits für mich am morgigen Reisetag. 

Zum Abend hatte ich bei Monika Chapati und Tomatensoße bestellt, und sogar bekommen! Ich freute mich sehr über das Abendessen, Davis hat bei seiner Übersetzung wohl genau das richtige gesagt. Danke Davis! Nach dem Essen liefen wir nochmal in den Ort um ein paar Dinge zu kaufen, unter anderem Wasser, Früchte und ich besorgte noch eine Rolle Klopapier für die Reise. Nach den letzten Erfahrungen und meiner Bauchsituation möchte ich da lieber auf Nummer Sicher gehen.

Leider konnte ich im Ort weder Dr. Evans noch Damas finden. Beiden wollte ich noch persönlich auf Wiedersehen sagen. Anrufe blieben unbeantwortet, WhatsApp und SMS ebenso. Als ich Palina am Gate bat mir zu zeigen, wo Damas wohnt, und wir auch da vor verschlossener Tür und dunklen Fenstern standen, gingen wir etwas ratlos zurück. Ein Krankenschwester klärte uns auf, dass beide aktuell im OP seien. Wer errät was sie gemacht haben? Genau! Nen Kaiserschnitt. Ich sagte ihnen, sie sollen sich einfach mal melden wenn sie fertig sind. In der Zwischenzeit konnte ich noch etwas packen, Wäsche sortieren, Packlisten kontrollieren und so weiter. Schneller als erwartet rief dann Dr. Evans an, wir trafen uns gemeinsam am Gate und redeten noch lange über alles Mögliche und sagten uns anschließend Auf Wiedersehen. Schade, die Jungs waren echt cool. Aber man sieht sich immer zweimal im Leben. Wenn ich nicht noch ne Stunde telefoniert hätte, dann hätte ich auch früher fertig packen können, und wäre vor 12 im Bett gewesen. Wecker für halb 4, da bleibt nicht mehr viel Zeit. Also ein letztes mal „lala salama“ im Liuli.

Liuli, mach’s gut!

Für die Reise heute wird es einen extra Eintrag geben, es sind jetzt schon ein paar witzige Dinge passiert, also freut euch auf einen mehr oder minder witzigen Eintrag von Noah und Freunden!

Krankenhaus die dritte

Doctor‘s House, Liuli, TZA // 09:30 Ortszeit

Ich versuche jetzt mal die letzte Woche halbwegs geordnet runterzuschreiben, könnte lang und durcheinander werden. Aber der/die geneigte Leser:in sollte es ja gewöhnt sein. Also beginnen wir am

Montag

Dieser Morgen sollte, wie an jedem Montag und Freitag, mit einer Besprechung um acht Uhr starten. Das Wissen, über die Pünkltichkeit in dieser Region, lies uns erst um 20 nach acht aufbrechen, bei unserer Ankunft waren wir immer noch unter den ersten. Nach dem Nachtreport (auf Englisch) wurde die Besprechung in Swahili fortgesetzt. Manche Brocken sind ja mittlerweile doch zu verstehen, es ging wohl auch um die Notwendigkeit, Medikamente der dritten oder vierten Wahl zu geben, da diese teilweise deutlich günstiger sind als die Medikamente der ersten Wahl. Allerdings gibt es Patient:innen, die sich weder die Beitrage der Krankenversicherung (laut Dr. Evans um die 100.000 TSH ≈ 39,80€ jährlich), noch die teuren Medikamente leisten können. Bevor nichts gegeben wird, lieber günstig und nicht ganz so gut, aber besser als nichts. Klingt doof, ist es auch, aber hier mal wieder ohne echte Alternative. Zudem wurde noch über ein Angebot von Interplast aus Deutschland diskutiert. Interplast ist ein gemeinnütziger Verein, der kostenlos plastische Operationen in Entwicklungsländern durchführt. Ich hoffe, dass alles mit der Organisation klappt, es wäre eine echt gute Sache, wenn diese Organisation mal zwei Wochen hier tätig werden könnte. Ansonsten verlief die Morgenbesprechung wie immer, am Anfang und am Ende wurde gebetet, es wurde teilweise echt laut, irgendwo lief Fußball…

Da Dr. Evans noch nicht zurück war, machte sich Dr. Mathews mit Rebecca und mir auf den Weg zur Runde. Hier ist vor allem eine Patientin aufgefallen. Was jetzt kommt, ist in Deutschland absolut undenkbar, hier aber aufgrund der Infrastruktur nicht anders machbar. Im Bett lag eine Patientin mit immer wiederkehrenden Krampfanfällen. Beim Betreten des Zimmers mussten wir die Patientin mal wieder medikamentös aus ihrem Krampf „rausholen“. Glücklicherweise waren die Schutzreflexe noch vorhanden, so musste keine Schutzintubation stattfinden. Normalerweise wäre das Vorgehen, diese Patientin möglichst schnell in einen Computertomographen (aka. „Röhre“) zu schieben, um zu sehen, ob die Patientin nicht vielleicht doch eine Hirnblutung hätte. Ein Krampfanfall ist nie eine Diagnose, immer nur ein Symptom, ein Hinweis auf eine Erkrankung. Jetzt gibt es hier diverse Probleme: Einerseits gibt es hier kein CT, andererseits kann man hier nicht mal einfach den Rettungsdienst bestellen, der die Patientin einlädt und verlegt. Gibts hier nicht. Das nächste Problem ist das Geld: Patientin nicht versichert, also muss erst das Geld für die Verlegung und die anschließende Diagnostik und Behandlung zusammengekratzt werden. Das nächste Krankenhaus mit CT wäre das „Ikonda Hospital“ in Njombe. Wenn ich einem bekannten Kartendienst glauben will, dann wären das 513 km und ca. 8 Stunden und 35 Minuten reine Fahrtzeit. Wenn man mit dem Auto fahren würde. Oder dem Rettungsdienst. Aber da beides kaum zu realisieren ist, wird eine ganze Bank, meistens die Rückbank, im Bus gebucht, dort kann sich die Patientin dann hinlegen und ein:e Angehörige:r begleitet. Die Reise mit dem Bus bedarf allerdings einer Übernachtung in Songea. Bis dahin ist die Sache mit dem Geld natürlich noch nicht geklärt, allein die CT-Untersuchung wird vermutlich 300.000 TSH (also gute 120 €) kosten. Glücklicherweise konnte sich die Familie alles leisten, und so konnte Dr. Mathews noch am gleichen Tag alles für die Verlegung fertig machen. Wer jetzt allerdings denkt, dass nur diese Region so abgehängt ist, der irrt. Die Dichte an Computertomographen ist unglaublich gering in diesem Teil der Welt.

Ansonsten gab es noch einen Patienten, der mit einer proximalen Humerusschaftfraktur (also Bruch des Oberarms, weit oben) kam. Normalerweise würde man hier einfach ein Gilchrist anwenden. Das ist eine spezielle Bandage für genau sowas, kann auch nach kurzer Zeit schon wieder bewegt und beübt werden. Aber kein Gilchrist da, auch keine der Alternativen, also doch ne Gipsschiene. Macht man eigentlich nicht mehr, aber mal wieder der Mangel an Allem und vor allem an Alternativen. Übrigens kam dieser Patient mit dem Motorradtaxi „Picky-Picky“.

Der Rest des Krankenhaustages verlief wie immer, ein wenig Station hier, etwas OPD da, nur kein Kaiserschnitt. Ansonsten alles wie immer.

Um 15:00 Uhr waren wir mit Gift, dem Hospital Secretary, verabredet. Das Krankenhaus möchte uns etwas für unsere Arbeit zurückgeben, wir wurden zu ihm ins Büro bestellt und waren auch wenige Minuten später schon unterwegs zum Stoffhändler in den Ort. Hier durften sich Rebecca und ich jeweils einen Stoff aussuchen, mit dem Stoff wurde dann direkt nebenan zum Tailor gegangen. Ich freute mich etwas, sagte auch zu Rebecca, es gäbe nur einen Taylor. Auf etwas verdutzte Blicke hakte ich mit „Na Corey Taylor!!“ nach. Ein vernichtendes „Kenn ich nich“ kam zurück. Schade schade. Aber egal. Man hörte schon direkt die Nähmaschinen der Firma Singer, wenn ich es richtig ergoogelt habe, ca. 130 Jahre alt, aber immer noch fleißig am Nähen. Der Chef-Schneider nahm unsere Maße, notierte sich diese in waschechter Künstler- (oder Geheim-??) Handschrift und wir durften uns entsprechend etwas wünschen. Seeeehr spannend was dabei rauskommt. Soviel vorweg: Leider hatte der Stoffhändler keinen komplett schwarzen Stoff, dementsprechend wurde für mich der erste Stoff ausgesucht, den ich mehr oder minder zufällig in der Hand hatte. Wieso ich diesen Stoff in die Hand genommen hatte, erklärt wohl das folgende Bild:

Den restlichen Abend verbrachte ich zunächst mal alleine, Rebecca wurde von Kopfschmerzen geplagt und verabschiedete sich früh ins Bett. Im Laufe des Abends kam noch ein Watch-Man vorbei, dieser erzählte mir, dass es ihm aktuell nicht so besonders gut gehen würde. Fieber hätte er auch. Irgendwann entschloss ich mich dann doch, mit ihm ins Krankenhaus zu gehen. Ich rief Damas an und wir trafen uns wenige Minuten später dort. Im Labor konnte glücklicherweise eine Malaria ausgeschlossen werden, besonders bei schwerer Malaria wäre es wichtig gewesen, direkt mit intravenösen Medikamenten zu starten. Der Widal-Test deutete allerdings auf Typhus hin. Nichts seltenes hier, er bekam direkt 1g Ceftriaxon (ein Antibiotikum) intravenös und Ciprofloxazin (ein anderes Antibiotikum) rezeptiert. Die Gabe des Ceftriaxon war mal wieder total anders als gewohnt: Es wurde mit einem Stück Gummiband gestaut, aus Mangel an Desinfektionsmitteln wurde die Vene direkt punktiert und das Medikament einfach langsam „aus der Hand“ gespritzt. Sehr ungewöhnlich, eigentlich sollte eine Kurzinfusion mit Zugang und allem drum und dran genutzt werden. Aber der Mangel an Material… Naja, zumindest ging er zurück zu seinem Wachposten direkt vor dem Doctor‘s House, nach Hause wollte er nicht. Ich sagte ihm, dass er sich jederzeit melden könnte wenn‘s was gäbe, und verabschiedete mich auch ins Bett.

Dienstag

Der Dienstag begann etwas später, um 20 nach 9 waren wir im OPD mit Damas. Glücklicherweise war Rebecca wieder hergestellt! Im Endeffekt war nicht so viel Spannendes dabei, außer einer (seit langem) versorgungsbedürftigen Wunde und einem fünfzehnjährigen schwangeren Mädchen (wieder der Mangel an allem, hier an Verhütungsmitteln) gab es hier nichts Besonderes oder Erwähnenswertes. Außerdem möchte ich euch nicht mit zu viel Text quälen. Die Runde mit Dr. Matthews konnte erst um kurz vor zwölf begonnen werden. Leider sahen wir außer einem septischen Baby wieder unsere Patientin mit den Krampfanfällen von gestern. Die Familie konnte das Geld gestern nicht früh genug besorgen, also kann die Verlegung erst morgen früh stattfinden. Traurig aber wahr. Ansonsten waren wir an diesem Dienstag sehr lange im Krankenhaus, aber so ist das eben manchmal.

Der Abend sollte eher entspannt werden. Außer Sonnenuntergang am Strand sehen war nix geplant. Rebecca wollte noch schwimmen gehen, ich noch Blog schreiben und so entschieden wir uns, zu Jo in die Bar zu laufen. Dort angekommen trafen wir ein paar andere Jungs. Dort sitzen häufiger mal unbekannte Gesichter, doch diese drei Männer schienen echt ganz witzig zu sein. Vor allem einer: Sitzt da, Rasta, Oberkörperfrei, Basecap, Sonnenbrille. Schaut eigentlich zehn Minuten nur geradeaus, irgendwann dreht er langsam den Kopf, schaut mich an und sagt in leichtem Slang: „Heeey maaaaaaaaan“. Der erste Gedanke war: „Uff, was ist das denn fürn komischer Typ, vielleicht bisschen zu viel geraucht oder was?“. Aber der Gedanke sollte sich als komplett falsch rausstellen. Ich fing an, mich mit ihm zu unterhalten, als er mich dann auf Deutsch begrüßte, war ich zunächst etwas verdutzt. Wir kamen ins Gespräch, er erzählte mir, dass sein Name Richard ist, er mal über zehn Jahre lang Guide für den Kilimanjaro und Safaris war, stammt aus Moshi. Mittlerweile hat er schon in London, Indonesien und Osaka gewohnt und lebt aktuell in Adelaide. Die anderen zwei Jungs stellten sich übrigens als seine Brüder raus, alle sind aktuell zu Besuch, um hier ihre Oma zu sehen. Coole Sache. So kamen wir über ein paar Bier ins Gespräch und machten für den nächsten Tag einen gemeinsamen Bootstrip aus. Gott sei Dank wollte Rebecca zu Jo laufen… Nach einigen Stunden verabschiedeten wir uns dann nach Hause ins Bett und freuten uns auf den nächsten Tag.

Mittwoch

Der Mittwochmorgen begann wieder in gewohnter Weise. Zunächst machten wir uns auf den Weg zur Ward-Round mit Dr. Evans. Hier hab es eigentlich nichts besonderes zu verzeichnen, nur eine Patientin, die auf dem Weg zum OP auf der Transferliege entbunden hat. Scheinbar hatte der Kleine doch keine Lust auf nen Kaiserschnitt und entschloss sich, den natürlich vorgegeben Weg zu nehmen. Kind gut, Mutter gut, alle zufrieden, alles bestens.

Auch im OPD war an diesem Tag nichts besonderes zu melden. Die alltäglichen Probleme wie Malaria, Typhus, Harnwegsinfekte und Bluthochdruck standen wieder auf dem Plan. Auch stellten sich einige Patientinnen und Patienten mit Kopfschmerzen und unkomplizierten Atemwegsinfekten (also Schnupfen) vor. Normalerweise keine große Sache, teilweise wird aber auf tendenziell unkonventionelle Therapien bestanden. Naja, wir können zwar etwas dazu sagen, aber wohl kaum ändern. Zu der Sache mit dem Bluthochdruck: Nach unserer Frage, ob man die Patientin nicht mal in einer kardiologischen Praxis vorstellen könnte, zog Dr. Evans seine Stirn in solche Falten, dass sie es mit jedem Waschbrett hätte aufnehmen können. Eine Kardiologie ist hier wohl sowas wie ein absoluter Super-Spezialist, mit Glück sind ein paar Praxen in Dar Es Salaam zu finden, aber im Inland, und vor allem in dieser Region, natürlich gar nicht. Soviel zu der Versorgungsstruktur hier.

Im Laufe des Vormittags wurden wir dann noch zu einem Notfall auf der Frauenstation gerufen. Hier wurde ein sechszehnjähriges Mädchen mit inkomplettem Abort vorstellig. Ob es wirklich so war oder nicht, war kaum rauszubekommen, allerdings meinte Dr. Evans, dass es tatsächlich recht häufig ist, dass der Abort selbst herbeigeführt wird und auch ebenso häufig schief geht. Eine wirklich schlimme Sache für die jungen Frauen. Physisch und vor allem psychisch unglaublich belastend, von den gesellschaftlichen Kosequenzen gar nicht zu sprechen. Kann man nicht anders sagen. Naja, zumindest musst dem Abort im Minor Theater nachgeholfen werden, auch das ist wieder alles andere als angenehm gewesen. Psychisch richtig scheiße, physisch schmerzhaft. Wirklich großer Mist, allerdings sind wir froh, dass sie damit ins Krankenhaus kam und nicht irgendwo an einer Sepsis verstorben ist. Egal wie man‘s dreht und wendet, man kann nichts daran schönreden.

An diesem Nachmittag stand unsere Bootstour mit Jo und den Jungs aus Moshi an. 20.000 TSH (ca. 8 €) kostete uns der Spaß, war aber das Geld allemal wert. Schon beim an Bord steigen sagte ich zu Rebecca, dass ich sowohl die Krängung als auch die Menge an Bilgewasser etwas bedenklich fand. Auch wurde der Außenbordmotor nicht – wie der Name schon sagt – außenbords ins Wasser gelassen, er wurde durch ein Loch im achternen Teil des Schiffsrumpf geschoben. Meiner Meinung nach, sollte da kein Loch sein, es sah auch nicht so aus, als ob es da vorgesehen wäre. Aber wir sind nicht gesunken und das Bilgewasser stieg auch nicht mehr als ohnehin erwartet. Nach dem Ablegen umrundeten wir erst eine kleine Insel, direkt vor unserer Bucht, etwas nördlich gelegen. Aufgrund des morgendlichen Regens war ein Besuch der Insel nicht möglich, die Anlegestelle war zu schlammig. Nach der Umrundung ging es weiter zu den Pomonda-Stones. Das sind die großen Felsen, die man auf mehreren meiner Bilder kurz vor dem Strand sieht. Dort konnten wir mit unserer zusammengeschusterten, etwas größeren Nussschale, auch anlegen, gingen auf die Felsen, Jo zeigte uns die sichersten Wege und so stiegen wir kreuz und quer über ebendiese. Am Ende wurden wir mit einem wunderschönen Sonnenuntergang belohnt und machten uns ab zurück an Land. Übrigens kam ich wieder mit Richard und co ins Gespräch. Sie fragten mich, wann ich Liuli verlassen würde und auf meine Antwort „Ende nächster Woche“ bot man mir an, mich mit dem Auto mit bis Arusha oder Moshi zu nehmen. Ein wahnsinns Angebot, so bleiben mir drei Tage Bus erspart, in denen ich eingepfercht in einem mehr oder minder vertrauenswürdigen Gefährt sitze, mein Leben in den Händen (und Füßen) eines Busfahrers, der vorher als „The Transporter“ unterwegs war. Außerdem wird quasi keine Pause für normale menschliche Bedürnisse eingelegt, selbst wenn, dann hat man in der Regel 3 bis 5 Minuten bis der Bus hupend einfach weiterrast. Also ist die Sache mit dem Auto deutlich angenehmer. Danke Jungs! Übrigens hat mir das Krankenhaus die letzten zwei Tage frei gegeben. Im Endeffekt stehen wir ja theoretisch Tag und Nacht zur Verfügung, tatsächlich war ich ja auch zwei mal Nachts im Krankenhaus. Danke dafür!

Übrigens war ich an diesem Abend wieder im Krankenhaus: Zum telefonieren laufe ich immer vor das Tor des Krankenhauses, dort ist der Empfang etwas besser und es gibt eine Sitzgelegenheit. Kurz bevor mein Gespräch beendet war, kam Damas vorbei und meinte, er wurde von geburtshilflichen Station angerufen. Ich entschloss mich kurzerhand ihn zu begleiten und so standen wir wenige Minuten später am Kreißbett einer (gar nicht mal so alt wirkenden) Patientin. Die Untersuchung ergab eine intakte Fruchtblase und 3 cm Öffnung, sollte es weitergehen, sollten sich die Pflegekräfte wieder melden. Aufgrund der häufigen vorausgegangenen Schwangerschaften (Gravida 6, Para 5) stand hier wieder das Schreckgespenst „Uterusruptur“ im Raum. Aber noch war alles gut und wir konnten den Heimweg antreten. Auch hier wurde meine Hoffnung, noch eine normale Spontangeburt zu sehen etwas zu Nichte gemacht. Aber egal, solange es Mutter und Kind gut geht, bin ich zufrieden. Nachdem ich Rebecca mitteilte, dass es wohl keine Spontangeburt sein wird, verabschiedeten wir uns beide in die Koje.

Donnerstag

Normalerweise sollte Donnerstags Morgens ein Gottesdienst im Krankenhaus stattfinden. Wir wurden schon mehrfach gefragt und dachten uns, dass wir einerseits nicht immer nein sagen könnten, und dass es andererseits auch sicher ne spannende Erfahrung ist. Nachdem wir mehrere Aussagen bezüglich der Uhrzeit, von 7 oder 8, bzw. 1 oder 2 in tansanischer Zeit, gehört hatten, fanden wir uns um 8 Uhr am designierten Platz zwischen Röntgen, Frauen- und Kinderstation ein. Dummerweise als Einzige. Mal wieder. Wie schon zwei Wochen zuvor. Schade. Also zurück zum Haus und noch schnell ne Tasse Kaffee rein.

Pünktlich ging‘s dann zum OPD, dort treffen wir uns wie jeden morgen mit Dr. Evans zum Beginnen der Runde. Nach wenigen Minuten sagte er, dass er kurz nach Hause müsste, ein paar wenige, aber wichtige, Dokumente abholen. In fünf Minuten gehts weiter. Naja, aus fünf wurden dann ca. 90, außer warten, und die Hühner und Hähne zu beobachten, die im Krankenhaus umher rennen, blieb uns kaum etwas übrig.

Als Dr. Evans dann zurückkehrte ging es direkt weiter zur Runde. Auch hier wieder nichts besonderes zu verzeichnen. Lediglich die Patientin, welche ich schon nachts zuvor sah, klagte über Bauchschmerzen. Dr. Evans war die ganze Nummer zu heiß, also wurde – wir ahnten es schon – die Patientin für einen Kaiserschnitt vorbereitet. Bei der Assistenz lies ich Rebecca den Vortritt, ich habe nächste Woche vielleicht nochmal die Chance zu assistieren, außerdem kann ich aufgrund meiner Augen eh nix mit chirurgischen Fächern anfangen, und fühle mich bei der Versorgung des Neugeborenen einfach sicherer bzw. wohler. Zugegebenermaßen kam dieses Kind wirklich sehr schlecht auf die Welt. Das bekannte Problem mit dem Ketamin machte der Kleinen wirklich zu schaffen und so konnte nur mit Absaugen, Stimulieren, Beatmen, wieder Absaugen usw. die notwendige Starthilfe gegeben werden. Gefühlt dauerte alles Ewigkeiten. Aber direkt: Das Kind ist aktuell wohlauf! Hier wird nach der Erstversorgung mit dem Kind in den Kreißsaal gelaufen. Dort wird es dann gemessen, gewogen, untersucht und in entsprechend bunte Tücher zu einem schönen Burrito verpackt. Nach der Versorgung des Kindes wollte ich dann wieder zurück zum OP, dort fiel auch direkt der Strom aus. Komischerweise immer dann, wenn Rebecca mit am Tisch steht. Aber die Sache mit der Korrelation und der Kausalität, ihr wisst Bescheid… Also nähen in einer Patientin, nur mit Licht aus den Seitenfenstern, das ist schwierig. Rebecca bot Dr. Evans direkt meine Kopflampe an, der stimmte nickend zu und ich musste meine Füße in die Hand nehmen und nach Hause sprinten. Problem: Regenzeit. Und natürlich hat es genau dann angefangen. Wie aus Kübeln. Aber egal, Licht ist wichtiger. Also nach Hause gesprintet, mit Regenjacke und Lampe wieder zurückgesprintet und triefend nass die Lampe am OP abgegeben. Glücklicherweise war Eli schneller. Eli ist der Elektriker und wohl schnellste Mann in Liuli. Powercut? Eli anrufen! Der sprintet dann zum Generator, wirft diesen an und dann gibts auch wieder Licht und Sauerstoff im OP. Aber es ist eben abhängig davon, wie weit Eli gerade weg ist. Also lieber einmal zu viel im strömenden Regen nach Hause rennen. Unglücklicherweise verlor unsere Patientin wirklich viel Blut und es war unserem OP-Team nur schwer möglich, die Blutungen zu stoppen. Wieder das Problem mit der fehlenden Absauge und dem fehlenden Elektrokauter. Trotz eines zeitweise Blutdrucks von 60/40 überlebte unsere Patientin und ist mittlerweile auch wieder fit. Übrigens hat sie nach der OP ein EK bekommen. EK steht für Erythrozytenkonzentrat oder einfach „Blutkonserve“. Ja, sowas gibts hier tatsächlich, allerdings ist das System ein anderes als bei uns: Damit ein:e Patient:in ein EK bekommen kann, muss ein Angehöriger einmal Blut spenden. Bei zwei EK, zwei Spenden. Und so weiter. Keine Angehörigen oder niemand der für einen spendet? Keine Transfusion.

Nach dem späten Mittagessen ruhten wir uns erst einmal etwas aus, am Abend wollten wir in den Ort um ne Runde Billard zu spielen. Irgendwann fanden sich noch Damas, Jo und die Jungs aus Moshi ein, und so hatten wir eine echt lustige kleine Runde. Unser Abendessen gabs zwar erst um 11, aber egal. Essen, Zähne putzen, Bett. Morgen ist ja Frühbesprechung.

An dieser Stelle noch ein kleines Bild, welches ich in einer Werkstatt im Laufe des Tages gemacht hab. Man beachte die Steckerleiste…

Freitag

Morgenbesprechung um 8 Uhr. Also um halb 9. Nachtreport in Englisch, Rest auf Swahili. Also alles wie immer. Rebecca wurde noch verabschiedet und am Ende ein paar Bilder gemacht. Soweit so gut.

Auch im OPD gab es keine Überraschungen, alles wie immer.

Auf unserer Runde fielen zwei Patientinnen auf: Zum einen die Patientin vom Vortag, der geäußerte Verdacht von freier Flüssigkeit im Bauch, welche auf eine Blutung hinweisen könnte, wurde glücklicherweise im Ultraschall ausgeschlossen. Also alles gut. Als zweites fiel uns eine 20-jährige Patientin auf, welche kurz vor der Spontangeburt stand. Rebecca und ich freuten uns, so bekam wir doch noch die Chance, den natürlich vorgesehen Prozess zu sehen. Dass es nicht so kommen würde, war uns noch nicht klar. Und nein, es wurde kein Kaiserschnitt gemacht. Noch vor Ende der Runde rief uns Gift an, wir müssten „jetzt, sofort“ in den Ort zum Tailor laufen. Dr. Evans schickte uns unverzüglich los, und so liefen wir in Kasak quer durch den Ort zum Schneider. Unsere neuen Klamotten waren fertig! Meine Sachen passten direkt, lediglich Rebeccas Rock war noch zu weit und wurde auch direkt angepasst. Auf halbem Weg zurück wurde uns die Regenzeit mal wieder zum Verhängnis. Auf einen Schlag fing es an zu Regnen wie aus Eimern, 15 m später waren wir schon nass bis auf die Unterwäsche, auch das Unterstellen unter der vorhandenen Vegetation war kaum mildernd. Da der Stoff, aus dem unsere neuen Kleider gefertigt waren, wohl sehr stark abfärben würden, mussten wir diese unter dem Kasak verstecken. Viel brachte es leider nicht, im Endeffekt war doch alles nass. Da wir so natürlich nicht zurück zum Dienst gehen konnte, liefen wie die paar hundert Meter weiter zum Doctor‘s House, um uns erstmal wieder auf trockenen Kiel zu legen. Fertig getrocknet, frisch umgezogen und mit der Frisur eines nassen Pudels ging es dann auch direkt zurück zum Krankenhaus. Dr. Evans war dort mit Damas im OPD beschäftigt, spannende Fälle gab es leider kaum, so endete unser, und vor allem Rebeccas letzter, Dienst, nicht lange nachdem wir wieder zurückkehrten.

Nach unserem Mittagessen sah Rebeccas Plan vor, zuerst nach der Patientin, welche kurz vor der Spontangeburt stand, zu sehen, danach kurz bei Sister Ethy Tschüss zu sagen und noch ein paar Dinge im Ort einzukaufen. Soweit so gut.

Unserer Patientin war mittlerweile bei 8 cm, Dr. Evans, welchen wir auf dem Weg trafen, meinte, wir sollten in ner halben, spätestens einer Stunde, wieder nach ihr sehen. Wir mussten kurz überlegen, ob es am sinnvollsten ist, zuerst einzukaufen oder zuerst nach unserer freundlichen Nonne zu sehen. Da wir nicht vollgepackt dort aufschlagen wollten, ging es zuerst zum Sisters House. Rebecca meinte schon am Tor zu mir, dass wir uns auf gar keinen Fall dazu überreden lassen sollten, noch reinzukommen, Tee zu trinken, oder uns im schlimmsten Falle sogar bekochen zu lassen. Der Plan hielt auch genau bis zu dem Zeitpunkt, an dem uns Sister Ethy – und nicht wie üblich Sister Bibi – die Tür öffnete, Rebecca freundlichst anstrahlte und uns mit einem „Karibu sana“ (also „Herzlich willkommen“) ins Gästezimmer verfrachtete. Natürlich konnte sie nicht nein sagen, sondern antwortete „Asante sana“ (also „Vielen Dank!“). Rebecca biss sich schon sprichwörtlich in den Arsch und das kurz folgende Geräusch des Handrührgeräts bestätigte unsere Vermutung, dass wir den Karren ordentlich festgefahren hatten. Die Minuten liefen ins Land, und trotz des Runterschlingens des wirklich leckeren Omelettes, sechs Kartoffeln und zwei Bananen, sowie das Hinunterschütten des kochend heißen Tees, konnte das unaufhaltbare Weiten des Muttermundes, und dem entsprechend gekoppelten Geburtsprozess, nur wenige Meter neben uns, kaum Einhalt geboten werden. Also alles schnell schnell, Nummern ausgetauscht, Bilder gemacht, drei mal „Auf Wiedersehen“ gesagt und direkt ins Krankenhaus gerannt. Es kam wie es kommen musste: Fünf Minuten vorher entbunden, Kind wohlauf, Mutter schon auf den Beinen und eine leicht geknickte Rebecca neben dem Säugling. Schade, aber jetzt können wir immerhin entspannt einkaufen.

Es wurde mal wieder Material für ne Guacamole und Chapati gekauft. Einerseits fürs Abendessen, andererseits als Proviant für Rebecca morgen. Alles recht unkompliziert. Die geliebte Ananas wurde an diesem Abend ein letztes mal gemeinsam am Strand vertilgt, zu Hause ging es dann ans Vorbereiten der Guacamole, danach wurde diese natürlich auch direkt gemeinsam, zumindest teilweise, zum Abendessen gereicht. Rebecca packte noch etwas und um halb 10 liefen wir noch einmal in den Ort, um vielleicht ein paar Leute zu treffen, und was zu trinken. Aber: Ort leer. Bordsteine hochgeklappt, alles dicht. Seeeehr ungewöhnlich, vor allem für einen Freitagabend. Aber egal, früh ins Bett zu gehen kann ja auch nix schaden.

Samstag

Ich bin mit Rebecca um 5 aufgestanden um sie zum Bus zu bringen. Alleine im Dunkeln mit zwei Rucksäcken ist schon doof, andererseits wäre ich vermutlich sowieso wach geworden. Also liefen wir um halb 6 in Richtung Ort, dort sollte der Bus um 6 abfahren. Dort angekommen waren wir natürlich die ersten, auch um 6 waren noch nicht so viele Menschen da. Der Bus kam dann um halb 7 und Rebecca stieg zusammen mit Jo in den rasenden Ritter. Nach ziehen an der Presslufthupe, prügelte der Fahrer den Gang ins Getriebe, und schoss auch schon los. Gute Reise!

Ich machte mich zurück nach Hause, frühstückte und wollte eigentlich noch lesen. Als ich zum dritten Mal über meinem Friesenkrimi einschlief, beschloss ich, dass das Bett doch die bessere Option wäre. Also wieder ab ins Bett und tatsächlich bis knapp 14 Uhr durchgepennt.

Nach dem Aufstehen konnte ich mein Mittagessen einnehmen. Monika machte mir „Chipsy Majaj“ und Typhussalat. Keine Ahnung, ob man das so schreibt, egal. Im Endeffekt sind das quasi Pommes in ein Omelette eingebacken. Sehr lecker! Danach machte ich außer ruhen, lesen und Blog schreiben bis zum Sonnenuntergang nix.

Zum Abendessen gab‘s dann mal wieder was neues: Es war kein Pfannkuchen. Aber auch kein Omelette. Irgendwie war es die fettige Variante irgendwo dazwischen. In Kombination mit Monikas Tomatensoße war es wirklich sehr sehr lecker!

Eigentlich wollte ich wieder früh schlafen, allerdings meldete sich Richard wieder, ob ich nicht in den Ort kommen wollte mit ihnen bisschen schnacken und Bier trinken. Fußbus bestiegen und zu den Jungs. Viel geredet, viel gelacht, nochmal Details bezüglich unserer Fahrt Ende nächster Woche besprochen und um 11 dann auch wieder nach Hause ins Bett.

Sonntag

Heute hab ich nicht viel gemacht. Außer sortieren, die ersten Dinge packen und natürlich Blog schreiben war nicht viel drin. Ich lade jetzt noch Bilder hoch und dann kann der Eintrag hoffentlich heute Abend hochgeladen werden. An alle, die bis hierhin durchgehalten haben: Herzlichen Glückwunsch, ihr habt 4.219 Wörter bzw. 27.089 Zeichen meiner wirren Gedanken gelesen. Danke für‘s durchhalten!

Ich lade jetzt Bilder hoch, werden allerdings nicht so viele. Sorry für viel Text und wenig Bilder. Gleich kommen auch noch zwei andere Studis mit dem Bus. Also irgendwann zwischen 13 Uhr und 17 Uhr sollte der Bus da sein. So genau weiß man das nie… Mittlerweile ist es fast 14 Uhr und es noch niemand da…

Bis die Tage!

Krankenhaus die zweite

Doctor‘s House, Liuli, TZA // 14:00 Ortszeit

Zunächst mal sorry, dass ich mich die ganze Woche nicht gemeldet habe. Wir waren viel unterwegs und hatten im Krankenhaus viel zu tun. Allerdings habe ich dafür viele Bilder gemacht, die Bilder des letzten Eintrags sind mittlerweile nachgereicht. Zudem sind alle Bilder anzuklicken – mir war leider nicht bewusst, dass das vorher nicht ging! Also gerne nochmal die Bilder durchsehen. Und jetzt viel Spaß beim Lesen!

Aktuell schüttet es übrigens mal wieder wie aus Kübeln… Mal sehen ob die Abschiedsparty von Jonas und Luca heute Abend steigen kann…

Dienstag

Auch an diesem Tag war das Krankenhaus gefühlt verlassen. Mal wieder befanden sich kaum Patienten auf den Stationen. Die einzige Station, auf der es wirklich Patientinnen gab, war die Maternity-Ward. Die meisten Patientinnen hatten vor kurzem – wie hier so häufig – per cesarian section (also Kaiserschnitt) entbunden. Die unglaubliche Häufigkeit habe ich ja bereits erwähnt. Allerdings muss man nochmal erwähnen, dass viele Geburten zu Hause stattfinden, dementsprechend „haben alle was“ die hier herkommen. Bei einer Patientin war am Vortag noch eine Spontangeburt geplant. Vor allem meine zwei Berliner Mitfamulanten wollten gerne bei dieser Geburt teilhaben – einer der Jungs hatte noch nie eine gesehen. Also wurden Telefonnummern dagelassen, Dr. Evans wurde instruiert und er wiederum instruierte das diensthabende Personal, uns doch bitte bitte anzurufen, sollte die Geburt starten. Immerhin lag unsere Patientin schon im Kreißbett. Alles schön und gut, allerdings hatte die Frau am nächsten morgen ihr Kind im Arm. Es kam zur Welt, der/die aufmerksame Leser:in wird sich schon denken können was passiert ist: Die Geburt hätte „zu lange gedauert“, also Frau in Narkose, Bauch auf, Kind raus, Bauch zu. Wieder mal die Angst vor Geburtskomplikationen bei zu langem Geburtsprozess. Im Endeffekt stellte sich dann aber doch raus, dass es die goldrichtige Entscheidung war: Nabelschnur um den Hals, das ganze sogar zwei mal. Kind gut, Mutter gut, die Jungs müssen weiter hoffen.

Die nächste Sectio kam zugleich: In der Regel läuft der Tag so ab, dass erst eine Visiterunde gemacht wird, dann wird kurz geratscht über Medizin, und dann gehts ins Outpatient-Departement (OPD) oder eine OP (in der Regel ein Kaiserschnitt) steht an. Die Runde war sehr kurz, dementsprechend gab‘s auch wenig zu ratschen und im OPD herrschte ähnliche Ebbe wie auf den anderen Stationen. Leider war ich nicht da, wenn doch, dann hätte ich sicher einen vertrockneten Busch durch den Hof rollen sehen. Egal, zurück zur Sectio: Alles war sehr früh, das Frühstück war auch eher mau (den unglaublich schmackhaften Reisbällchen in Kombination mit einem leeren Ovomaltine-Glas geschuldet), meiner wahnsinnigen Trinkmenge, welche man problemlos in einem Fingerhut hätte abmessen können, allerdings fühlte ich mich sehr gut. In unserer kleinen internen OP-Rotation war ich an der Reihe die erste Assistenz zu übernehmen. Also in OP-Dress werfen, Gummistiefel an, eine aus LKW-Plane und Kasakresten gebastelte Schürze um, einwaschen und dann einen „sterilen“ Kittel drüber, zwei Paar Handschuhe und ab zum Tisch. Die Geburt verlief recht flott und unspektakulär – beim schließen des Uterus viel mir dann aber meine Trinkmenge, die Frühstücksmenge und die angenehme Temperatur von knapp 30 Grad und die entsprechend physiologische Reaktion meinen Körpers auf die Füße. Sehr verständnisvoll wurde mir ein Hocker angeschoben, ich konnte ein paar Minuten sitzen und kurz darauf war der Spuk auch wieder vorbei. Das Gefühl, von seinem eigenen Körper bezwungen zu werden, das ist allerdings nicht besonders toll.

Kurz darauf freute ich mich auf ein Mittagessen. Die Vorfreude hielt auch bis exakt zu dem Zeitpunkt an, als ich den Deckel der Schüssel mit unserem Mittagsmahl anhob. Es sah nicht besonders gut aus, Lucas Satz „Bah! Das ist das räudigste von allen!“ steigerte den Appetit auch nicht signifikant. Laut den anderen sollte das Gemüse eigentlich in schleimiger Soße schwimmen, machte es aber nicht. Im Endeffekt lag wenige Minuten später ein Berg von rosa-bröckeligem, staubtrockenem, soßenlosem und nicht sonderbar appetitlich aussehendem Gemüse (??), oder besser „Agrarerzeugnis“, auf meinem Teller. Zum Geschmack: Ich esse ja mittlerweile echt viel, aber das war dann doch bisschen zu viel des guten. Ich hab‘s probiert, die Konsistenz ist gewöhnungsbedürftig aber okayisch aber der Geschmack. Der brachte fast mein halbes Reisbällchen vom Frühstück wieder zurück auf die Terrasse. Mein abdomineller Diskomfort war mir scheinbar ins Gesicht geschrieben, wie aus einem Munde fragte man mich, ob alles gut wäre. Mein Nebenmann übernahm dann glücklicherweise die Portion. Immerhin hab es als Beilage keinen Spinat – es reicht wenn das rosane Zeug meinen Magen auf Schubumkehr schalten lässt, einen Nachmittag auf dem Triton konnte ich nicht gebrauchen. Also Bestand mein Mittagessen aus der anderen möglichen Beilage: Bohnen.

An diesem Abend sollten wir von Mr. Nyoni, dem Form VI Englisch Lehrer aus der St. Paul‘s High School eingeladen werden. Um 19:30 trafen wir uns vor der Sister‘s House, er holte uns ab und wir liefen zu seinem Haus. Dort angekommen wurden wir erst einmal auf die steinharte Sitzgruppe verfrachtet – keine Ahnung ob man die durchgesessene Couch einfach mit Kies aufgefüllt hat – dort wurden uns dann die anderen Bewohnerinnen des Hauses vorgestellt. Im Haus wohnen mit ihm noch sechs Mädchen aus armen Familien. Sie helfen ihm im Haus, dafür können sie dort wohnen und zur Schule gehen. Klingt im ersten Moment sehr Strange, fühlte sich auch anfangs so an, allerdings kamen wir zu dem Schluss, dass Mr. Nyoni einfach wirklich ein guter Kerl ist. Die Mädels brachten dann auch sogleich die ersten Schüsseln mit Essbarem. Und dieses mal wirklich Essbares! Mr. Nyoni fragte mich letzte Woche, ob ich alles essen würde, meine Antwort, dass ich kein Fleisch und Fisch esse, führte dazu, dass es Obst gab. So dachten wir zumindest. Die ersten Schüsseln bestanden aus viel viel Ananas, viel viel Gurke und viel viel Mango. Etwas unangenehm schaufelten wir alles in kürzester Zeit in uns rein, Aber nicht genug! Es wurden noch Nudeln und Reis aufgetischt, erste waren zur besondere Freude unseres Halbitalieners sogar bissfest, zudem gab es noch einen sehr feinen Typhus-Salat. Normalerweise sollten wir nur geschälte Tomaten essen. Diese waren nicht so ganz geschält, aber unglaublich lecker, von einmal werden wir schon kein Typhus bekommen. Und zur Not: An Ciprofloxazin kommt man hier einfach ran. Nach dem Essen wurden noch ca. 1107 Fotos geschossen, und dann ging’s ans Feiern. Mr. Nyoni schleppte eine Kiste Bier vor die Sitzgruppe, draußen lief auf einer etwas zu großen Box tanzanische Musik und einige Jungs tanzten draußen schon. Nachdem wir vor, zwischen und auf der Sitzgruppe standen und tanzten ging es noch nach draußen, eine weitere Kiste Bier später traten wir den Heimweg an. Dieser Abend hat sich auf jeden Fall gelohnt. Danke für die Gastfreundschaft!

Mittwoch

Der Start des Mittwochs verzögerte sich aufgrund C2H5OH-haltiger Flüssigkeiten vom Vorabend, in Kombination mit entsprechend kurzer Liegezeit und dem kompletten Ausfall der Wasserversorgung im Doctor‘s House um wenige Minuten. Ohne Strom kommen wir mittlerweile alle wirklich gut aus, Powerbanks und Sparsamkeit, in Kombi mit Taschenlampen und Handylicht machen‘s gut möglich. Aber ohne Wasser ist wirklich Mist. Nur an Monikas Kochstelle gibt es einen Wasserhahn, allerdings sieht das Wasser noch weniger vertrauenswürdig aus, als das Wasser im Haus. Ein Eimer muss zur Toilettenspülung herhalten, duschen fällt leider komplett aus. Also etwas klebriger in Kasak und Hose, etwas Frühstück (hmmmmmmm Reisbällchen) runterwürgen und dann die 100m weiter ins Krankenhaus.

Die Runde war schon fast fertig, es waren ohnehin kaum Patientinnen und Patienten da, und von denen nur eine Neuaufnahme. Also unspektakulär, Dr. Evans hatte absolutes Verständnis und kurz drauf ging’s ins OPD. Hier sind tatsächlich mal drei kurze Fälle erwähnenswert: Zum einen stellte sich ein vierjähriges Mädchen mit einer Nabelhernie – also einem Nabelbruch – vor. Sowas kann im Laufe des Wachstums mal vorkommen, ist auch tendenziell kein großes Problem, die operative Versorgung geht ganz flott und dementsprechend ist die Gefahr des Einklemmen von Darm gebannt. Aufgrund des höheren Screenings (U-Untersuchungen und co.), sowie des früheren Zur-Praxis-Gehen wird ein Nabelbruch nicht so groß. Da es diese Voraussetzungen hier leider nicht gibt, hatte das Mädchen einen Nabelbruch in der Größe einer Coladose. Absolut krass, Dr. Evans meinte, es wäre auch hier in Liuli operativ zu versorgen. Nur wann wurde noch nicht gesagt. Als zweites stellte sich ein Mann Mitte Vierzig vor. Dicke Beine und eine Aszitis („Bauchwassersucht“, oder einfach viel Wasser im Bauch) plagten ihn seit ungefähr einem Monat. In der Anamnese durch Dr. Evans wurde dann festgestellt, dass er „auf Strom getreten sei“ – eine der vielen Umschreibungen für die, hier recht häufige, Diagnose HIV. An weiterer Diagnostik stand uns nur die Bestimmung weniger Laborwerte (genauer: Hb, Malaria- und Typhus-Test; kein Crea, keine Transaminasen, keine Viruslast, kein CD4, keine GGT, keine AP, keine Gerinnung, etc.) und ein, aus gutem Grund in Deutschland nicht mehr genutztes, Sono zur Verfügung. Leber und Niere sahen soweit gut aus, mehr war leider nicht darstellbar. Im Endeffekt konnte nur symptomatisch behandelt werden. Sehr schade, aber so ist das eben hier. Als drittes wurde noch eine zehnjährige Patientin im Kombination mit ihrer Mutter vorstellig. Beide waren vorher schon bei einem anderen Arzt, dort wurde die Diagnose „Infektion mit Mycobacterium leprae“, oder kurzum Lepra, gestellt. So genau hab ich‘s nicht verstanden, allerdings konnten dort keine Medikamente rezeptiert werden – diese werden vom Staat wohl finanziert und sind dementsprechend gut kontrolliert. Die Diagnose wurde von uns verworfen, eine viel wahrscheinlicherere, und auch zum klinischen Bild deutlich besser passende, Diagnose gefunden: Vitiligo. Vor allem bei dunkelhäutigen Menschen ist der Verlust der Pigmentierung an einigen Stellen sehr offensichtlich, leider auch stigmatisiert. Die Medikation gegen das Mycobakterium wurde nicht rezeptiert, die Mutter war zwar nicht sonderbar begeistert, aber leider ist nichts daran zu ändern. So wirklich geheuer war es aber niemanden. Wenn sich in diesem Krankenhaus jeder, vor allem das Personal, egal ob ärztlich, pflegerisch oder sonstig, die Hände desinfiziert, dann muss es etwas krasses sein.

Am Abend waren wir bei unserem Watch-Man und Freund Davis eingeladen. Um halb 12 tansanischer, also 17:30 normaler Zeit holte er uns ab. Nach einem zwanzigminütigen Fußmarsch durch die wundervolle Landschaft kamen wir bei ihm zu Hause an. Einfachste Verhältnisse, ein Haus mit sehr undichtem Strohdach, keine echten Türen, „Fenster“ aus Astabschnitten und eine Feuerstelle. Aber es ist sein zu Hause, wir fühlten uns wohl. Nach der Vorstellung seiner Familie wurde das Essen gereicht. Ich freute mich wirklich auf etwas neues, es standen vier große, vielversprechende, aber geschlossene, Behältnisse, zusammen mit entsprechend Tellern und Löffeln parat. Beim Öffnen der Gefäße wurde es mir aber mal kurz warm und kalt zugleich, mein Hirn versuchte rasend einen Ausweg aus der Situation zu finden, aber es schien keinen zu geben. Alle stehen drum rum, Davis mit Frau, sein Bruder mit Frau und dessen Kind. Alle sehen uns an, freuen sich, wenn wir viel essen – gehört zum guten Ton. Die anderen drei erkannten meine Not, allerdings war ihnen auch adhoc keine Lösung zugeflogen. Also ergriff Luca das löffelförmige Zeptar und schaufelte das triefend schleimige, rosa-bröckelige Agrarerzeugnis, welches mir vom Vortag gut in Erinnerung war, auf einen jeden Teller. Mir schon etwas weniger, aber der gute Ton. Naja, aber es gibt ja noch drei andere Behältnisse. Ich sag es wie es ist: In Behältnis zwei und drei befand sich das selbe. Aber Nummer vier war noch verschlossen. Also machte ich diese Schüssel auf, ähnliche Reaktion wie bei Schüssel eins: Grünleuchtend strahlte mich der Spinat, welcher mich bis jetzt immer auf den Pütz zwang, an. Die nächste Toilette ist 20 Minuten Fußmarsch entfernt, nicht zu schaffen. Also kein Spinat. Beim Essen schauten mich alle erwartungsvoll an, nach dem ersten Bissen meines rosafarbenen Mahls konnte ich gerade noch verhindern, dass es postwendend den Weg zurück auf den Teller finden sollte. Die anderen erkannten meine Not und so stocherte ich etwas in meinem Essen rum, Luca half mir etwas aus der Klemme und es wurde geschickt ein voller gegen einen leeren Teller getauscht. Leider flog die Nummer auf, einen geknickten Davis musste ich dann erklären, dass es nichts mit der Gastfreundschaft oder ihnen zu tun hat, ich wollte weder neben seine Ziege unter dem Bananenbaum brechen, noch mit Spaten in den Wald verschwinden. Er zeigte sich sehr verständnisvoll und wünschte mir gute Besserung.

Donnerstag

Der Start in den Donnerstag verlief wieder etwas holprig, allerdings waren wir dieses mal nicht daran schuld. Das Krankenhaus war wieder gänzlich verlassen, auch Dr. Evans – unser treuer Begleiter und Betreuer bisher – war nicht zu finden. Dr. Matthews war auch nicht da, Damas sollte geplant später kommen, das Championsleague-Spiel vom Vorabend sollte etwas mehr Schlaf bedürfen. Dr. Evans schrieb uns dann allerdings, dass er unglücklicherweise zu einem Notfall nach Songea musste, mit Glück könne er nächste Woche wieder da sein. Also riefen wir Damas an, bis er kommen sollte liefen wir noch kurz ins Dorf, kauften acht Avocados für 4.000 TSH (also 1,61 €) und ein wenig kalte Cola. Nach abliefern am Doctor‘s House konnte unser Tag auch endgültig starten. 

Ob die Visiterunde ausfiel oder von jemand anderem erledigt wurde, ist mir nicht ganz klar geworden – egal wie, wir waren alle mit Damas im OPD. Auch hier gab es ein zwei recht spannende Dinge: Zum einen kam ein junger Mann, zwanzig Jahre alt, mit ubiquitärem Pruritus, auf gut deutsch: Ihn hats gejuckt, überall. Damas warf schnell die Verdachtsdiagnose „Würmer“ in den Raum, unser Patient wurde dann direkt in die Parasitologie geschickt und kam wenige Minuten später (inclusive Stuhlprobe – wie das so schnell gehen konnte ist mir ein Rätsel) mit einem positiven Ergebnis zurück. Albendazol rezeptiert, nächster Patient. Eine Fünfzehnjährige kam mit einem unkomplizierten Harnwegsinfekt. Eigentlich keine große Sache, normalerweise sehr gut mit viel trinken und ggf. einer Einmalgabe Fosfomycin (einfaches Antibiotikum, genau das richtige für sowas) gut in den Griff zu bekommen. Hier wurde dann direkt Ciprofloxazin aufgeschrieben, hat zwar was von „mit Kanonen auf Spatzen schießen“, aber es hilft sicher. Alternativ gibts hier noch Doxycyclin, die Nebenwirkungen hier sind aber tendenziell noch schlechter. Aber egal, ist hier halt so, werden wir auch leider nicht ändern können. Ein anderer Patient kam mit einer Mittelhandfraktur, die Diagnose stellte sich aufgrund des halbdefekten Röntgengeräts auch als spannend dar, aber egal. Ist hier sowieso nicht zu behandeln, muss in ein anderes Krankenhaus, sofern Geld dafür da ist.

Zum Mittagessen gab es auch mal wieder geliebten Typhus-Salat. Auch wenn Monika eigentlich verboten wurde ihn zu machen – zu viele Famulant:innen haben Typhus bekommen. Immerhin schält Monika die Tomaten zu gut 50%. Mittlerweile.

Der Nachmittag war dann wieder sehr spanned, zunächst bewaffnete ich mich mit Luca und/oder Jonas Kamera und stiefelte in die Kirche, um endlich die versprochenen Bilder zu machen. Das Finden von Father Nicholaus stellte sich schon kurz als schwierig heraus, aber nachdem ich ihn gefunden hatte, und ihm mit Händen und Füßen erklärt habe, dass ich Bilder machen wollte, begleitete er mich zu Kirche. In der Kirche wurde mir von Gift, welcher zufällig auch da war, erklärt, dass es sich um eine Kathedrale mit Bischofssitz handeln würde. Alle Achtung, hab zwar keine Ahnung, aber es klingt doch spannend. Zudem wurde mir das Grab eines sehr wichtigen Mannes gezeigt: William Parcival Johnson (1876-1928). Er war der Missionar, welcher nicht nur die Kirche erbaute, sondern auch das Krankenhaus gründete und wohl für einige Bildung verantwortlich war. Gift erklärte zudem, dass die Missionare an den Küsten und Seen mit ihrer Arbeit begonnen, deshalb ist diese Region auch so christlich – und vor allem anglikanisch – geprägt. Nach dem Gift die Kirche verlassen hatte, machte ich noch ein paar Bilder und konnte natürlich meine Finger auch nicht den Instrumenten lassen. Father Nicholas und Father Goodluck waren begeistert, auch wenn ich auf einem abgetanzten Keyboard, bei dem der Ton E nicht funktionierte, etwas klimpern sollte. Mir kam nichts anderes, als Nothing else matters von Metallica in den Sinn, mit fehlendem E klingt das aber echt wie Hund. Beide strahlten dennoch und danach wurde ich noch weiter durch die Kirche geführt. Zuerst wurde mir das Taufbecken gezeigt, die Erklärung dazu konnte ich natürlich nicht verstehen. Father und Father nur Swahili, Niklas nur Deutsch, und das was ich Englisch nenne. Danach wurde hinter dem Taufbecken und Graben aufgedeckt. Zunächst dachte ich, es handele sich um einen Treppenabgang in einen Keller, allerdings hab es Treppen auf beiden Seiten, nach 5 Stufen war auch schon Schluss. Ich hab keine Ahnung was es war, es wurde zwar erklärt und darauf gezeigt, aber verstanden habe ich natürlich nichts. Ich schätze jedoch, dass es ein sehr wichtiges betoniertes Loch sein muss, andernfalls kann ich mir die überschießende Freude und das Wegwuchten der Holzbolen darauf, nicht erklären. Auch das Abnehmen der Beichte lehnte ich dankend ab. Zur Krönung wurde ich noch zu Father Nicholaus nach Hause eingeladen – um „Habari nyumbani“, also „Herzlich Willkommen zuhause“ zu verstehen, reicht selbst mein Swahili. Ich wurde auf eine Sitzgruppe gesetzt, mir gegenüber saßen Father Nicholaus und Father Goodluck, beide versuchten mir Fragen zu stellen, ich versuchte zu antworten, aber alles ohne Erfolg. Also saß ich nach wenigen Minuten zwei über beide Ohren strahlenden Geistlichen gegenüber und es passierte nichts mehr. Nach einiger Zeit des gegenseitigen Anstarren, muss ich dann doch mein Handy zücken. Google Translate half mir dann immerhin aus der Situation zu flüchten, ich hatte noch eine Verabredung mit den anderen und Sister Ethi. 

Stay tuned

Leider müssen wir jetzt zu der Party von Luca und Jonas. Ich würde gerne noch mehr schreiben, kommt auch noch die Tage, allerdings ist zu viel lustiges passiert, als dass ich es jetzt in wenigen Minuten hier hinschreiben könnte. Also nehme ich mir lieber Zeit.

Übrigens schüttet es nicht mehr. Ich sitze immer noch Oberkörper frei hier, es ist echt angenehm… Rebecca hat nen Pulli mit halbem Rollkragen an… Wessen Temperaturempfinden jetzt gestört ist? Keine Ahnung….

Bis dann!

St. Paul‘s High-School

Strand von Liuli, Lake Nyasa TZA // 16:00 Ortszeit

Wie Jonas und Luca am Donnerstag waren gestern Rebecca und ich in der „St. Paul‘s High-School“ einen halben Tag zu Gast. Im Laufe der Woche kamen wir an der Schule vorbei. Ein freundlicher Schüler, der eine der oberen Klassen besucht, gab uns in wirklich gutem Englisch eine kleine Führung über das Gelände. Dort bekamen wir einen Einblick, wie die Schüler dort leben. Es leben tatsächlich nur Schüler dort, Schülerinnen schlafen zu Hause. Ein Bild eines solchen Schlafsaal habe ich bereits in einem der anderen Einträge hinzugefügt. Zum Ende unserer Führung trafen wir zufällig auf den Schulleiter Mr. Paul, mit ihm wurde ein Treffen am folgenden Dienstag vereinbart.

Im Treffen wurde vereinbart, dass Luca und Jonas am Donnerstag, Rebecca und ich am Freitag für einen halben Tag dem Unterricht folgen dürfen. Die anfänglichen Bedenken konnten, durch das Versprechen keine Bilder o.ä. Zu machen, schnell beseitigt werden.

Nach unserem Frühstück um kurz nach sieben liefen wir zur Schule los, noch vor betreten des Schulgeländes trafen wir auf den Schulleiter, dieser versuchte gerade Schülerinnen und Schülern Fehler auszutreiben, auf eine Art, die es bei uns schon lange nicht mehr gibt. Aus Gründen kann ich auf weiteres nicht eingehen, ich bitte um Nachsicht.

In dessen Büro sollten wir dann warten, 20 Minuten nach der vereinbarten Zeit wurden wir vom „second master“, quasi dem stellvertretenden Rektor, abgeholt und liefen mit ihm zu unserer ersten Stunde. Das Büro des Rektors hat einen besonderen Charme. Es ist irgendwie die Kombination aus sehr schlechter Bausubstanz mit sichtbarer Dachkonstruktion, modernen Postern zum Thema Infektionsschutz, einem Schreibtisch mit allerhand Papieren (ohne PC), einer riesenhaften Pinnwand und einer Sitzgruppe, welche mich zugegebenermaßen an die „gute Stube“ meiner Ur-Oma erinnerte. Da das Sitzmöbel zwar unglaublich durchgesessen war aber nicht minder bequem verging die Wartezeit auch recht schnell.

Englisch – Form I

Das Klassenzimmer ist von der reinen Größe durchaus mit deinem deutschen Klassenzimmer vergleichbar, allerdings wurden hier aufgrund des Lehrermangels zwei Klassen zusammengelegt. Also sollten wir uns in die letzte Reihe zwischen ungefähr 80 Schüler:innen im Alter von ungefähr 12 bis 14 Jahren quetschen. Das Thema der heutigen Stunde sollten einfache Texte und Fragen dazu sein. Ein selbstständiges Lesen der Texte war nicht möglich, 80 Schüler auf 6 Bücher funktioniert leider nicht. Der Lehrer las also den Text drei-mal vor, es wurde aufmerksam zugehört und danach Fragen gestellt. Das Verständnis der Schüler:innen hielt sich in Grenzen, die Aussage „Driving at high speed can cause accident“ wurde mit über 75% als „false“ eingestuft. Das Wiederholen der Aussage auf Swahili sorgte dann auch für schallendes Gelächter. Uns wurde in diesem Augenblick klar, dass es hier durchaus Handlungsbedarf gibt. Spannend ist an dieser Stelle auch, dass alles Kurse, mit Ausnahme von „Swahili Language“ auf Englisch stattfinden. Wenn die Kinder diesen einfachen Text schon ich verstehen, dann muss man sich durchaus die Frage stellen, wie viel von den anderen Fächern hängenbleibt. Der Lehrer erklärte uns nach dem Kurs aber auch schon eines der Probleme: Im Endeffekt werden sie nur in der Schule dazu gebracht Englisch zu reden. Hier im Ort können die wenigsten Englisch und auch zu Hause wird nur Swahili geredet. Bücher in Englisch gibt es auch kaum, deshalb hapert es daran. Nach knapp 80 Minuten wurden wir in den nächsten Kurs gebracht.

Englisch – Form VI

Hier war die Klassengröße deutlich überschaubarer. Ca. 25 Schüler und ein unglaublich übermotivierter und gut gelaunter Lehrer, welcher eher an einen Showmoderator einer englischen Fernsehshow zwischen 13:30 und 14:30 erinnerte. Auch am Hemd hätte sicher sicher das betagte Publikum, im Ohrensessel mit Aufstehhilfe, sehr erfreut. Aber egal. In dieser Stunde sollte es Suffixe gehen, Ein Text wurde wieder in Ermangelung an Büchern an die Tafel geschrieben, die gestellt Aufgabe wurde nach mehreren Versuchen dann auch vom Moderator verstanden und schon konnte es an die Lösung der Aufgabe gehen. Dass wir, also Rebecca und ich, noch eine so große Rolle spielen sollten, wurde uns erst in Grundzügen bewusst, als Rebecca zur Tafel gebeten wurde um eine Aufgabe zu lösen. Die nächste Aufgabe, in diesem Fall mir zugeteilt, wurde noch von mir gelöst und angeschrieben, sollte aber nicht meine letzte sein. Der Weg zurück in die letzte Reihe wurde vom unbändigen Grinsen des Showmasters unterbrochen, angeblich wäre meine Tafelanschrift so schön, dass ich den Rest der Stunde leiten sollte. Naja, die Stunde konnte sowieso nicht mehr so lange gehen. Zugegebenermaßen war meine Anschrift nicht schön, sondern einfach nur möglichst präzise. Anstatt alles auszuschreiben behalf ich mich, auch durch Mangel an schöner Schrift, einfach wenigen Wörter und mehr Pfeilen und Zeichen. Das überverhältnismäßige Feiern der Methode war durchaus etwas irritierend.

Nach wenigen Minuten wurde dann der Stoff des Tages auch beendet, Rebecca sollte nach vorne zu mir kommen, und dann gemeinsam die fragen des Plenums beantworten. Von Fragen über meinen liebsten Fußballprofi (keine Ahnung, ich bin froh wenn ich fünf Namen zusammenbekomme, einer davon wäre Franz Beckenbauer, aber ich denke der ist mittlerweile out), über unser Studium, bis hin zu Möglichkeiten der jungen Männer in Deutschland war wirklich alles alles dabei.

Am Ende wurden wir vom Träger des geliebten blaugemusterten Hemdes noch aufgehalten, dieser wollte mit uns die nächsten Unterrichtsstunden planen. Die erneute Erklärung, dass wir heute nur ausnahmsweise im Krankenhaus freibekommen konnten, wurde durchaus aufgenommen, allerdings sah er so traurig aus wie das Kind, dessen Ball wir die Woche haben platzen sehen. Um eine Einladung zum Abendessen nächste Woche kamen wir jedoch nicht drum herum.

Mathematik – Form II

In der 30 Minütigen Pause gönnten wir uns eine im „Mkemia-Shop“ eine brühwarme Cola, vier Bananen bekamen wir obendrauf geschenkt. So befüllten wir unsere schwitzenden Körper am Wegesrand mit Wasser, Cola, und Bananen.

Im Mathematik-Kurs, hier wieder gemischt und bestimmt 50 Kinder, wurden wir leider nicht in die letzte Reihe gesetzt sondern ans andere Ende. Erste Reihe, genau in der Mitte. Das war durchaus sehr unangenehm, vor allem hatten wir die ganze Zeit dein Eindruck, nur im Weg zu sitzen. Binomische Formeln und die Wissenschaftliche Schreibweise großer und kleiner Zahlen wurde gelehrt. Ich hatte den Eindruck, dass es recht gut aufgenommen wurde, die Stunde war wirklich sehr kurzweilig.

Physik – Form III (oder IV? Keine Ahnung)

Nach dem Besuch der liebevoll eingerichteten Schultoilette (Achtung! Ironie), führte uns der second master zum Physikunterricht. Dieser fand nicht in einem Physiksaal statt sondern in einem Chemiesaal. Dieser sah recht gut eingerichtet aus, lediglich ein klaffender Kabelschacht machte mir Angst. Den Drahtseilknöcheligen Lehrern hier wohl nicht. Zudem war es in diesem Saal nicht nur sehr laut – ein Gebäude weiter lief ein sehr lauter Gottesdienst, mit Singen und Tanzen ab – nein, es war auch wirklich unbändig warm. Kaum ein:e Schüler:in hatte kein Tuch in der Hand, mit dem unablässig der laufende Schweiß abgewischt wurde. Wenn sich hier schon jeder den Schweiß abwischt, der kann sich jeder danken, welche Sturzbäche sich den Weg von Locke bis Socke bei Rebecca und mir bahnten. Sie wurde auch irgendwann auf ihrem Stuhl recht still, ich sagte dann dem Lehrer, dass wir leider einen kleinen Notfall im Krankenhaus hätte, zu dem wir gehen müssten. Das der Notfall unsere Kreislaufsituationen betrafen, das erwähnte ich nicht. Denn in den nächsten 20 Minuten hätte sich mein Kreislauf auch sicher in Richtung „Notabschaltung aufgrund Überhitzung“ verabschiedet.

Im Lehrerzimmer verabschiedeten wir uns noch schnell, die Teilnahme am Staff-Meeting lehnten wir dankend ab. Eine Schachtel Erdnüsse wurde uns noch überreicht, wir müssten diese nur noch 5-10 Minuten mit etwas Salz kochen. Dankend nahmen wir das Geschenk entgegen und liefen auf direktem Weg zum Doctor‘s House.

Allgemeines zur Schule

Die High-School in Liuli umfasst ein größeres Gelände als man denken mag. Es gibt einige Gebäude mit Klassenräumen, einen großen Speisesaal, eine Art Aula, wohl auch eine Moschee, ein Verwaltungsgebäude und einige Gebäude mit Laboren. Zudem finden sich hier noch mehrere Gebäude mit Schlafsälen für die Jungen.

Leider mussten wir versprechen, an diesem Tag keine Bilder zu machen. Tut mir leid, ich hoffe es liest sich auch ohne Bilder gut.

Mehrere Hundert Schüler und 16 Lehrer sind in Klassen von Form I bis Form VI aufgeteilt. Ab Form V werden die Klassen in Mädchen und Jungen geteilt. Das Angebot an Fächern ist ähnlich wie in Deutschland, Mathematik, die drei großen naturwissenschaftlichen Fächer, Swahili und Englisch, Künste, Religion, Gesellschaftskunde und Sport stehen auf dem Plan. Das Alter der Schüler reicht von ca. 12 bis zu ca. 25 Jahren.

Schon wieder St. Paul‘s?!

Am Abend wollten wir mit ein paar neuen Freunden aus Liuli zu Jo gehen. Ein Lagerfeuer und Stockbrot standen auf dem Plan. Dadurch, dass die Jungs sehr lange in der Klinik waren, liefen Rebecca und ich los um Zutaten für eine Guacamole zu kaufen. Bei 250 THS (also 10 ct) pro Avocado und 100 TSH (also 4 ct) pro Tomate sollte es wirklich günstig werden. Zudem fanden wir noch wirklich kalte Cola und mussten mal wieder Trinkwasser kaufen.

Nach Zubereiten der Guacamole starten wir zu Jo‘s Bar, Luca und Rebecca verschwanden auch direkt im Wasser, ich blieb mit Jonas draußen. Heute sollten nicht nur wir und unsere Freunde kommen, es sollte auch eine Party für die Lehrer geben. Kurz darauf wurden wir auch vom blauen Hemd entdeckt, das Schütteln der Hände dauerte so lange, ich hätte in der Zeit auch locker das Bernsteinzimmer finden können, aber egal. Es wurde sich herzlichst gefreut.

Leider war der Abend für mich für einige Zeit unterbrochen, Luca und Rebecca retteten ihn dann doch, man brachte mir Buscopan. Besten Danke! Ne Dreiviertelstunde später war ich wieder vollends hergestellt, es konnte als ausgiebig gefeiert werden.

Nach beigelegtem Kleinkrieg mit den Lautsprechern, sowie verdrücken aller Lehrer und sonstigen Anwesenden bis auf Jo und „DJ Washingmachine“, starteten wir unsere eigene kleine „deutsche“ Party. Es wurde Musik gehört von deutschen Künstler, die mir zwar (bis auf Kraftklub) alle unbekannt waren, zudem noch elektronische Musik. Da ich mit meiner Musik hier niemanden glücklich machen kann, beugte ich mich und hatte dennoch viel Spaß.

Heute morgen haben wir lange geschlafen, eben sind wir zum Strand, ich sitze hier und schreibe meinen Blog und lese, die anderen lesen, hören Musik und schwimmen in der ungeheuren Brühe des Malawisees. Heute Abend ist noch nichts geplant, allerdings haben wir alle etwas Gelüste nach Knabberzeugs, mal sehen, vielleicht bekommen wir sowas noch im Ort.

Bilder gibts wie immer die Tage.

Bis dann!

Der erste Tag

Doctor‘s House, Liuli, TZA // 20:45 Ortszeit

Anmerkung: Bilder gibts die Tage, es ist schon spät und der Upload dauert ewig… Bitte nicht böse sein 🙁

Der erste Tag? Ja und das sogar drei mal. Erst der erste Tag nach Ankunft, er erste komplette Tag hier und dann der erste Tag im Krankenhaus heute. Aufgrund der vielen zu erzählenden Eindrücke möchte ich hier noch nicht auf das Doctor‘s House oder das Krankenhaus im Allgemeinen eingehen – dazu wird es einen separaten Eintrag geben.

Die Ankunft in Liuli

Gift brachte mich zum Doctor‘s House. Die anderen Studis (Rebecca, Jonas und Luca) essen erst mal was mit mir. Monica, die Haushälterin hat uns Reis, Ugali und Bohnen gekocht. Ich hab mich mit Reis und Bohnen zurechtgefunden, Ugali, ein etwas an Knete erinnerndes weiß-pampiges Gericht, ist mir noch suspekt. Bohnen und Reis sind aber sehr lecker. Die Anderen haben sogar eine kleine Cola besorgt, zusammen mit dem Wasser ist es nach der langen Busreise eine absolute Wohltat! Nach dem Essen richtete ich mich erstmal häuslich ein. Aus meinem Schrank musste ich erstmal ein paar Geckos vertreiben, danach konnte ich meine großen Rucksack endlich ausräumen. Endlich endlich. Das ganze schwere Zeug, Handschuhe und Desinfektionsmittel, alles schwer und sperrig. Ich war so froh, dass es endlich raus ist und ich es auch nicht mehr mit nach Hause schleppen muss. Alles was medizinisch ist, und was ich nicht zwingend für meine Reiseapotheke brauche bleibt definitiv hier, hier mangelt es wirklich an so vielen Sachen. Die zwei Jungs verkündeten alsbald, sie würden gerne Fußball sehen. Rebecca und ich verziehen uns zum Strand. Der Strand am Malawisee ist wirklich nur 100 m quer durch den Dschungel entfernt. Einige Minuten am Strang mussten wir gehen um zu „Joseph‘s Paradise“ zu kommen. Eine wirklich wunderschöne Bar, mit welcher sich der unglaublich freundliche Joseph wirklich einen Traum erfüllt hat. Zu Joseph und Joseph‘s Paradise schreibe ich demnächst nochmal etwas, es soll ja spannend bleiben! Rebecca und ich kauften ein warmes Bier – Kühlung ist nicht so einfach. Pro Bier löhnten wir 2.500 TSH (ca. 1€), das Bier tranken wir dann am Strand. Naja, zumindest den ersten Teil. Rebecca musste noch telefonieren, aufgrund des schlechten Empfangs musste sie zum Doctor‘s House zurück. Ich schloss mich ihr an, dort konnte ich dann den letzten Blogeintrag auch fertig schreiben. Als die Jungs wieder zurück kamen gingen wir noch ins Dorf. Spannenderweise war dort tote Hose. Die Jungs berichteten,, dass erfahrungsgemäß mehr los sein müsste, war es aber nicht. In der einzigen noch offenen Bar holten wir uns dann jeweils ein mäßig warmes Bier, pro Nase auch wieder um die 2.000 TSH (also ca. 80 ct). Diese Bar war besonders: Von außen sah sie wirklich schäbig und winzig aus. Ehrlicherweise hatte es jedoch was von der Tardis (wem Tardis – Time and relative dimensions in space – nichts sagt, muss dringen Doctor Who? sehen). It‘s bigger on the inside! Erst mal auf dem Gelände war es doch wirklich schön. Eine gemütliche Ecke direkt vor der Bar. Die Jungs schnackten kurz mit dem Besitzer und richteten Grüße von Freunden aus Deutschland aus, die weitere Unterhaltung verlief auf Deutsch. Auch wenn wir englisch geredet hätten, dann hätte er leider nichts verstanden. Im Ort verstehen vor allem die Älteren kaum englisch. Wir kauften uns noch‘n Bier für den Kühlschrank zu Hause und dann ging es auch schon heim. Die anderen waren noch am schnacken, ich verzog mich erst ins Bad und dann ab ins Bett. Der lange Tag, die lange Busfahrt und vor allem diese unbändige feuchte Hitze. Macht mich alles fertig. Und nein, zum jetzigen Zeitpunkt wurde es noch keinen Deut besser. Die Nacht verlief recht gut, ich konnte schnell einschlafen und wurde auch erwartungsgemäß nicht von den anderen geweckt.

Der erste volle Tag

Ich wachte nicht etwa durch Lärm oder durch ein befriedigtes Schlafbedürfnis auf. Nein. Vor allem durch „Garen im eigenen Saft“. Wer sich das Ganze jetzt sehr eklig vorstellt, dem sei gesagt, dass es noch ekliger war. Leider kam ich nicht direkt zum Duschen, das Essen des Vortags und das Bier meldeten sich mit dem unbändigen Bedürfnis zum Aufsuchen des Schapp H. Ehrlicherweise wunderte es mich, dass ich erst an Tag 6 meiner Reise die ersten Probleme mit meinem Bauch bekam. Ich hab‘s ja mal häufiger, deshalb war ich umso glücklicher, dass es die ersten Tage wirklich wirklich gut ging. Kurz darauf gönnte ich mir eine Dusche, auch wenn es super ist, dass es hier sogar warmes Wasser gibt, empfiehlt es sich doch beim semi-kalten zu bleiben. Jede Abkühlung ist wahnsinnig gut. Zum Frühstück kamen ähnliche Gebäckstücke wie ich sie aus Dar Es Salaam kannte auf die Back draußen. Rebecca brachte dankenswerterweise ein Glas Ovomaltine mit, haushalten mussten wir damit schon, aber dennoch sehr sehr lecker. (Instant-)Kaffee gab und gibt es leide nicht, vielleicht finde ich ihn noch irgendwo! Der Rest des Tages war tendenziell von Schwitzen und dementsprechenden Kreislaufproblemen geprägt. Trotz einer, für mich deutlich erhöhten Trinkmenge, bekam ich es nicht so wirklich in den Griff, aber egal, es sich ja genug Medizin-Studis um mich rum.

Die geplante Wanderung auf die Anhöhe direkt am Malawisee war leider nur semi-erfolgreich. Zuerst mussten wir am Strand entlang, Rebecca meinte schon, dass wir einen kleinen Fluss überqueren müssten. Klingt soweit erst mal unproblematisch, bis zu dem Zeitpunkt an dem man erfährt, dass es A) keine Brücke gibt, B) der Fluss vermutlich voll Schistosomen ist und C) dort die Tage ein Mann von einem Krokodil gebissen wurde. Dennoch: Erkundung ist alles. Deshalb sind wir auch erstmal hin und haben geschaut, vielleicht gibt es Einheimische, vielleicht können diese uns helfen. Also: dort gab es sehr wohl Einheimische, diese wateten allerdings durchs Kniehohe Wasser – welches natürlich sehr trüb ausschaute. Zudem sah diese Stelle wirklich wie ein Kroko-Paradies aus. Also: Rückzug. Die Jungs und Rebecca wollte noch bei Jo vorbeischauen, ich hingegen ging zurück zum Doctor‘s House.

Der Weg führte mich vorbei an direkt zwei Sportplätzen, oder besser Bolzplätzen. Dieses Land liebt wirklich Fußball, auch wenn meine Fußballkünste quasi nonexistent sind und meine Füße, welche eher an Bügeleisen erinnern, super untalentiert sind, in Kombination mit meinen maulwurfgleichen Adleraugen sich auch nicht als hilfreich erweisen, dann wurde ich doch gefeiert, als ich den Ball in etwa in die Richtung des Spielfeldes zurücktreten konnte. Etwas stolz setzte ich meinen Weg dann fort.

Der weitere Weg führte mich direkt durch eine Kuhdrift, die Bullen und Kühe hielten direkt auf mich zu, eine Absicht derer anzuhalten war nicht zu erkennen, meine Flucht in den Hang wurde etwas belächelt. Immerhin hatten dadurch die Jungs neben dem Weg etwas zu lachen, der Bauer schaute auch etwas verdutzt, aber egal. Keine Ahnung wie ich sonst zurück kommen sollte.

Am oberen Ende der Kuhdrift angelangt entdeckte ich zunächst ein Schild, welches auf eine High-School hindeuten sollte, zudem noch ein wirklich cooles Kiosk. Letzteres hatte leider geschlossen, die Malerei an dem Gebäude ließ jedoch auf Chemie-Liebe des Besitzers oder gute Fälschungskünste schließen. Allerdings bin ich auch nicht der richtige, um Dieses zu deuten. Wenn ich an den Chemie-Kurs im ersten Semester denke: Die komischen Striche, Keile und Punkte, vogelwild kombiniert mit wahllosen Zahlen und Buchstaben, da wird mir direkt wieder schlecht. Aber egal, es erwartet ja niemand von mir, dass ich hier wieder mit komischen chemischen Formeln hantieren muss oder etwas in Sessel- oder Wannenformation Zeichen muss. Kein Plan.

Am Haus vertrieb ich mir dann die Zeit mit elendigem Schwitzen, Lesen und etwas Traurigkeit darüber, dass die Affen nur zum Frühstück da waren. Vielleicht sehen wir sie die Tage nochmal. Das Abendessen bestand dann aus Spinat, Kartoffeln und Bohnen. Ersterer bekommt mir scheinbar nicht wirklich, es gibt zumindest einen gleichgerichteten Zusammenhang zwischen „Monikas Spinat essen“ und „Pütz aufsuchen“. Dann verzichte ich eben auf den Spinat, besser für meine Zähne ist es ohnehin, die massig enthaltenen Steinchen und Sand würden mir irgendwann noch den Schmelz aus der Kauleiste reißen.

Nach einer halbstündigen Episode von buscopanbedürftigen Bauchschmerzen, kombiniert mit unbändigem Schwitzen ging es wieder raus auf die Terrasse. Wir schauten uns den ersten Teil des Films „Im Westen nichts Neues“ an, in der Hälfte unterbrachen wir und gingen ins Bett. Mit Schlafen war leider nix drin. Irgendwie hab ich es nicht geschafft, dass meine Körpertemperatur auf erträgliches Level fiel. Nach gut einer Stunde, mit dem immer näher kommenden claustrophischen Zustand entschloss ich mich die Dusche aufzusuchen. Eine Tür weiter, 30 Sekunden unter kaltes Wasser und zurück ins Bett. Das bewirkt Wunder und das werde ich heute Abend auch sicher wieder machen. Andernfalls drehe ich hier wirklich durch.

Der erste Tag im Krankenhaus

Wecker um 7:30, Gott sei Dank, es regnet. Schnell unter die Dusche, dieses mal aber richtig. Dann Frühstück mit den Anderen, wieder gibt es Gebäck aber leider kaum Affen. Um 8:20 starten wir in Richtung Krankenhaus.

Fünf Minuten später sind wir schon im Verwaltungsgebäude. Dort waren wir die ersten, Pünktlichkeit ist hier wohl auch so ne Sache. Nach etwas Gerede und einem Gebet eröffnete Gift die Sitzung. Dr. Matthews, der Chefarzt führt nasebohrenderweise das Wort, zudem sind noch Dr. Ewans und Damas vor Ort. Damas ist zwar kein Arzt und hat auch nie studiert aber er wird quasi wie einer eingespannt. Alles eine Erscheinung des unglaublichen Mangels an allem, aber wenn es funktioniert, dann soll es recht sein. Hier wird wirklich jeder gebraucht.

Nach der Besprechung liefen wir mit Dr. Ewans zur Visite, die Geburtenstation, die Kinderstation sowie die Stationen für Männer und Frauen wurden nach und nach visitiert. Zur hier gemachten Medizin werde ich mich später äußern, würde den Rahmen sprengen. Spannend waren allerdings vor allem eine wirklich böse Clavicula-Fraktur (Clavicula = Schlüsselbein), diese kann kaum behandelt werden. Auch einen Schlangenbiss sieht man in der Hunsrückklinik Simmern doch eher selten.

Nach der Visite gingen Luca und ich ins Major Theatre, dem großen OP-Saal. Dort sollte gleich eine Sectio (eigentlich Sectio Caesarea = Kaiserschnitt) laufen. Luca war 1. Assistenz, Dr. Ewans Operateur. Aufgrund der mangelnden Beatmungsmöglichkeit wird die Narkose mit einem Medikament gemacht, welches leider auch schnell im Kind anflutet. Deshalb muss es hier schnell gehen! Zu dem Vorgehen hier schreibe ich auch nochmal… Ein Pfleger, Rebecca und ich empfingen den kleinen Jungen und übernahmen die erste Versorgung,,, abtrocknen, einpacken, messen, wiegen. Alles wohlauf, alles reif, alles gut. Rebecca brachte den Kleinen zur Familie, ich räumte etwas auf und schon rief der nächste Fall.

Ein Junge hatte sich vor 2 Tagen den Unterarm komplett gebrochen. Das Reponieren und Gipsen machten weder dem Jungen, uns Studis oder Dr. Matthews Spaß, laut ihm wäre es jedoch vor der Einweisung in eine Chirurgie absolut nötig. Aus Unwissen, wie es hier läuft möchte ich dazu keine weitere Aussage treffen.

Um 13:00 war Feierabend für uns, Monika bekochte uns mit einem recht schleimigen Gemüse und Bohnen, den Gemüseschleim runterzuwürgen war etwas schwierig, ab und an fanden sich auch noch sehr faserige Teile darin. Aber egal, die Bohnen waren sehr lecker. Danach legte ich mich kurz hin.

Mein Erwachen war eher unschön, die anderen wollten noch zu einer Nonne gehen, wir waren zu Tee eingeladen. Leider konnte ich diesen Termin nicht wahrnehmen, mein Kreislauf kapitulierte unter der feuchten Hitze. Etwas Abkühlung brachte nur Wasser auf und in meinem Körper, eine Stunde und 1500 mL Trinkwasser später ging es mir dann wieder soweit gut, dass ich den anderen folgen konnte. Leider verpasste ich die Nonne nur knapp, ein kurzes „Hallo“ war noch drin, mehr leider nicht.

Rebecca lief zum Strand, die Jungs und ich liefen zum Dorf. Auf der Suche nach Seife gingen wir wieder an der High School vorbei, an der ich gestern schon vorbeigekommen war. Das Gelände ist deutlich größer als erwartet, ein junger Mann, seineszeichens motivierte Schüler, führt uns über das Areal und erklärte uns, dass hier ca. 150 Schüler in 4 Klassen gehen. In drei Schlafsäle mit Stockbetten sind die Jungen untergebracht. Auf dem Weg zurück trafen wir den Schulleiter, mit dem machten wir ein Treffen morgen ab, mit etwas Glück können wir eine Unterrichtsstunde mit ansehen, das wäre sicher spannend!

Im Ort kauften die Jungs noch Seife, für 18.000 TSH (ca. 7€) holten wir noch 18 Flaschen Trinkwasser mit. Die spielenden Kinder auf der Straße sind wirklich sehr dankbar wenn man ein wenig mit ihnen spielt. Also wurden wir drei Jungs kurzzeitig zur Belustigung der Kinder, ein kurzes Hochheben und Fliegen lassen war vermutlich das Highlight des Tages für die Kleinen.

Monika bereitete uns Abendessen, dieses mal super: Legendär gute Tomatensoße, dazu Bohnen und Chapati. Mega lecker. Ohne Bauchrumoren und gesättigt, dafür aber natürlich brutalst am schwitzen sitze ich nun auf unserer Terrasse und hacke diesen Text in mein iPad. Respekt, wer es bis hier in ausgehalten hat!

Morgen gehts wieder weiter, dann melde ich mich auch bald wieder. Ich geh jetzt kurz unter die Dusche, rufe noch zu Hause an und gehe dann auch ins Bett. Bis dahin:

Lala Salama (Swahili für „Gute Nacht“)

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