7.282 km von zu Hause entfernt

Schlagwort: Taxi

Livingstone

Entschuldigt bitte den späten Eintrag… Die Woche war seeeeehr vollgepackt. Viel Spaß beim Lesen 🙂

An diesem Freitagmorgen stand leider der letzte gemeinsame Dienst im Krankenhaus an. Zumindest halb. Die Jungs sollten Sonntag den Weg nach Songea antreten, und dementsprechend nicht mehr am Montag für einen Dienst im Krankenhaus zur Verfügung stehen. An diesem Tag waren wir zunächst auf einer kleinen Visiterunde, außer einem Jungen mit Schlangenbiss und den viel vertretenen Erkrankungen, wie Malaria tropica, Typhus und Harnwegsinfekte, sowie einigen Schwangeren und Babys gab es hier keine Besonderheiten zu verzeichnen. Was hier allerdings wieder auffiel, ist der altbekannte Mangel an wirklich Allem. Aufgrund dessen, dass aktuell keine Einweginfektionsschutzhandschuhe zur Verfügung stehen, müssen für viele, nicht sterile Arbeiten, sterile Handschuhe genutzt werden. Nicht die beste Lösung, aber zu diesem Zeitpunkt eher alternativlos.

Im OPD erwartete uns ein 3-Monate altes Kind mit Nabelhernie, oder einfach „Nabelbruch“. Dieser war bei weitem nicht so groß, wie der Nabelbruch des Kindes ein paar Tage zuvor. Der Nabelbruch wurde mit einfachen Mitteln versorgt, hier: eine Münze und Pflasterklebeband, wieder ein Mangel an Mitteln und alternativen. Die Patientin soll in wenigen Tagen wieder vorgestellt werden. Ansonsten wurde uns wieder das defekte Röntgengerät zum Verhängnis, eine Frau mit Verdacht auf Handwurzelknochenfraktur konnte nicht geröntgt werden, also erst Gips, dann Röntgen sobald wieder verfügbar. Unkonventionell aber mal wieder alternativlos. Zudem wurde an diesem Tag eine kleine Fotosession mit dem Krankenhauspersonal gestartet. Ne coole Aktion, die Jungs wollen ein Fotoalbum von hier machen, wird sicher ne coole Sache!

Die Jungs haben zu einem großen Abschieds-BBQ eingeladen, viele der Menschen, die sie und wir kennengelernt haben, kamen, um die Jungs zu verabschieden. Jo bereitete allerhand Speisen und Gertänke vor, nach Einbruch der Dunkelheit wurde dann auch komplett aufgebackt und zusammen gegessen. Ungewöhnlicherweise war die Party für die meisten Gäste recht schnell vorbei, meine Vermutung ist, dass nicht nur die Müdigkeit der vergangenen Arbeitswoche, sondern auch diverse Getränke daran schuld hatten. Nachdem ein Gast, welcher mir lange etwas von Dingen erklären wollte, von denen ich eh nix verstehe (Partnerschaft mit Kirchen, anglikanische Kirche von Ruvuma und einer deutschen Partnerstadt), endlich unser Missverständnis lösen konnte, verabschiede auch er sich mit einer kleinen lustig-lallenden Rede nach Hause. Die Stadt, die er mir als Partnerstadt näherbringen wollte, war zunächst unverständlich. Dem angeheiterten Zustand, und der Artikulation eines feuchten Waschlappens geschultet, konnte des Rätsels Lösung erst durch eine Schreibmöglichkeit gelöst werden. Wer denkt auch, dass aus „Nuuuuuuu-Back“, oder „Wnuuulbal“, oder etwas wie „Luuuundak“, irgendwann „Würzburg“ wird. Ich wurde sogar gefragt, ob ich die Stadt kennen würde. Mit der Antwort „flüchtig“ wurde sich dann auch zufrieden gegeben, und selbstverständlich noch ein wenig Aussprach trainiert. Irgendwann kamen wir bei „Wuuuurburt“ raus, alle waren glücklich, Gast stolz wie Bolle. Die nächsten sechs Stunden waren eigentlich nur von uns Vieren, Jo und dessen Hund House/Hous/Hause/Haus geprägt. Musik. Quatschen. Sterne schauen. Könnte schlimmer sein, was?

Samstag

Der Samstag ist irgendwie schwer in Wort zu fassen. Eigentlich haben wir lange geschlafen und nichts gemacht, aber andererseits auch ganz viel. Die Jungs waren noch viel einkaufen – Proviant für die Reise. Auch hier habe ich mal wieder die wildesten Lastwagen gesehen. Ladunssicherung kidogo. Kidogo ist übrigens Swahili für „ein bisschen“. Es wurde fleißig gepackt, wir waren nochmal alle gemeinsam im Ort, damit sich die Jungs von allen verabschieden konnten und bei Jo am Strand. Ich schnappte mir mal wieder die Kamera der Jungs, tatsächlich sind noch ein paar coole Fotos entstanden. Nachdem sich Luca dann auch endlich von Jos Hund losreißen konnte, ging es zurück zum Haus (nein, nicht zum Hund), und es wurde ein letztes mal zusammen diniert. Das Essen war richtig gut an diesem Abend: Chipsies, viele Chapati und Guacamole. Das war richtig gut, schmeckte hervorragend und konnte fast den Schleier von Melancholie übertünchen. Immerhin war es unser letztes gemeinsamen Abendessen, vermutlich unsere letzte gemeinsame Mahlzeit. Für immer? Wer weiß. Aber sehr sehr sicher, die letzte gemeinsame im Doctor‘s House als Studis. Für immer. Danke für die tolle Zeit. See you soon, guys! Aber der Abend war ja noch nicht vorbei. Selbstverständlich gingen wir noch alle gemeinsam zu Michael‘s Sport Bar. Jonas Team, Borussia Dortmund, spielte. Schnell stand es 2-0, mit dem Endergebnis von 6-1 war, vor allem Jonas, wirklich sehr zufrieden, und nachdem dann eine von uns vieren auch wieder erwachte, konnten wir den letzten gemeinsamen Weg nach Hause antreten. Ich verschwand schnell ins Bett, die Jungs packten noch ein wenig, am nächsten morgen früh raus.

Sonntag

An diesem Tag konnte ich einen voreingestellten Wecker nutzen, welchen ich normalerweise nur brauche, wenn ich Frühdienst auf einer Rettungswache jww habe. Also viertel vor fünf. Sch***** früh, aber es sollte belohnt werden. Ich war der erste, war schnell duschen, Rebecca und die Jungs folgten sogleich. Rebecca und ich waren für halb 6 mit Jo zum wander verabredet, die Jungs mussten um viertel vor 6 aus dem Haus. Also konnten wir sie doch nochmal sehen, es gab ein paar Umarmungen und wir wünschten eine gute Reise. Leider war Jo eine halbe Stunde später, also mittlerweile 45 Minuten, noch nicht am Doctor‘s House. Vielleicht erinnert sich die ein oder der andere daran, dass ich 10.000 SMS gekauft habe. Leider nur 10.000 SMS und keine einzige Freiminute. Mist. Also warten. Kurz darauf tauchte Jo dann auch mit Motorrad und einem zweiten Taxi (also quasi nach ein Motorrad) auf. Scheinbar gab es ein Problem mit dem anderen Motorrad, aber was soll’s. Im Endeffekt stiegen Rebecca und ich jeweils auf eine Haojue-Maschine auf – dieses Motorrad fährt hier übrigens jede und jeder – und die Fahrt konnte starten. Wenn ich dem Tacho trauen kann, dann müssten wir mir 30 bis 40 km/h unterwegs gewesen sein, gerade genug für die schlechten Strassenverhältnisse. Immerhin war es einigermaßen trocken und dementsprechend kaum schlammig. Glücklicherweise erwies sich mein Fahrer als sehr sicher und gemütlich, sodass die Fahrt, ohne Sturz, nach circa einer halben Stunde, in Mango-Village endete. Jo deponierte dort irgendwas und dann sollte es langsam losgehen.

Noch bevor wir den ersten Schritt in Richtung Berg machten, fing es auch schon zu regnen an. Spannenderweise nur Nieselregen, sehr ungewöhnlich. Die ersten 300 Meter waren noch sehr entspannt, außer an einer großen katholischen Kirche fanden wir nix ungewöhnliches. Die erste „kleine“ Steigung hatte es aber schon in sich. 50% mal mindestens, und das auf einer Straße – natürlich von Motorrädern befahren. Ich sag’s wie’s ist: der Regen wurde immer mehr, die Straße immer schlechter und die geplanten zweieinhalb Stunden Aufstieg sollten auch nicht so wirklich vorbei gehen. Nach ca. eineinhalb Stunde erreichten wir den ersten kurzen Zwischenstopp, hier hatte Jo zwei Cola und Kekse, als erstes kleines Frühstück, vorbereitet. Allerdings wollte es nicht aufhören zu regnen. Jo zeigte dann irgendwann auf ein Haus in Sichtweite, und meinte, da könnten wir einkehren. Also mit großen Schritten ins vermeintlich Trockene. Dort angekommen wurden wir auch direkt hereingebeten, bzw. Ging Jo einfach rein – er kannte die Leute wohl. Er während unserer Pause an der Kochstelle kam raus, dass Jo die Familie nicht kannte. Die Menschen hier sind einfach so unglaublich gastfreundlich, verrückt. Und was gehört zu Gastfreundlichkeit in Tanzania immer dazu? Exakt! Zum Essen einladen. Deckel hoch, rosa, dankend abgelehnt.

Nach einer halben Stunde Besuch bei Unbekannten wurde das Wetter zwar besser, der Weg dafür umso schlechter. Bevor wir zum Ende des Aufstiegs kommen, mag ich einfach ein paar von ebendiesem zeigen…

Als die Strecke dann doch etwas besser wurde, verschwand Jo einfach im Wald, wir folgten auf einem Weg, der diesen Namen kaum verdient hat. Nach kurzer Zeit machten wir wieder halt, mal wieder bei einer Familie und ich brauchte erst einmal einen Moment um festzustellen, dass wir schon da sind. Das ging dann ja doch recht flott. Wir konnten unsere Sachen dort lassen, regennasse Kleidung wurde aufgehängt und kurz darauf führte uns Jo zum endgültigen Ziel: Es ging mal wieder über „Wege“, quer durchs Gestrüpp an Abhängen vorbei zu Felsen. Auf den kleineren der Felsen Namen wir erst einmal Platz, wurden alleine gelassen, denn Jo ging zurück um unser Frühstück vorzubereiten. Frühstück ist vielleicht der falsche Begriff, es war mittlerweile fast zwölf, die Verzögerung am Morgen und die längere Pause waren verantwortlich. Aber alles kein Problem. Nach einiger Zeit kam er zurück mit einer Schüssel  Shakshuka. Ich muss schon zugeben, dass es das beste Frühstück seit meiner Abflug – und vermutlich auch einige Zeit davor – war. Wirklich lecker! Mal keine feinen Reisbällchen… Natürlich wurden auch hier noch ein paar Bilder gemacht, es wurde eine kleine Runde unternommen und noch mehr Bilder gemacht. Der Nebel lichtete sich von Zeit zu Zeit und gab irgendwann einen überwältigenden Blick auf die Livingstone-Mountains und den Lake Nyasa frei. Wunderschön. Und da Bilder mal wieder mehr sagen als tausend Worte, findet ihr natürlich welche hier:

Der Weg zurück ins Tal sollte ein anderer sein als der Hinweg. Jo meinte, der Weg wäre gut zu gehen, da es nicht regnen würde. Ungeachtet dessen, dass es auf dem Weg nach oben geschifft hat spielte dabei scheinbar keine Rolle mehr. Vertrauensvoll folgten wir so unserem Führer und wurden auch direkt mit einem wirklich wirklich guten Weg belohnt. Zumindest für die ersten gut 20 Minuten. Danach wurde es schlimmer. Der Weg glich mehr einer trockenen Klamm, an die Wassermassen, die hier bei starkem Regen runterkommen möchte man teilweise nicht denken. Zumindest ist der Weg dermaßen von Wasser ausgewaschen, dass es durchaus schwierig war, nicht in einem ganzen Schlitz am Stück zu verschwinden. Nichts desto trotz war die Aussicht wirklich grandios! Naja, der Weg wurde immer schlechter, und ich fragt mich immer mehr, wie es sein kann, dass laufend Spuren von Weidevieh zu sehen waren. Scheinbar ist es wirklich eine Hauptstraße, zumindest für Kuhdrift und dergleichen mit anderen Tieren wie Ziegen. Aber als Feuerwehrler kenne ich natürlich die GAMS, und da weiß man natürlich, dass das überall geht. Immerhin war alles trocken, wenn es nicht trocken gewesen wäre, hätte wir uns genau so gut auf nen Arschrutscher setzten können und den gesamten Berg nach unten rodeln können. Klingt wie ne wilde Mischung aus Kindheitserinnerungen vom Idarkopf und dem Wacken 2017, allerdings klingt es auch viel mehr Schädel-Hirn-Trauma und Rippenserienfraktur. Also doch gut, dass es einigermaßen Trocken war. Der schlechte Weg machten irgendwann meinem rechten Knie und linken Knöchel durchaus zu schaffen. Das Knie hielt sich echt wacker, außer einem intermittierenden Ziehen war es heile, nur mein Knöchel war irgendwann echt floppy. Keine Ahnung, ob „Floppy“ ein Wort ist, aber ich denke, dass jeder weiß was ich meine. Es fühlte sich an, als ob ich Bänder aus Bungeeseil hätte, meine unglaublich guten Augen, und das dementsprechend gute Einschätzen von guten Auftretestellen, erledigten das übrige. So lag ich fünf mal auf meinem Rucksack, wie ein kleiner Käfer auf dem Rücken. Hier hat der Dschungel seine Vorteile, denn man fällt eigentlich immer weich. Nur die latente Angst vor Schlangen und dergleichen lässt einen wirklich schnell wieder aufstehen. Besonders klasse war, als ich es schaffte innerhalb von drei Metern zwei mal im Wald zu liegen. Klingt lustig, ist es im Nachhinein auch, in der Situation kam ich mir echt verarscht vor. Und das von meinen eigenen Knöcheln! Der weitere Rückweg verlief bis eine halbe Stunde vor Mango-Village auch absolut problemlos. Und wie es sich für eine schöne Geschichte gehört, ist eine Rahmenhandlung nicht schlecht. Fing mit Regen an, also muss es auch mit Regen aufhören: Ein Tropfen fiel, also sofort Rucksack vom Rücken gerissen, Jacke mit einem Klettband gelöst und direkt angezogen. Bis dahin war ich aber schon komplett durch nass. Natürlich. Wie auch sonst. So ist das hier. Wenn der erste Tropfen fällt ist es zu spät. Immerhin waren wir schon aus der Kuhdrift raus, der restliche Weg war eigentlich ganz gut. Wenige Minuten nach dem Regen bog Jo wieder auf ein Grundstück ab, dort stand eine Art Pavillon unter der wir uns unterstellten. Das erkaltete Feuer wurde wieder angezündet. Und auch hier: Nein, Jo kannte die Menschen nicht. Jedoch wurden wir auch hier wieder herzlichst empfangen, wir schlugen das Angebot aus, mit nach Innen zu gehen. Daraufhin wurden eben die Möbel von drinnen nach draussen gebracht und wir saßen auf Stühlen um das Feuer bis der Regen aufhörte. Genauso schnell wie es anfing, so schnell hörte es auch wieder auf. Wenige Minuten später kamen wir wieder an der Kirche raus, noch 300 Meter und dann sind wir zurück in Mango.

Dort sollte uns eine warme Mahlzeit erwarten, sehr sehr lecker! Zu meiner Freude war es mal nicht rosa, den Spinat lehnte ich dennoch dankend ab. Zu meiner größten Freude wurde am Ende noch Nanas (Swahili für Ananas) gereicht, die sind wirklich nirgends so gut wie hier. Was mache ich in Deutschland ohne meine tägliche Ration? Keine Ahnung. Unserer kleinen Runde gesellte sich irgendwann ein Herr im geschätzten Alter von 60 zu uns. Er redete wie ein Wasserfall, Mix aus Swahili mit Jo und Englisch mit uns. Ein wirkliches System war in seiner Erzählung nicht zu erkennen, es wurde auch immer lauter und trotz Jos böser Blicke lies der Mann keine Ruhe. Ich versuchte mich irgendwann auf das Gespräch zu konzentrieren, aber irgendwie wurde mir nicht gänzlich bewusst, was er von mir wollte. Es ging zumindest irgendwie um (s)eine Farm, Ananas, und Verbrechen eines Menschen, den ich wohl kennen sollte. Kurz vor der Abfahrt lieferte uns dann Jo des Rätsels Lösung, weshalb wir mit wirrem Zeug vollgelabert wurden. Der Besucher hat einen Freund namens „Rider“. Rider ist wohl die Spirituose, vor der der alte Röhrich seine Jungs Werner und Eckhard beim Schnapsbrennen gewarnt hat. Vermutlich ist Methyl leckerer und gesünder als diese Brühe. Aber es ist irgendwie trotzdem die einzige halbwegs vertrauenswürdige Spirituose weit und breit. Mag aber vielleicht auch daran liegen, dass es die einzige ist.

Der Rückweg verlief fast problemlos, aufgrund des Regens mussten wir einmal absteigen und das Motorrad den Schlammberg nach oben schieben, aber ansonsten schön langsam und vor allem sturzfrei. Zugegebenermaßen etwas erstaunlich, wenn man die unglaublich schlammige Straße in Kombination mit den aalglatten Reifen bedenkt. Aber umso besser.

Zurück am Doctor‘s House plagte mich mein Knie dann doch etwas mehr, keine Ahnung, aber alles gut. War übrigens nach zweieinhalb Tagen wieder komplett weg. Heute, wie an jedem 19., sollte noch ein Markt sein. Zunächst liefen wir im Ort zum eigentlichen Marktplatz, etwas stutzig wurden wir, dass der Ort wie leergefegt erschien und auch auf dem Marktplatz nicht wirklich von Menschenmassen zu reden war. Also zurück zur Kreuzung. Einfach mal den ganzen Menschen entgegen, die aus Richtung Flughafen kamen. Und tatsächlich: Nach ein paar Hundert Metern, auf der linken Seite, ein großer Markt. Hier wird alles angeboten: Von Kleidung und Schuhen, über Stoffe, Haushaltswaren, rohen, mehr oder minder rohen und gekochten Lebensmitteln bis hin zu ganzen und halben Tieren. Tot und Lebendig. Menschenmengen, es wird wild gehandelt, rumkrakelt und eingekauft. Sehr spannend! Nach dem Kaufen einer Gewürzmischung für 2.000 TSH (80 ct) und einer unglaublich leckeren – oh Wunder – Ananas (1.000 TSH = 40 ct), ging Rebecca nach Hause und ich humpelte hinterher. Nicht selten hörte ich „pole sana“. Ich benutze das auch häufig, im Krankenhaus, wenn ich schwer kranken Menschen gute Besserung wünsche. Und mal wieder was zum Thema Pünktlichkeit hier: Offiziell schließt der Markt um 18:00 Uhr. Selbst um halb 7 kamen uns noch einige Bekannte entgegen, die noch auf den Markt zum Einkaufen gingen. Solche Zeiten sind hier eher Anhaltspunkte, mehr nicht.

Der weitere Abend war nur von Essen und Zubettgehen geprägt. Alles eher unspannend.

Das war‘s mit der Woche. Die jetzige Woche ist schon in Mache, allerdings ist so viel passiert und wir waren so viel unterwegs und im Krankenhaus, dass ich nicht zum Schreiben kam. Tut mir leid, aber es kommt alles!

Ich schreibe jetzt mal am Eintrag der Woche weiter und wünsche schon mal ein schönes Wochenende!

Bis dann!

Ankunft

Doctor‘s House, Liuli, Tanzania // 12:00 Ortszeit

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass die Nacht, trotz der direkt daneben liegenden Disko, deutlich besser war als erwartet. Auch wenn sich sicher nicht an irgendwelche Lautstärkegrenzwerte – vorausgesetzt sowas gibt es hier – gehalten wurde, und es wirklich meinen Raum durchschüttelte bis in den frühen Morgen, war die Nacht sehr angenehm. Ich wurde von keinem Krabbeltier gebissen, auch musste ich erfreulicherweise die Toilette nicht nutzen.

Mein Treffen mit Gift, dem hospital secretary, war geplant um 6:20. Also vorher aufstehen, versuchen zu duschen. Leider passierte überhaupt nichts als ich den Hahn in diesem Bad umdrehte. Also musste doch der Kübel mitsamt Schöpfkelle, eigentlich gedacht um die Toilette zu spülen, herhalten. Aus Wassermangel wurden die Haare ausgelassen, wenige Minuten später war ich dann halbwegs frisch gewaschen fertig und konnte meine letzten Sachen zusammenpacken. Beim Zusammenlegen meiner Jacke, welche ich unter mein Kopfkissen legen musste (scheinbar ist die Hausstaubmilbenbelastung in diesem Bett so hoch, dass meine seit Jahren stille Allergie zurück kam), klopfte es fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit an meiner Tür. Sehr pünktlich dieser Mann. Schnell mein Zeug zusammengepackt, aufgesperrt, Sachen ans Taxi getragen, nochmal alles kontrolliert, eingestiegen und schon düste der Fahrer los zum Busbahnhof. 15.000 TSH (ca. 6€) ärmer, aber sehr schnell am Ziel, wurden wir abgeladen. Ich bewachte das Gepäck während Gift im Getümmel verschwand. Ungefähr eine halbe Stunde später rollte unser Bus auf den Platz. Immerhin, kein uralter Zossen. Wirkt sogar recht modern, drei Achsen, recht hoch, Reisebus. Wird sicher gut. Gift holte mich ab, die drei Kisten für‘s Krankenhaus und mein großer Reiserucksack wanderten recht lieblos in den Gepäckraum und wir bezogen unsere Plätze. Zweite Reihe, ich am Fenster, guter Blick nach vorne. Ledersitze, ziemlich im Eimer, Beinfreiheit (selbst für meine 173 cm) gleich null, aber mit Schiebefenster. Die Fahrt kann starten. Meine Frage, ob wir dann in vier Stunden, wie geplant, ankämen, wurde mit einem kleinen Lacher verneint. Mit dem Auto vier Stunden. Mit dem Bus mindestens das doppelte. Darauf hin noch schnell antikoaguliert, sicher ist sicher und schon setzte sich unser Gefährt mit dem unablässigen Betätigen der ziemlich lauten Drucklufthupe in Bewegung.

Unser erstes Zwischenziel sollte Mbinga sein. Zwei Stunden waren geplant dort hin. Im Endeffekt haben wir nur etwas länger gebraucht. Unserer erster Fahrer, ein recht schmächtiger Mann mit Kaputzenpulli fährt. Oder besser gesagt: Er überholt. Er überholte wirklich alles und jeden, keine Sicht über die nächste Kuppe, keine Sicht um die nächste Kurve, keine Sicht am Lastwagen vor uns vorbei. Aber egal, drauf auf die Hupe, runterschalten und mit Vollgas vorbei. Spannenderweise überlebten wir allesamt. Die Sache mit den Kaputzenpullis ist recht spannend: Oftmals wurden Fenster geschlossen, weil es doch noch viel zu kalt wäre. Kann ja heiter, werden dachte sich mein jetzt schon schwitzendes Ich. Spätestens alle zwei Minuten stoppte der Bus am Wegesrand, es stiegen entweder Menschen ein, alternativ wurden Säcke oder Eimer oder Post eingeladen. Nach ca. zwei Stunden rasanter Fahrt erreichten wir Mbinga.

In Mbinga scheint wohl eine Art Umsteigeplatz zu sein. Der Hof, auf welchen wir draufrollten, war prall gefüllt mit mehr oder minder schrottreifen Bussen. In einige wenige würde ich auch einstiegen, allerdings würde sicher keiner mehr irgendeine europäische Sicherheitskontrolle bestehen. Aber glücklicherweise sind wir ja in Afrika, Tanzania, Mbinga, irgendwo in der Rumuva-Region, unendlich weit von zu Hause entfernt, gelandet. Gift sagt mir, hier würden wir eine Frühstückspause einlegen. Also Rucksack aufgesetzt, raus aus dem Bus und Gift nach. Dieser holte sich direkt zwei Suppen, eine scheinbar mit Fleisch, Knochen und Innereien, die andere mit Bohnen, Bohnen, Bohnen und etwas Speck. Beides, unter anderem in Hinblick auf die bevorstehenden Stunden, eher ungeeignet. Dem Jungen neben mir wurde ein köstlich aussehendes pfannkuchenartiges Gepäck gebracht, ich verlangte direkt zwei davon: Tatsächlich Pfannkuchen, sogar unglaublich leckere! Dazu bekam ich noch eine Tasse äußerst schmackhaften Tee und löhnte wahnwitzige 700 TSH (ca. 28 cent). Nach 90 Minuten inclusive Toilettenbesuch kündigte die Hupe baldiges Abfahren an. Einsteigen, weiter geht‘s.

Jetzt fährt ein anderer Mann. Zwar überholt er weniger, dafür fährt er aber signifikant schneller. Das wenige Überholen ist aber auch eher dem abnehmenden Verkehr geschuldet. Verkehrsberuhigunge Bauwerke, wie wirklich wirklich böse Schwellen in der Straße, werden ebenso ignoriert und mit Karacho überfahren wie Fußgängerüberwege oder dergleichen. Auch wenn alle Überwege auf einem kleinen Plateau liegen, und wir dementsprechend immer aus dem Sitz gehoben wurden, wurde sicher nicht vom Gas runter gegangen. Sollten Fußgänger dort stehen, dann wurde – oh Wunder – einfach gehupt und vorbeigefahren. Standen Fußgänger allerdings an der (oftmals nicht markierten) richtigen Stelle, so wurde natürlich ebenfalls gehupt, angehalten um sie einsteigen zu lassen. Natürlich wurden auch hier ab und an nur Säcke oder einfach rohe unverpackte Fische mitgenommen. Alles normal. Bei der Abfahrt, wurde natürlich auch wieder die Hupe genutzt. Ohne diese geht hier nix. Interessant war das Entertainment im Bus. Bei Abfahrt lief noch etwas zu laute lokale Musik samt Musikvideos. Trotz 90% Lautstärke meiner Black-Metal-spielenden Kopfhörer, war die Musik noch deutlich zu hören. Der neue Fahrer entschied sich scheinbar für einen Film. Für den Rest der Fahrt wurden also Low-Budget Kurzfilme gezeigt, allesamt aus türkischer Produktion aber in Swahili „synchronisiert“. Die Synchro funktioniert scheinbar so, dass ein paar Jungs den Film nehmen und sobald jemand redet (egal ob männlich oder weiblich), die Tonspur komplett abschalten und das Gesprochene in ihr Mirkophon sprechen. Das Mikrophon ist scheinbar aus einer Dose, einem Gummi und einem Stück alter Telegraphenleitung selbst gebaut, andernfalls ist die Tonqualität nicht zu erklären. Das Ausblenden des Tons führt teilweise zu lustigen Tonschnipseln: So dröhnte ab und zu ein Hubschrauber, ein abstürzender Düsenjäger, eine Disko oder gar eine Schießerei durch unseren Bus, ununterbrochen von der „Synchronisation“ und natürlich der gequälten Hupe unseres Busses. Die weiter Fahrt wurde nur kurz durch ein Schild unterbrochen, welches befahl, nicht mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht durchzufahren. Der kommende Streckenabschnitt wäre keinesfalls dafür ausgelegt. Wenige hundert Meter nach dem Schild erschien rechts ein Gebäude, vor dem Gebäude eine Achslastwaage. Dies zeigt für die Vorderachse knapp acht Tonnen, für die zweite Achse samt Schleppachse ungefähr zwölf Tonnen. Ein Offizieller schaute sich die Zahlen an, nickte freundlich und schon ging es, mit nur 16,5 Tonnen zu viel, auf die, für uns eigentlich gesperrte, Straße. Bis Mbomba-Bay verlief die Fahrt meinerseits hauptsächlich schlafenderweise, in Mbomba-Bay wurde der nächste Stopp eingelegt.

In Mbomba-Bay verschwand Gift mit einem Umschlag samt Geld. Dieser Umschlag war wichtig für meine Arbeitserlaubnis. Nachdem dieser abgegeben wurde holte ich mir noch etwas zu trinken, Gift eine Portion Pommes, ich mir die köstlichste Banane des Universums (für 100 TSH, also vier Cent), und es wurde wieder fleißig umgestiegen, umgepackt, ein- und ausgeladen. Gift sagte mir bereits, dass der nächste Abschnitt „a little bit ruffer“ werden würde. Mit „a little bit“ habe ich ja seit gestern meine Erfahrungen, ich stellte mich also auf Wildes ein.

Jetzt fährt wieder ein anderer. Nennen wir ihn mal Walter Röhrl. Er muss sicher Rallyefahrer sein, andernfalls kann ich mir die wahnwitzige Geschwindigkeit, sowie das skrupellose Steuern unseres 20-Tonners in Menschenmengen wirklich nicht erklären. Auch jedes Schlagloch wurde scheppernd mitgenommen, der Bus rutschte, lief am Hang quer und wurde wieder in die Spur gezogen. Jetzt erklärt sich mir auch, wieso die Spur des Busses so dermaßen verstellt ist. Wenn dieses arme Gefährt jeden Tag diese Tortur mitmachen muss, dann wird einiges klar, umso weniger möchte ich die Radaufhängung von unten sehen. Nach wenigen Minuten wurde unsere Fahrt von einem sehr schlammigen steilen Berg gestoppt. Der Bus hielt, Feststellbremse rein, Tür auf, alles aussteigen und zu Fuß den Berg hoch. Der Bus sollte direkt folgen. Dies tat er auch, zumindest die Hälfte der Strecke, dann ging nix mehr. Weder vor, noch zurück. Im Schlamm eingegraben, da konnte unser Walter machen was er wollte. Ratlos stand ich da, und wusste nicht ob wir helfen gehen sollte zu schaufeln oder zu schieben. Aber was will ich bei 20 Tonnen am Berg machen, außer später tot darunter zu liegen? Im Sinnieren überholte mich ein sandgelbes großes Etwas. Einen Moment brauchte ich schon, um den Grader der Firma CAT zu begreifen. Ich hab hier wirklich mit allem gerechnet, aber nicht hiermit. Eine viertel Stunde später standen Bus und Grader vor meiner Nase, gerade so im Ebenen, dass der Bus wieder anfahren konnte. Also allesamt einsteigen, sich‘s gemütlich machen und weiterfahren. Weit gefehlt. Ca. 300 m später hielt der Bus wieder. Feststellbremse. Tür auf. Alle raus. Vor uns ein Hand, unten am Hang eine deutlich zu schmale Brücke, darunter arbeitende Männer welche ein Rohr installieren sollten. Zu Fuß war die Brücke kaum gefahrlos zu überqueren, so rutschig war es und so tief sanken wir ein. Schnell kamen ein paar Männer mit Schaufeln, es wirde eifrig versucht de Brück notdürftig zu verbreitern und die Schlammlöcher etwas ebener zu bekommen. Half alles nichts, wir mussten warten. Kein Empfang, einen Fahrer aus Liuli rufen war also auch nicht drin. Nach einer Ewigkeit kroch der Bus langsam den Berg hinab. Vor der Brück erneutes stehenbleiben, schauen, erster Gang und mit Gas über die Brücke. Das selbst Walter die Schweißperlen auf der Stirn standen deutete eindeutig auf den Ernst der Lage hin. Oder ob es der seit einiger Zeit zusehende Polizist war, welcher ihm die Schweißperlen auf die Stirn trieben? Keine Ahnung. 20 Meter weiter durften wir dann wieder alle in unseren noch vollständigen Bus einsteigen. Weiter lief der wilde Ritt. Die nächsten zwei Stunden waren geprägt von weniger gehupe (außer natürlich alle zwei Minuten an einer „Haltestelle“ aka. Baum), etwas gerutsche, viel viel Vollgas und viel Kurbelei am Lenkrad seitens Walter. Auch wenn ich mein Leben mehrfach an mir vorbeiziehen sah, kamen wir dann endlich gegen 16:30 Uhr in Liuli an.

Die vierte Haltestelle in Liuli gehörte uns. Aussteigen, nach längerer Sucherei wurde dann auch mein Rucksack unter drei großen, zentnerschweren Säcken (wohl mit Kartoffeln gefüllt) gefunden. Für 1.000 TSH wurde mein Rucksack auch zum Doctor‘s mittels Mopped gebracht. Die drei anderen Famulant:innen erwarteten mich schon freudig. Der Weg zum Doctor‘s House verlief durch den Ort, 10 Minuten Fußweg. Zuerst brachten wir die Kisten mit der Medizin in die Krankenhausapotheke, dann mich ins Doctor‘s House.

Alles weitere zur Ankunft, zum Doctor‘s House und dem Krankehaushaus wird etwas später kommen, jetzt muss ich leider mit den drei anderen ein Bier trinken gehen. Also dann, bis später!

Edit: Die Nacht war sehr entspannt, endlich angekommen. Allerdings ist die Versorgung mit Internet etwas schwieriger, deshalb kann ich mich wohl nicht mehr jeden Tag melden. Über das Krankenhaus schreibe ich die Tage!

Songea

Unterkunft, Songea, TZA // 18:00 Ortszeit

Zunächst einmal hat der Tag mit dem endgültigen Verschieben meines Fluges begeonnen. Also hatte ich genug Zeit um in Ruhe zu Frühstücken, erneut zu duschen, wer weiß wann sich die nächste Gelegenheit ergibt (goldrichtiger Gedanke wie sich später rausstellen wird), in Ruhe meinen Kram zu packen und dann entspannt zum Flughafen zu fahren. Frühstück ohne größere Komplikationen, duschen, packen und Check-Out ebenso, die Uber-App wies mir den gleichen rasanten Fahrer wie gestern zu und kurz später war ich am Julius Nyerere International Airport – Terminal 2. Übrigens konnte ich auf dieser Fahrt auch das Rätsel mit den Bussen klären: Das ungefähre Ziel ist an der Farbgebung des Busses zu erkennen, gar nicht mal so doof, es muss ja bedacht werden, dass bei weitem nicht die gesamte Bevölkerung lesen oder gar schreiben kann!

Der erste Check-In verlief problemlos, großen und kleinen Rucksack durch die Sicherheitskontrolle gebracht, dann den großen Rucksack aufgegeben und mit dem kleinen Rucksack weiter. Wieder Sicherheitskontrolle und dann warten. An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass es keine gute Idee ist, von diesem Terminal aus etwas zerbrechliches aufzugeben. Das Band, auf welches das Aufgabegepäck gefeuert wird ist tatsächlich nur ca. 2 m lang und macht nichts anderes, als das liebevoll und sorgsam verschnürte Gepäck auf der anderen Seite der Mauer auf den Boden zu werfen. Dort findet es dann in der Regel ein Mitarbeiter welches eben jenes Gepäck auf einen Wagen wirft. Das weitere Verfahren mit dem Gepäck bleibt unklar.

Das Boarding unserer Dash-8 Q400 verlief problemlos und zügig, zu meiner Freude ware die Sitze überaus bequem und auf meinem Fensterplatz fand sich auch kein Sitznachbar ein. Das unbändige Dröhnen unserer Turboprop kündigte den Start an, problemlos. Die erste Stunde war auch deutlich ruhiger als gedacht, die letzten 20 Minuten umso turbulenter. Es schmiss die Maschine in der Luft umher, selbst die Damen der Cabin-Crew krallten sich mit Händen und Füßen an unserer Dash-8 fest. Man hörte Köpfe in den Seitenverkleidungen einrasten, leises Wimmern aus dem achternen Teil des Fliegers und der junge Mann neben mir wurde ganz blass. Einer meiner „special-anti-vomit-chewing-gums“ bewirkte Wunder, dass es sich um einen stinknormalen Kaugummi handelte sagte ich erst später. Die Landung (oder besser der Einschlag auf der Landebahn) beendeten das Abenteuer Air-Tanzania abrupt. Nach dem Aussteigen wurden wieder einmal die Pässe samt Visa kontrolliert, hier ist dafür nicht mehr nötig als ein zerfleddertes Notizbuch, ein Kugelschreiber und ein vollautomatisches Sturmgewehr der Gattung AK-47. Wenige Minuten später kam auch schon ein rumpelndes Quad-ähnliches Gefährt angerollt, auf der Ladefläche viel zu vieler Koffer und Taschen. Die Ausgabe des Gepäcks erfolgte ähnlich liebevoll wie am Flughafen Dar Es Salaam und so konnte ich nur knapp verhindern, dass mein Rucksack aus 2,5 Metern Höhe in den Staub und Dreck vor meinen Füßen geworfen wurde. Alles fein, alles da, alles ganz – soweit zum jetzigen Zeitpunkt ersichtlich.

Bei deutlich angenehmerem Wetter (26 Grad, es hat gerade aufgehört zu regnen) werde ich von Gift. dem Sekretär der Krankenhauses samt Taxi und Fahrer erwartet. Mein Gepäck wandert in den Kofferraum, das Taxi rollt los und er erklärt mir den Zeitplan: Erst Medikamente und Equipment fürs Krankenhaus kaufen, dann zum Geldautomaten, dann zum Hotel. Soweit so gut. Ich habe mich am Anfang erkundigt, was das Krankenhaus aktuell gut gebrauchen könnte, vor allem Geld wurde mir gesagt. Also hab ich etwas Geld zusammengekratzt und wir haben gemeinsam für dann insgesamt 500.000 TSH (ca. 200€) Material kaufen können. (Wer diesen Text liest, und sich denkt, es sei eine gute Sache etwas zu geben, der darf sich gerne bei mir melden!) Insgesamt konnten wir zwei gut gefüllte Kartons mit allerhand Dingen besorgen: Von Antibiotika über Aspirin, Blutentnahmeröhrchen samt Kanülen bis zu einem Blutzuckermessgerät. Insgesamt mussten wir hierfür drei Apotheken und einen weiteren Laden anfahren – Material zu besorgen ist hier absolut nicht einfach.

Zwischendurch ging es noch zu einem Geldautomaten. An der Funktionsuntüchtigkeit des selben konnte auch der Bankanstellte, mitsamt zwei Jungen Männern inclusive geschulterer Strumgewehre der wohl allseits beliebten Bauart „Kalaschnikow“, nichts ändern. Also nächster Geldautomat, dieser spuckte auch brav mein Geld aus. Ein weiterer Stop stellte der Busbahnhof dar, 15.000 TSH (ca. 6€) sollte das Ticket für die 170 km morgen früh kosten. Am Hotel angekommen verlangte der Taxifahrer 50.000 TSH (ca. 20€) für einen ganzen Nachmittag Herumfahrerei.

Das Hotel. Obwohl, das wäre eigentlich zu viel gesagt. Nennen wir es mal „Unterkunft“. Wahnwitzige 14.000 TSH (ca. 5,60€) wollte die nette für die Nacht haben. Ich habe auch schon in heruntergekommenen Buden gepennt, aber heute Nacht wird sicher spannend. Auch wenn ich gestern Nacht von irgendeinem Krabbelviech (keine Ahnung was es war, ca. 7 mm groß, ich konnte es gerade noch wegschnappen) in den Bauch gebissen wurde und es unglaublich heiß war, muss man dennoch sagen, dass das Hotel in Dar Es Salaam viel viel mehr den Begriff „Hotel“ verdient hat. Unten sind Bilder, auch im Vergleich zu Dar Es Salaam, viel mehr sagen muss ich nicht. Immerhin hab ich Strom und es ist günstig. Was soll’s.

An dieser Stelle wieder ein gut gemeinter Tipp: Wer in einen touristisch kaum entschlossenen Teil Afrikas reist, und zumindest ein wenig an europäische Verhältnisse gewohnt ist, dem schadet eine Rolle Toilettenpapier im Handgepäck auf keinen Fall!

Nach dem Beziehen meines Zimmers sollte es noch etwas Essbaren geben. Mir wurde vorgeschlagen, dass ich doch einfach mal die Straße hochlaufen solle, dort gäbe es allerhand. Gesagt – Getan. An der ersten Kochnische blieb ich stehen, ich fragte, was es alles gäbe und man bot mir diverses an. Irgendwann konnten wir uns auf einen Mix aus Ei, Salat, Fritten und Mango einigen. So richtig verstehen wollte man nicht, wieso ich kein Fleisch essen mag, mit etwas Überzeugungsarbeit lies man dann aber doch davon ab. Alsbald wurden mir zwei Teller gereicht, einer mit einem omeletteartigen Pfannengericht, dazu selbstgemachte Tomatensoße und der andere mit Mango, Salat und der mir wärmsten ans Herzen gelegten „special-sauce, little bit hot, little bit chili“. MERKE: Wenn dir hier „little bit“ angedreht wird, dann wird dir wirklich warm ums Herz. Mir wurde es. Ich tunkte nur ein Stück Mango in die Sauce und bekam Schweißausbrüche, Herzrasen, sicher einen hochroten Kopf und bestimmt entgleisten meine Gesichtszüge auch kurzzeitig. Mein Leid wurde erkannt, recht schnell kam eine junge Dame die mir eine sehr kalte Pepsi-Cola verkaufte. Dass Flüssigkeit wenig bringt, hätte ich wissen müssen, hab‘s aber vercheckt, halb abgezogen, noch mehr Schmerzen und dann in mein Omelette gebissen. Etwas gelindert wurde mein Schmerz schon, aber vom Geschmack meines Gerichts blieb leider nicht mehr so viel über. Auch hier wieder ein gut gemeinter Tipp: Wer nicht mit den Fingern essen mag, der sollte etwas Besteck bei sich haben, ich hab mir selten die Finger so versaut wie bei dem Verzehr meines Abendbrots.

Jetzt bin ich wieder im Hotel, gleich werde ich mein Bett beziehen, das Mosquitonetz ausfalten und mich dann hinlegen. Morgen früh geht‘s um 20 nach 6 schon los. Mal sehen, was mich heute Nacht so kneift, beißt oder sticht. Es wird spannend.

Gute Nacht.

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