7.282 km von zu Hause entfernt

Schlagwort: Verkehr

Moshi

BRK Rettungswache 07, Sauerlach, Deutschland // 12:00 Ortszeit

Nach sehr langem warten komme ich endlich wieder dazu, die letzten Einträge zu schreiben. Aktuell hab ich viel viel um die Ohren und die Zeit fehlt ein wenig, aber ich schreibe noch alles fertig. Wird auch nicht mehr so viel!

An diesem Mittwochmorgen war ich doch ziemlich früh wach. Wieso? Kein Plan. Vielleicht war mein Körper noch an die Safari gewohnt, andererseits sollte man doch denken, dass bei der Konstruktion unseres Körpers „Schlafmangel“ und „erst wachwerden, wenn das Schlafbedürfnis gestillt ist“ ein Rolle gespielt hätten. Scheinbar nicht, also zu früh wach. Wieder einschlafen hat natürlich auch nicht funktioniert, also einfach wach geblieben und etwas Buch gelesen. Auch gut.

Um neun klingelte dann auch schon mein Wecker, ich bin mal auf und unter die Dusche. Einstellungsmöglichkeiten weiterhin nur „heiß“ und „extrem heiß“. Ich entschied dafür, den Duschkopf, der mich offensichtlich zum Brühwürstchen verwandeln wollte, einfach abzuschalten. Ich hab keine höhergradige Verbrennung und Strom spare ich auch noch.

Nach der Dusche freute ich mich auf ein tolles Frühstück. Allerdings war mir nicht mehr so ganz im Gedächtnis, wie schlecht das Frühstück doch war. Man servierte mir drei Scheiben Weißbrot, die durch den Toaster eher zu Zwieback wurden, dazu ein eher geschmackloses, halb flüssiges Omelette und eine große Frenchpress mit extrem ekligem Kaffee. Milch gab’s natürlich keine, nicht mal das Modell „Pulverkuh“ war vorhanden. Also zwei halbe Tassen Ekelbrühe runtergewürgt, besser als nix allemal, und ein wenig Kaffee kann auch nicht schaden. Mein Zwieback hab ich auch ohne alles gegessen. Mit Absicht. Auf die Marmelade, in der scheinbar immer was anderes drin ist, hatte ich genauso wenig Lust wie auf die „Butter“. Wieso beides immer unterschiedlich schmeckt ist mir ein Rätsel, mit beiden Gefäßen ist es sehr einfach den Buchstaben „E“ und die Zahlen 1 bis 999 zu lernen. Sind scheinbar alle vertreten. Wie es technisch möglich ist, dass dennoch alles immer unterschiedlich schmeckt, dass ist und bleibt wohl ein Rätsel.

Um halb elf wollte ich meinen weiteren Tag planen. Richard und Liber hatten was von den Materun Wasserfällen und heißen Quellen erzählt. Klang spannend. Als Liber dann den Preis für die „Hot Springs Tour“ nannte, wurde mir kurz schlecht. Auch wenn eine Verpflegung, die Autofahrt und der Eintritt inclusive sein sollten, dann waren 200.000 TSH (also gute 77 €) einfach zu viel. Auch 160.000 TSH (≈ 61 €) für die andere Nummer wollte ich nicht ausgeben. Also sagte ich Liber ab und meldete mich wieder bei Elias, einem der Jungs von der Safari am Vortag. Der meinte, er hätte einen Fahrer (für 40.000 TSH) aufgetrieben, der Eintritt für die Hot Springs würde 10.000 TSH pro Nase betragen. Klingt gut, zugesagt, um halb zwölf sind sie da.

Afrikanische Pünktlichkeit. Ich muss glaube ich nichts mehr dazu sagen, über eine halbe Stunde später rollte wieder das kleine silberne Gefährt von gestern vor. Die hinteren Türen klemmen immer noch, die Linke geht jetzt gar nicht mehr auf, die Rechte nur mit Müh‘ und Not. Aber es fährt. Auch wenn man auf den Kunstledersitzen unglaublich schwitzt, alles besser als zu Fuß oder zu viel Geld ausgeben. Eine Dreiviertelstunden ging es quer durch Moshi, dann über eine Art Schnellstraße und schließlich noch eine ganze Weile über eine Offroad-Piste. Vor allem die Brücken sind spannend: Erstmal sind sie gefühlt zu hoch um die offenen Kanäle bzw. Gräben zu überqueren. Sollte das Wasser bis ganz nach oben stehen, dann bräuchte man schon ein Fahrzeug mit einer Wattiefe von mindestens einem Meter. Da die Brücke oben extrem kurz ist, brauchte es auch einen riesigen Rampenwinkel, sodass eigentlich nur noch ein Unimog oder vergleichbares in Frage kommen würde. Denkste. In Tanzania geht auch ein silberner Kleinwagen, auch wenns am Bodenblech ab und an richtig böse kracht.

An den Hot Springs wurde ich von Elias schmal angeschaut, weil ich nichts dabei hatte. Er und seine Schwester hatten Badesachen dabei, sie wollten es den Unmengen an weißen Touris gleichtun und in der heißen, glasklaren blau-türkisen Brühe baden. Schaut eigentlich wunderschön aus, wirklich. Interessanterweise waren deutlich weniger Instagram-Influencer-Arsch-in-die-Kamera-Mädels da als erwartet, aber die kann ich eh nicht besonders leiden um ehrlich zu sein. Elias konnte es sich nicht nehmen ins Wasser zu gehen, ich hatte natürlich nichts dabei. Einerseits hatte ich’s total verplant mal nachzusehen, was diese Hot Springs eigentlich sind, und andererseits wäre ich sowieso nicht rein. Heiße, stehende Gewässer, in denen sich viele viele Menschen aufhalten? Klingt für mich sehr nach Wurmerkrankungen, Amöbenruhr, Schistosomen und sonstige lustige Parasiten, die gerne außerhalb meines Körpers bleiben können. Zum Blog schreiben hatte ich dummerweise auch nichts dabei, also musste ich mich mit meinem E-Book auf meinem Handy und meinem Notizbuch zurechtfinden. Aber das hab ich ja lange genug trainiert.

Passend zu den extrem gewagten Sprüngen von einigen Einheimischen, die damit scheinbar ihre Paarungsbereitschaft signalisieren wollten, unterhielt ich mich lange mit Elias über Rettungsdienst, Studium und co. Ich konnte noch ein paar Kontakte vermitteln und wir lachten wirklich viel. Der Humor? Wie gewohnt sehr schwarz, aber schwarz ist ja bekanntlich meine Lieblingsfarbe.

Irgendwann tauchte Paulo, unser Fahrer, wieder auf. Er hatte scheinbar noch ein paar andere Termine und würde gerne nach Hause fahren. Ja, kein Problem, Elias aus dem Wasser bekommen und dann nach Hause. Er erzählte mir ein paar wirklich spannende Dinge, wobei es sich bei einigen gelohnt hätte, sie ein paar Tage früher zu hören: Vor allem Paviane interpretieren den Gesichtsausdruck ihrer Kontrahenten. Also böse schauen, alles gut. Schaust du freundlich oder ängstlich, dann bist du deren Opfer. Also Mama, schau: Ist manchmal doch gut, wenn ich grimmig aussehe! Aber egal. Sollte der Pavian einem gegenübersitzen, dann ist das Schlagen ins Gesicht, wie gestern geschehen, die schlechteste Option. Gib ihm was er will, dann kommst du ungeschoren davon. Wäre gut zu wissen gewesen, ich hoffe ich brauche das Wissen nicht so schnell wieder. Außerdem erzählte er uns, dass seine Farm zwischen sechs und zehn Kilometer vom Tarangire Nationalpark entfernt wäre. Da sich wilde Tiere, in diesem Falle Elefanten, nicht an die Grenzen halten, wäre es wohl ganz normal, dass er ab und an von ebendiesen Besuch bekäme. Klingt gut, ist es aber nicht. Die Tiere zerstören einiges seiner Farm, klassischer Wildschaden sozusagen. Zum Wiederaufbau zerstörter Bereich gäbe es einen nationalen Hilfsfont, der auch gar nicht so klein wäre. Außerdem hat er als Kind schon auf Kuhherden aufpassen müssen, ein guter Freund von ihm hat einen Löwenangriff überlebt und er ist bei einem Angriff geradeso davongekommen. Eine etwas andere Kindheit also die, von Justus aus Grünwald.

Die Rückfahrt war deutlich rasanter als der Hinweg. Hat allerdings nix gebracht, die Polizei stoppte uns. Paulo ist scheinbar an „meinem“ deutschen Verkehrszeichen 267 vorbeigefahren. Ein rotes Schild, darin ein weißer dicker Querbalken. Heißt auch in Tanzania „Einfahrt verboten“, hat er trotzdem gemacht, scheinbar eine beliebte Abkürzung. Kurz wars, aber auch teuer. Dumm gelaufen, aber dafür können wir ja nix. Abgesetzt wurde ich wieder im Hotel und wir vereinbarten ein gemeinsames Abendessen in der Stadt.

Eine Lokal hatte ich eigentlich schnell gefunden. TripAdvisor hilft da tatsächlich immer recht gut, zumindest in die touristischen Regionen. Ein Indisches Restaurant sollte es werden, da hatten wir alle Lust drauf. Es wunderte mich kaum, dass ich zur vereinbarten Zeit alleine dort stand, immerhin blieb mir noch kurz Zeit um die Toilette zu besuchen. Mein Bauch war irgendwie unglücklich, ob indisches Essen jetzt eine gute Idee ist? Keine Ahnung, aber was soll’s. Interessanterweise brauchte man dort den Schlüssel nur für das europäische Klo. Das afrikanische bzw. indische Modell ist frei zugänglich und auch nicht abschließbar. Wieso es so ist? Keine Ahnung. Ich hab lange überlegt, kam aber zu keiner Erklärung.

Ich aß als Vorspeise eine Portion Pommes, wobei es „Knoblauch mit Pfeffer, dazu ein Hauch von Kartoffelstreifen“ besser getroffen hätte. Aber war sehr lecker. Auch mein Hauptgericht war wirklich fein, auch wenn ich nicht so genau weiß, was es wirklich war. Ein Kilimanjaro und eine Tablette Buscopan als Nachtisch, dazu lange geredet und als sich die Nacht endgültig über Moshi legte, beschlossen wir, den Heimweg anzutreten.

Da ich einerseits wenig Lust hatte zu Fuß zu gehen, andererseits ein wenig von Bauchschmerzen geplagt wurde und zudem die Sicherheit nachts nicht so richtig einschätzen konnte, entschloss ich mich ein Bajaji zu organisieren. Den ersten herangewunken, Zeil erklärt und nach dem Preis gefragt. Als er 18.000 TSH (≈ 7 €) ansagte, lehnte ich dankend ab, sagte es seien nur fünf Minuten und wollte den nächsten anhalten. Er merkte scheinbar, dass ich es ernst meinte, sagte erst 10.000 und fragt dann, was ich denn bezahlen würde. 2.000 TSH gibts, mehr nicht. Fünftausend? Nein, ich suche mir sonst jemanden. Er lenkte bei 3.000 ein und fuhr mich nach Hause, wo ich innerhalb von 3 Minuten ankam. Im Endeffekt hat er immer noch ein gutes Geschäft gemacht, aber ich lasse mich dort nicht mehr über den Tisch ziehen.

Im Hotel angekommen bin ich nur noch ins Bad und danach in die Falle. Zu früh, aber mir ging’s nicht sonderlich gut.

Wirklich gemacht hab ich am Folgetag nichts. Ich bin um halb sieben wachgeworden, nur um direkt wieder einzuschlafen. Um halb zwölf klopfte die Hoteldame mal an meiner Türe, und fragte ob alles okay wäre. Vielleicht weil ich das Frühstück ausgeschlagen hatte. Keine Ahnung, aber es war eine nette Geste.

Am Abend musste ich dann aber einfach raus, Stimmung heben, außerdem was essen. Kaum vor der Tür stieg meine Laune auch signifikant. Ein blinkender, Lichthupe gebender Noah kam die Straße angerauscht, Richard am Steuer. Dieser hatte sogar Geburtstag an diesem Tag und lud mich abends in die Mzungu Bar ein, ein Angebot, welches ich gerne annahm, an diesem Tag konnte ich positive Stimmung wirklich sehr gut gebrauchen. Außerdem empfahl mir Richard die Maembe Bar, direkt ums Eck, zumindest wenn ich was zum Abendessen haben wollen würde. Er hatte auch überlegt mich bei seiner Familie zum Mittagessen einzuladen, aber ich hätte sicher zu tun gehabt. Leider nicht, aber konnte ja niemand wissen.

Das Essen in der Maembe Bar war recht gut, nichts was mich vom Hocker gerissen hätte, aber auch nicht wirklich schlecht. Lediglich ein Teil des Burgers schmeckte wie der Biss in einem Mehlsack, aber ich bin ja Kummer gewohnt. „Kilimanjaro ndogo baridi moja“ dazu, 23.000 TSH, also knapp zehn Euro gezahlt und im dunkeln wieder ans Hotel. Mal wieder Bauchschmerzen, was ein Mist. Lieber mal noch ne kurze Runde schlafen, vielleicht wird’s dann besser.

Klassiker: Aus „ach ich mach nur ne halbe Stunde Powernap“ werden dann knapp drei. Egal, schnell was angezogen, und innerhalb von fünf Minuten in der bekannten Mzungu-Bar gewesen. Liber und Jimmy sitzen dort, Richard allerdings nicht mehr. Er hat sich vor nicht allzu langer Zeit schon verabschiedet. Schade, aber dann trinke ich zumindest hier ein Bier. Natürlich lief – oh Wunder – Fußball und später auch noch was anderes: Wrestling. Liber erzählte lachend, dass Jimmy bis vor kurzem dachte, es wäre komplett ohne Skript und 100% real. Man schaut es dort dennoch gerne, wobei ich mich dann für Fußball entscheiden würde.

Es war bestimmt fast Mitternacht, da kam Liber, meinte, er müsse einen Auftrag seines Bruders ausführen, nämlich mich zu entführen. Ins Amuzz, wohl der Club in Moshi schlechthin. Naja, was soll ich sagen. Bin kein Clubgänger, aber wenn Richard Geburtstag hat und sich wünscht, dass ich mit ihm dorthin gehe, dann mach ich das natürlich. Als dann Liber mit einem VW T2 Bus vorfuhr um mich dorthin zu bringen, da konnte ich ja nicht mehr nein sagen. Auch wenn der Bus sicher nicht original aus deutscher Produktion stammte, und afrikatypisch etwas verbastelt ausschaut war es dennoch ein tolles Gefährt. Der Start verlief etwas holprig, aber Liber lenkte den Bus recht sicher zum Amuzz.

Dort angekommen dachte ich, wir würden einen normalen Parkplatz suchen, so wie man’s von deutschen Veranstaltungen gewohnt ist. Und natürlich ging ich davon aus, dass wir irgendwo in der Walachei parken müssten, weil’s vor Ort nichts mehr gäbe. Falsch gedacht! Wir stellten uns vor das Tor des Amuzz, Liber machte das, was hier jeder macht, wenn er reingelassen werden will: Er hupt einfach. Einfach auf die Hupe und nicht mehr loslassen bis jemand öffnet. Hat sogar funktioniert, es kamen uns zwar zwei andere Fahrzeuge entgegen, es wollte natürlich mal wieder niemand platz machen, und so standen wir mit drei Autos, alle hupenderweise, uns gegenüber und warteten, dass irgendjemand was macht. Nach einer gefühlten Ewigkeit von Hupen und Sirenen konnten wir dann einfahren und bekamen einen Parkplatz zehn Meter vor dem Eingang.

Drinnen winkte Richard sofort eine Bedienung herbei und orderte Bier. Was die Getränke im Amuzz kosteten kann ich leider nicht beurteilen, ich habe nicht ein Getränk bezahlen müssen. Dann mal trinken für lau, hat auch was. In diesem Club läuft natürlich auch Fußball, wie überall in diesem Land. Es ist einfach verrückt. Außerdem gibts Billardtische, einen großen Grill, viele viele Sitzmöglichkeiten und eine Handvoll Bars. In der Mitte steht eine Bühne, anscheinend gibts da auch ab und an mal Livemusik, ansonsten nur einen DJ und Karaoke Ausrüstung. Zu Karaoke hab ich mich nicht breitschlagen lassen. Mein musikalisch-stimmliches Talent hält sich dann doch in Grenzen, in Kombination mit meinen Swahili-Kenntnissen wäre es doch sehr sehr peinlich geworden. Also halte ich mich lieber an nem Bier, als an nem Mirkophon fest, und schaue weiter den Anderen beim „Singen“ zu. Mit „den Anderen“ sind hier vor allem Weiße gemeint. Hier sind wirklich unglaublich viele weiße Menschen im Club, laut Richard wäre das Amuzz auch eine Art Treffpunkt für alle weißen Menschen aus Moshi und eigentlich der gesamten Region. So kam ich mit diversen Menschen ins Gespräch, nicht nur mit jungen Leuten aus Tanzania, auch habe ich mich mit vielen aus Skandinavien unterhalten. Wirklich spannend, wen man so alles trifft.

Ich glaube es war halb vier als Jimmy los wollte. Im Auto angekommen verfrachtete sich Jimmy auf die Rückbank und Liber meinte, es wäre noch viel zu früh um nach Hause zu fahren. Da gebe ich ihm durchaus recht, und deshalb meinte er, wir würden jetzt mal noch „richtig feiern“. Meiner Meinung nach haben wir schon richtig gefeiert, aber ich lies mich einfach mal drauf ein. Jimmy schlief sowieso direkt ein, also konnten wir auch einfach zu zweit weiter losziehen.

Liber stoppte den kleinen grünen T2 Bus vor dem „Red Stone“. Wer an Minecraft denkt muss enttäuscht werden, hierbei handelt es sich um einen weiteren Club. Tanzaniatypisch befand sich direkt davor auch ein Grill, ich hatte wirklich Hunger und bestellte einmal Chipsy ohne alles. Nach ein paar Minuten wurde mir ein durchaus kleiner Teller mit ein paar Chipsy gereicht, der junge Mann verlangte 5.000 TSH. Tatsächlich recht viel, aber ich hatte sowieso noch einiges an Bargeld dabei, Hunger hatte ich sowieso und im Vergleich zu deutschen Preisen ist’s immer noch ok. Liber sah das Ganze leider etwas anders, und explodierte förmlich vor dem Stand. Ich habe nicht wirklich verstanden, was er dem jungen Mann an den Kopf geworfen hat, aber freundlich war es sicher nicht. Die Ganze Nummer wurde gekrönt, indem Liber die Chipsy postwendend über die Theke zurückfeuerte, ungeachtet dessen, dass ich immer noch von Hunger geplagt wurde. Er hätte sie ja weder essen noch bezahlen müssen, fühlte sich aber dennoch irgendwie angegriffen. Egal, wir gingen direkt in den Club, auch wenn wir schnurstracks zum VIP-Bereich geführt wurden, gab es dort nur Bier und sonstige Getränke. Kein Essen. Also Niklas hungrig.

Mein Hunger konnte auch durch eine Handvoll Getränke nicht gestillt werden, zumindest machten wir uns gute zwei Stunden später auf in Richtung Bett. Am Bus angekommen schlief Jimmy immer noch tief und fest darin, ich weiß nicht ob er überhaupt mitbekommen hat, dass wir unterwegs waren. Im Bus drehte Liber den immer noch steckenden Schlüssel im Schloss um, der Anlasser verrichtete kreischend seine Arbeit, allerdings ohne Erfolg. Es wurde georgelt und gedreht, geflucht und ausgestiegen. Aber half alles nix, die Kiste blieb aus. Jimmy? Pennt. Liber kam irgendwann auf den Trichter, dass es wohl an Kraftstoff fehlen würde. Ja klar, es musste ja irgendwann mal so kommen, dass ich mit einem Auto liegenbleibe. Morgens um sechs in Moshi ist jetzt nicht mein favorisierter Zeitpunkt, aber ändern konnte ich’s nicht. Es wurde ein Boda-Boda bestellt, ich wurde nach 20.000 TSH gefragt – übrigens dem einzigen Geld, was ich an dem Abend ausgegeben habe – und Liber wurde schon abgeholt. Ich wartete alleine mit einem schlafenden Jimmy im Bus. Schon ein wenig komisch, so nachts alleine in nem alten T2 Bus, ein schlafender, schnarchender Mann auf dem Rücksitz und der Fahrer auf nem Moped unterwegs um Sprit zu kaufen.

Liber zurück, Sprit im Bus, Schlüssel rumgedreht, Bus läuft. Also scheinbar doch alles gut und nichts kaputt. Es wurde mal wieder extrem wenig getankt, ich wusste auch nicht so genau, wo wir waren, und ich machte mir ernsthaft sorgen, ob wir überhaupt zum Hotel zurück kommen würden.

Am Hotel angekommen versperrte uns mal wieder das Tor die einfahrt. Ich ahnte es schon: Auf die Hupe gehauen bis sich was rührte. Die arme Frau vom Hotel sah schon etwas genervt aus, wobei ich mittlerweile der Meinung bin, dass sie einfach nur verschlafen war. Sie öffnete uns, Liber kippte mich vorm Hotel ab, ich ging direkt ins Bad, Zähne putzen und danach gleich ins Bett.

Mein Wecker rief mich um neun Uhr dreißig an. Das Frühstück wollte ich schon nicht verpassen, also schälte ich mich um kurz vor zehn aus der Koje und wackelte in Richtung Frühstück. Die Dame, die mir vor einigen Stunden das Tor öffnete war scheinbar überhaupt nicht sauer oder genervt von mir, sie begrüßte mich wirklich freundlich und brachte mir Frühstück. Zu meiner Freude hatte unsere Party keine körperlichen Blessuren hinterlassen, und vor allem blieb der erwartete Kopfschmerz fern. Die zweite sehr positive Sache war, dass man mir extra Milch besorgte, vermutlich irgendein Milchpulver in Wasser gelöst, aber diese Brühe machte die andere Brühe, die man hier Kaffee nennt, durchaus trinkbar. Wirklich freundlich und aufmerksam.

Eigentlich wollte mich Liber um zwei abholen. Geplant war zunächst das Kaufen des Zugtickets für den folgenden Tag, da ich an dem Online Buchungssystem wie gesagt verzweifelte und ein anschließender Besuch bei der örtlichen Feuerwehr. Da mich eine SMS erreichte, in welcher Liber die Abfahrt auf vier Uhr verlegte, konnte ich noch ganz entspannt (kalt) duschen, Blog schreiben und mein Buch lesen. In der Lobby des Hotels stehen drei Sofas, diese bieten sich dafür bestens an. Die Kühlschränke vornedran sind zwar aus, sollte man aber ein kaltes Getränk trinken wollen, dann bringt die nette Hoteldame eins aus der Küche. Zum Schreiben ein durchaus guter Ort. Außerdem ist es sehr praktisch, dass meine Toilette nur wenige Meter entfernt ist. Mein Bauch machte irgendwie wieder mucken.

Um halb fünf war Liber immer noch nicht da. Auf meine SMS antwortete er nicht, auch meine Anrufe blieben für die nächsten Stunden unbeantwortet. Leicht angefressen stampfte ich alleine in Richtung Bahnhof, in der Hoffnung, dass dort noch jemand sei und ich dementsprechend mein Ticket buchen kann. Ich hatte ja nicht mehr so viel Zeit um wieder nach Dar Es Salaam zu kommen, also war es durchaus wichtig, den Zug am Folgetag zu nehmen.

Um sechs am Bahnhof. Und wie vermutet: Keiner da. Laden dicht. Am Bahnsteig habe ich ein paar recht offiziell ausschauende Damen gefunden, die Gewehre deuteten dann doch wieder auf Sicherheitsdienst hin und ihr Aussagen halfen mir auch nicht sonderbar. Sie meinten nur die ganze Zeit irgendwas von „Kesho“, das heißt so viel wie „morgen“. Ob der Zug morgen fährt, oder ob das Ticket-Office morgen öffnet, das habe ich leider nicht rausbekommen. Ich konnte Liber immer noch nicht erreichen und war mittlerweile schon ziemlich sauer, machte mir aber auch irgendwie Gedanken, ob nicht etwas passiert sein könnte. Dass er sich gar nicht mehr meldet ist ungewöhnlich, sein Bruder wusste auch nichts von ihm. Ich ging dann dazu über, die Aushänge am Bahnhof zu studieren. Alles auf Swahili, nichts auf Englisch, aber die Google-Translator-App mit Livebild Übersetzer hilft da ungemein. Ich wusste dann, dass ich bis zu 70 kg Gepäck, mitnehmen darf, und ich nicht mehr mitgenommen werde, wenn ich über dem fünften Schwangerschaftsmonat bin. Scheinbar aus gesundheitlichen Bedenken. Ich fragte mich echt, wie wild diese Fahrt werden würde, wenn das eine echte und begründete Sorge ist. Was ich nicht fand waren Öffnungszeiten oder eine Telefonnummer. Die Preise scheinen allerdings absolut fix zu sein, da muss ich mir keine Sorgen zu machen. Die Idee, auf der Website der tansanischen Bahn nachzuschauen stellte sich auch als wenig erfolgreich raus. Mein erneuter Versuch, ein Onlineticket zu buchen scheiterte mal wieder an der falschen Passnummer, auch wenn ich „foreign Passport“ auswählte, dann wurde dennoch eine Nummer in tansanischem Format verlangt. Nächste Idee: einfach mal anrufen! Englisch ist eine Landessprache, an der Hotline wird sich wohl irgendjemand melden, der/die der englischen Sprache mächtig ist. Naja, soweit kam ich gar nicht. Telefonnummer kopiert, gewählt und es meldete sich direkt eine VodaCom-Ansage. Ansagen von VodaCom sind ganz normal. Was sie bedeuten? Kein Plan, ist ja alles Swahili. Nur diese Ansage klang irgendwie anders. Die folgende englische Ansage verriet mir dann, dass die Nummer nicht vergeben wäre. Ach come on, dachte ich mir und war etwas angenervt, dass hier scheinbar noch weniger als bei der DB funktioniert. Eine letztes, noch ungenutztes Formular zog meine Aufmerksamkeit vollständig auf sich: „Fahrt suchen“ lautete es. Vielleicht kann ich ja hier buchen? Naja, was soll ich sagen: draufgeklickt, Error 500, internal server error. Hab dann endgültig kapituliert und gehofft, dass ich am nächsten Tag buchen und den Zug nehmen kann.

In der Dämmerung machte ich mich auf um mein Hungergefühl zu stillen. Ich lief einfach mal los ohne echtes Ziel, nur grob zurück in Richtung Hotel. Natürlich wurde ich als weißer Touri erkannt und direkt von zwei Männern angequatscht. Ich bin dann aber doch so gut im Abwimmeln geworden, dass ich beide recht schnell abblitzen lies und weiterhin nach was Essbarem suchen konnte. Mit Zwischenstopp in einem Supermarkt fand ich einen Chipsy-Stand und bestellte eine Portion. Ja, ich esse oft das gleiche, aber meine Probleme mit meinem Bauch waren dann doch nicht so lustig und ich war froh, dass ich was gefunden hatte, was eigentlich immer ging.

Kurz vor dem Hotel rief mich Liber an: Er entschuldigte sich wirklich oft und erklärte, dass er Probleme mit dem T2 hatte. Mir wurde auch klar, wieso wir am Vortag keinen Sprit mehr hatte. Lag wohl nicht am verbrauch, sondern eher an der undichten Benzinleitung. Beim Starten des Busses auf einer anderen Tour mit Touristen fing das gesamte Heck Feuer und alles brannte. Immerhin konnte schnell genug gelöscht werden, sodass der Bus nicht gänzlich ausbrannte und den Insassen nichts passierte. Also Glück im Unglück! Zudem war sein Handy noch leer und aufladen war an nem brennenden Bus auch nicht drin, dementsprechend konnte er sich einfach nicht melden, war aber sehr verständnisvoll, dass ich etwas angenervt war. Im Endeffekt war ich froh, von ihm gehört zu haben, für den nächsten Morgen wurde mir versprochen, dass wir wirklich alles klären würden.

Zurück im Hotel schrieb ich noch ein wenig Blog, telefonierte lange und packte ein paar Sachen zusammen, irgendwann nachts ging ich ins Bett und schlief recht gut. Morgen gehts dann weiter nach Dar Es Salaam, sofern die Bahn mitspielt, und vielleicht sogar doch noch zur Feuerwehr Moshi. Das wäre wirklich cool!

Bis dahin…

Im nächsten Eintrag gehts dann um das, was man hier wohl als „Feuerwehr“ bezeichnet, um ein wenig Planungschaos und um die wohl wildeste Zugfahrt meines LebensAlso stay tuned!

Ngorongoro Crater

KL561, über den Wolken, Planet Erde // 0500 UTC

Bin mittlerweile gelandet und gut zu Hause angekommen, der letzte Beitrag hat schon Bilder bekommen und die letzte Woche folgte die Tage. Bis dahin viel Spaß beim Lesen!

Aufstehen

Mein Handydisplay war das einzige, was an diesem Morgen leuchtete. Der Rest: dunkel. Stromausfall! Aber was soll’s, ich bin ja dran gewöhnt, mir macht‘s schon seit langem nichts mehr aus. Eine doofe Folge: Natürlich laden Handy und Tablet nicht, sie haben auch kaum was an Ladung dazubekommen. Also muss der Strom ziemlich schnell, quasi direkt nachdem ich eingeschlafen bin, ausgefallen sein. Hoffentlich hat der Landcruiser heute eine funktionierende Steckdose, das ist ja nicht so gesagt. Gestern und vorgestern wäre es eher problematisch geworden. Es hat auch richtig heftig geregnet, kein wunder, dass der Strom weg ist. Fast schon Liulianer Verhältnisse in Mto wa Mbu.

Und noch mehr Liuli hier. Die Dusche ist, wie soll es anders sein, bei einem Duschkopf der Strom zum Wasser erwärmen braucht, natürlich kalt. Dunkel ist es auch noch, es kommen richtig nostalgische Gefühle hoch. Ich muss unwillkürlich an die Familie aus den Staaten im Nachbarzimmer denken. Die sind ja vorgestern im Geländewagen ohne Strom kaum ausgekommen, wie wird es ihnen heute morgen gehen? Dunkel. Kalt. Ohne Strom. Es bleibt spannend.

Frühstück

Das gleiche wie am Vortag, dieses mal nur für mich alleine gedeckt. Dazu stehen noch überall kleine batteriebetriebene Leuchten, man ist auf den Powercut vorbereitet. Alles tiptop. Apropos „Tip“: Einer der Kellner (oder Küchenangestellten?) kam nach dem Frühstück, fragte ob es lecker wäre (ja, das war es!) und bat mich um einen kleinen Tip, also ein Trinkgeld. Die Jungs und Mädels waren wirklich sehr zuvorkommend, also in der Hosentasche gekramt, 5.000 TSH, was ungefähr 2 € entspricht, gefunden und dem überglücklichen jungen Mann in die Hand gedrückt. Es wurde sich bedankt, abgedeckt und ich konnte in Ruhe meinen Kaffee trinken. Von den Amis immer noch keine Spur, obwohl die Abfahrt für jede Safari zwischen halb acht und halb neun sein sollte. Aber vielleicht ist amerikanische Pünktlichkeit mit Afrikanischer vergleichbar.

Abfahrt

Eigentlich für halb acht geplant. Mit pünktlichem Eintreffen des Fahrers habe ich selbstverständlich nicht gerechnet, also bin ich erst mal in aller Ruhe zu meinem Zimmer, nochmal kurz auf Toilette, hab mein Zeug geholt und dann um zehn nach acht, oder vielleicht noch was später, wieder in den Aufenthalts- und Essensbereich. Alleine. Ohne Fahrer. Hab ich‘s doch gewusst! Ich muss nur aufpassen, dass ich dieses Gefühl von Pünktlichkeit nicht auf Deutschland adaptiere, könnte durchaus schwierig werden.

Mit einer Verspätung von 45 Minuten rollte mein Wagen vor. Wieso es länger gedauert hat sollte mir wenige Minuten später klar werden. Mein Kram wurde eingeladen, ich setzte mich auf den vordersten Platz im hinteren Wagenteil – von dort aus kann man meiner Meinung nach am besten sehen – und die Fahrt ging los. 

Auf der Straße: Überschwemmung. Überall. Die Hauptstraßen sind, trotz der großen und tiefen Gräben links und rechts, komplett überschwemmt. Bis zur Radnarbe fahren wir eigentlich immer durch die braune Brühe, keine Chance darunter zu sehen. Wie hier noch Bajajis fahren können, ein Rätsel. Hier zeigt sich auch wieder, wie wichtig Ortskunde ist: Die super tiefen Gräben sind natürlich nicht mehr zu erkennen. Wie auch? Alles unter einem Spiegel bräunlich-schlammiger, schwappender Brühe begraben. Nichts desto trotz muss ja von der Fahrbahn auf die Wege daneben gefahren werden. Dazu gibt es oftmals, wenn auch wenig vertrauenswürdige Brücken, bei denen ich bei Tageslicht und ohne Wasser ein wenig mehr Bauchschmerzen bekommen. Wer hier in der aktuellen Situation mit seinem Bajaji oder Boda-Boda drüberheizt, der ist sich seiner Sache entweder extrem sicher oder lebensmüde. Aber nichts dazwischen.

Weitere Mitfahrer:innen

Ich habe schon viele schlechte Straßen in diesem Land gesehen, aber so schlimm wie der Weg, zum anderen Camp, war sicher keine. Rosselhalde oder Geröllpiste würde es viel besser treffen, aber „Weg“ oder gar „Straße“ sind echt weit weg von der Realität. Hingequält, eine Bauern und Jungen mitsamt deren Ziegen weggehupt und am anderen Camp vorgefahren. Wir werden schon erwartet.

Über die Piste, die seit dem Hinweg nicht merklich besser wurde, ab zur Straße, tatsächlich mit festem Unterbau und zu allem Überfluss noch asphaltiert, welche uns auf direktem Weg zum Nationalpark „Ngorongoro Crater“ führen sollte. 

Rand

Unser erster Zwischenhalt war an einem Aussichtspunkt am Rand des Kraters. Hier oben ist’s dann doch recht kühl gewesen, immerhin waren wir auf über 2.200 Metern. Der Blick in den Krater war beeindruckend: gute 20 Kilometer Durchmesser, die Ränder über 500 Meter hoch und ziemlich steil, übrigens sogar so steil, dass es keine Giraffen im Krater gibt, sie schaffen es nicht, den Abhang nach unten zu gehen. Ansonsten fiel mir nur eine weitere fehlende Radmutter auf, aber nimmt man hier nicht so genau. Nach einer halben Stunde Aufenthalt, aussteigen und Bildern schießen, fuhren wir weiter zur Kraterabfahrt.

Um halb 12 erreichten wir die letzte Kontrollstelle, wir öffneten das Dach und fuhren in den Krater ein.

Im Krater

Wir brauchten gut 15 bis 20 Minuten, nur um am Rand nach unten zu fahren. Die Straße nach unten war tatsächlich noch recht gut, zugegebenermaßen wäre alles andere auch etwas unverantwortlich, immerhin fahren hier Unmengen an Touristen Fahrzeug an Fahrzeug tagtäglich in den Nationalpark ein. Außerdem ist Regenzeit, wie es bei dem Schlamm anderweitig funktionieren sollte? Vermutlich gar nicht.

Unten angekommen hörte die gute Straße natürlich auf. Alles fühlte sich etwas mehr nach Off-Road an, aber ich mag’s echt gern. Dummerweise wird die Handschrift, mit der ich mein Notizbuch führe, durch das Gewackel nicht unbedingt besser. Aber ich bin ja Hieroglyphen gewohnt.

Begrüßt wurden wir von ein paar Büffeln fernab begrüßt. Also Nummer eins der Big Five mal abhaken. Vielleicht bekomme ich ja hier alle fünf zusammen. Mal sehen. Ein weiteres großes, graues Tier zog meinen Blick auf sich: Ist es eine Kuh? Irgendwie nicht. Ist aber auch keine Antilope. Es schaut irgendwie total zerzaust aus, könnte aber auch genauso gut eine entscheidende Rolle in einem halbguten Horrorfilm spielen, oder einfach auf dem Artwork eines Black-Metal-Albums zu sehen sein. Beim Nähern erklärte uns Stewart, dass es sich um Wildebeest handelt, ich könnte mit dem Namen natürlich gar nix anfangen, mir lag der Deutsche aber auf der Zunge. Half nix, Handy raus, gegoogelt: Gnus. Es handelte sich um Gnus. Ehrlicherweise dachte ich, dass sie etwas weniger gruselig ausschauen, aber dennoch sehr spannend. Zugegebenermaßen taten sie aber nichts, als stehend zu kauen. Oder liegend zu kauen. Oder sich hinzulegen. Aber ich habe nicht gesehen, dass eines dieser Tiere auch nur einen Schritt macht. Scheinbar recht gemütlich. Außerdem sah ich ein paar riesige Antilopen. Also wirklich riesig. Wer, so wie ich, dachte, dass Antilopen immer was vom deutschen Reh haben, der irrt. Diese Antilope hatte mehr was von einem Zwanzigjährigen, der seinen Frust im Fitnessstudio mit etwas zu vielen Anabolika ertränkt. Ich meine, Stewart sagte was von „Elenantilope“, aber ich bin mir nicht mehr 100 Prozent sicher. Natürlich gab’s auch hier noch die „normalen, reh-igen“ Antilopen, die man sich normalerweise vorstellt. Zebras sowieso in Unmengen.

Stewart stoppte. Ich habs im ernsten Moment gar nicht gesehen, aber links im Gras, da lag ein männlicher Löwe, schaute sich ein wenig um. Nummer zwei der Big Five abgehakt. Etwas weiter vergnügte sich ein weibliches Exemplar mit dem Zerfleischen einer, nicht mehr ganz so lebendigen, Antilope. Muss scheinbar geschmeckt haben, zumindest haute sie gut rein, und der gesamte Kopf war komplett triefend in Blut getränkt. Die Schakale, welche sicher auch gerne was gehabt hätten, die mussten sich erst mal hinten anstellen, zu ihrem Pech tauchte eine zweite Löwin auf, die sich sicher auch an den guten Stellen labte. Auf der anderen Seite unseres Autos sahen wir noch andere Raubtiere, welche auch deutlich größer und stimmiger waren, als ich dachte. Hyänen. Total verrückt, diesen Tieren möchte ich nicht unbedingt alleine begegnen.

Nummer drei und vier auf der Liste der Big Five folgten nur wenige Minuten später. Am Horizont war eine große Elefantenherde zu sehen. Ja, Elefanten hab ich ja schon viele, aber natürlich nie genug, gesehen. Unser Guide meinte dann, dass wir Glück hätten. In Mitten der Herde würde sich ein Nashorn, also meine Nummer vier, bewegen. Alle brauchten einen Moment, um das Tier auszumachen. Im Endeffekt war es ein grauer niedriger Klops, der sich in einiger Entfernung bewegte, inmitten vieler anderer grauer, etwas höherer Klopse. Mit geschärftem Blick konnte ich dann sogar ein zweites entdecken. Wenn man den offiziellen Angaben trauen mag, hab ich somit ca. acht Prozent der Nashörner gesehen. Es ist allerdings nicht wahrscheinlich, dass die tansanischen Behörden die richtigen Zahlen an die Öffentlichkeit geben. Nicht aus Geheimniskrämerei, tatsächlich um diese seltenen Tiere zu schützen.

Und hier noch zwei Bilder, die sonst nirgends Platz hatten:

Pause

Pause im Auto, zumindest ist dies ratsam, sofern man seine Lunchbox nicht geklaut bekommen möchte. Nicht von Affen, hier sind die Adler das größere Problem. Also im Auto bleiben und dort mal gemütlich essen. Der Parkplatz ist direkt an einem kleinen See, oder eher Tümpel, gelegen. Schön anzusehen, allerdings fragte ich mich, wie viele tödliche Tiere wohl darin leben würden. Nachdem ich auf Toilette war, wurde mir dir Frage mit: „Zumindest Nilpferde“ beantwortet. Denkst dir nix, gehst auf Klo, in der Zwischenzeit tauchen Hippos aus dem Wasser auf, und tauchen natürlich sofort wieder ab, wenn du auch nur die geringste Chance hättest, sie zu sehen. Doof gelaufen, aber hab ja viele anderen tolle Tiere gesehen.

Nach der Pause

Andere Tiere gab’s nach der Pause nicht zu sehen. Schade. Also konnte ich meine Big Five nicht vollmachen, Nummer fünf, in meinem Fall der Leopard, der fehlt. Aber alles nicht so schlimm, ich hab echt tolle Tiere, und eine wunderschöne Landschaft gesehen. Stewart prügelte unseren Geländewagen weiterhin durch den Krater, deutlich unsanfter als noch vor der Pause. Nach 45 Minuten afrikanischer Massage ging’s aus dem Krater nach oben. Wenn alle anderen Safarifahrzeuge vor einem stehen bleiben, dann bedeutet dies normalerweise, dass Touris irgendwas entdeckt haben und am geiern sind. Diese Attraktion konnte man tatsächlich kaum übersehen. Wäre auch schlecht gewesen, ein Wildunfall mit diesem Tier geht normalerweise 1:0 für es aus. Am Wegesrand lagen einfach mal so zwei Büffel. Ich hab sie nie aus dieser Nähe gesehen. Absolut krass, die Viecher sind schon riesig, kein Wunder, dass jedes Jahr Einige durch Büffelangriffe versterben.

Der Pavian

Normalerweise fährt man durch das Main-Gate des Nationalparks nicht nur in diesen ein, man verlässt ihn auch durch ebendieses. Diese Regel wurde ohne Ausnahme hier angewendet. Eine andere Regel, welche normalerweise ausnahmslos beachtet werden sollte ist, dass an diesem Gate das Dach des Toyota zu schließen ist. Hier gibt’s Unmengen an Pavianen, und da Paviane nicht dumm sind, wissen diese, dass es in diesen Toyota Lunchboxen gibt. Wenn man allerdings das Dach nicht schließt, dann erkennt der Pavian es. Dann kann der Führer noch so viel rufen: „Close the roof!! He is coming!! Close it!! In the back!!“, wenn die Mechanik am Dach klemmt, dann kommt der Pavian. Ins Auto. Und sucht nach Lunchboxen. Nun saß der gute Herr Pavian auf dem Schoß von einem der Jungs aus Österreich. Wenn man von einem Pavian angefaucht wird, dann sollte man dem Pavian geben was er will. Oder jemand anderes sollte was Essbares rauswerfen, in der Hoffnung er sieht es und rennt hinterher. Wer sich fragt, ob es nicht vielleicht eine gute Idee wäre, dem Pavian im Affekt ins Gesicht zu hauen, dem sei hier die Antwort gegeben: Nein. Paviane sind hart im nehmen, und wehren sich. Meistens beißenderweise. Ist ja nicht so, dass ich morgens noch zu Affenbissen gefragt wurde, ob sie gefährlich wären oder so. Naja der Biss an sich nicht, aber die Infektion auf jeden Fall. Da unser Mitfahrer mit dem Biss Bekanntschaft machen musste, aber die Infektion gerne da bleiben kann wo sie herkam, wurde ich auf den Plan gerufen. „Niklaaaaaas, hast du da ggf. was für dabei??“. Dieser Satz funktioniert scheinbar auf der ganzen Erde, aber egal. Erst mal in Wunddesinfektion getränkt, bluten lassen und wieder desinfiziert. Gut gemeinter Tipp an dieser Stelle: Bitte gegen Tollwut impfen lassen, und bei einem Tierbiss die Blutung nicht stoppen. Wenn es natürlich ein so großes Loch ist, dass eine Kuh daraus Blut saufen könnte, dann bitte zuerst die Blutung stoppen, dann ist die Wundinfektion aber auch nicht das primäre Problem. Bei kleineren Wunden gerne ein wenig mehr bluten lassen. Aber zurück in die Situation: Kollege Pavian Biss einmal kräftig in den Arm seines Kontrahenten, sprang quer durch die Karre, suchte selektiv nach einer Lunchbox, schnappte sich eine und verließ das Fahrzeug wieder postwendend. Schlaues Kerlchen. Da es keinerlei Anzeichen für Tollwut gab, verzichteten wir auf das Suchen von Simultanimpfungen, welche es vermutlich sowieso nur in Nairobi geben würde. Kollege Pavianschläger hatte dummerweise seinen Reisepass verloren, also fiel Kenia so oder so raus. Um die antibiotische Therapie sollte sich dennoch gekümmert werden, am besten so schnell wie irgendwie möglich, aber das ist hier tatsächlich kein Problem. Dank meiner kompetenten Hilfe aus Deutschland wusste ich wenig später, dass bei Affenbissen die gleiche Antibiose wie bei Menschen- oder Hundebissen eingesetzt wird. Rezeptieren? Easy! Man nehme einen zerknitterten Zettel, reiße ihn ein wenig ein, so dass er möglichst unliebsam behandelt aussieht. Dann schreibt man darauf die Antibiose samt Dauer und Häufigkeit pro Tag, zerknüllt den Zettel wieder und gibt ihn so an seinen Patienten. Hätte ich das „Rezept“ auf einen schönen, glatten Zettel geschrieben, dann hätte keine Apotheke geglaubt, dass es sich um ein echtes Rezept handeln würde. So konnten die Tabletten noch am gleichen Abend besorgt werden, absolut problemlos und ohne Nachfragen.

Pause

Viertel vor fünf wars, Stewart hielt an, faselte was von kostenlosem Kaffee und hielt auf dem Weg Richtung Arusha an der Straße an. Ein großer Souvenierladen und ein Café erwarteten uns dort. Erst nochmal nach dem Pavianarm geschaut, alles gut, dann zum Café. Einen Kaffee bestellt, und die Rechnung bekommen. Aber Moment, da stimmt doch was nicht: Hieß es nicht „kostenloser Kaffee“? Ja, hieß es, aber nur noch für den Fahrer. Also eine Masche um die Guides dazu zu bewegen anzuhalten. Deshalb sagte Stewart wohl auch, dass wir da nichts kaufen müssten. Doof gelaufen. Immerhin wurde mir mein Kaffee, wohl als Lohn für die Pavianaktion, gezahlt. Danke!, aber ich hab’s auch so gerne gemacht.

Unser Grieche hörte nicht auf Stewart, er kaufte etwas. Wurde dabei leider böse über den Tisch gezogen. Er wollte einen kleinen Stein aus Tanzanite kaufen. War mit 210 TSH ausgezeichnet, konnte aber nur mit Karte gezahlt werden. Also nehmen, zum Tresen, Karte ins Gerät, 210 USD abgebucht bekommen. Das ist das 2.339-fache. Er hat’s gemerkt, und wohl seine Bank kontaktiert. Ob er das Geld wieder bekommt steht allerdings in den Sternen.

Arusha

Die Fahrt dorthin verlief gewohnt wild. Überholmanöver, für die man in Deutschland sicher nicht ohne einem Jahr Fahrverbot mit anschließender MPU davonkommt, Männern, die auf vollgeladenen LKW mitfahren, unbeleuchteten Fahrzeugen bei absoluter Dunkelheit usw. Mittlerweile alles normal.

Jimmy war schon dabei meine Rückfahrt nach Moshi zu organisieren, vermutlich mit dem Bus, als mich eine freudige Nachricht erreichte: Elias, der andere Österreicher, ohne Biss, und seine Schwester müssen auch nach Moshi und haben über Bolt bereits einen Fahrer bestellt. Natürlich würden sie mich auch mitnehmen, Kohle dann durch drei. Perfekt!

In Arusha setzte uns Stewart an einem Supermarkt ab. Ja, einem echten Supermarkt. Ich war begeistert! Seit sechs Wochen eine solche Institution nicht mehr von innen gesehen. Also schnell rein, ich fühlte mich wie im Paradies! Es gab Zahncreme, Brot und sogar Käse! Also erst mal ein wenig eingekauft, natürlich auch einen dicken Block Käse, er schmeckte wundervoll. Alles besser als die Reisbällchen aus Liuli. Es fühlte sich wirklich verrückt an. Vor „Shoppers“ befand sich auch noch ein Pizza-Hut. Ja, ich weiß, Fast Food und so, aber mal fragen wie lange es dauert kann nicht schaden. Leider hätte es fast ne halbe Stunde gedauert, unser Fahrer sollte aber in zehn Minuten da sein. Also keine Pizza. Hätte ich gewusst, dass Paulo, unser Fahrer, auch noch gemütlich ne halbe Stunde einkauft, dann hätte ich die Pizza gegessen. Aber ich hatte ja Käse und Brot, also alles entspannt!

Ich schlief erst mal ne Runde im Auto, auch wenn ich meinen Pulli ausziehen musste, auf den Kunsterlederimitat-Sitzen schwitze ich wie ein Schwein. Die Fahrt dauerte sowieso ewig, durch den Verkehr brauchten wir über das doppelte, also über zwei Stunden von Arusha zurück nach Moshi. Überholmanöver, fehlendes Licht… Ihr kennt es.

In Moshi wach geworden, schon am Hotel „Rose Home“ zurück. Natürlich vergessen Jimmy zu schreiben, ob er ein Zimmer organisiert hat. Aber das Hotel ist sowieso nicht so gut besucht, also war es auch so kein Problem. Die Dame des Hauses öffnete etwas verschlafen das Tor, führte mich in das Zimmer, welches ich am Sonntag morgen verlies und ging direkt wieder ins Bett. Mit Elias tauschte ich noch Nummern aus und wir verabredeten uns für den nächsten Morgen.

Das war’s mit Safari. Es war wirklich wunderschön, ich habe viel gesehen, und das Geld war’s auf jeden Fall wert. Ganz viele Bilder folgen hier, in dem letzten Eintrag gibt’s jetzt auch welche! Da noch eine Woche, und ungefähr 100 Seiten im Notizbuch fehlen, wird es die Tage noch ein paar Einträge geben. Auch wenn Niklas nicht mehr in Afrika ist, dann kann er noch von Afrika schreiben, einige kuriose Dinge sind auf jeden Fall zu berichten. Also stay tuned!

Noah 2

Hotel Rose Home, Moshi, TZA // 23:30 Ortszeit

Aufstehen und Abfahrt

Da ich dachte, wir würden zwischen 7 und 8 weiterfahren, wollte ich um halb 7 aufstehen. Schnell duschen und Zähne putzen, zu packen hatte ich ohnehin quasi nichts. Ich bin auch früh genug aufgestanden und freute mich auf eine schöne warme Dusche. Wirklich warm war‘s nicht in Mafinga. Ich hab sogar ne Decke gebraucht nachts. Hab ich in Tanzania auch nicht erwartet. Aber was soll’s, war ja alles da. Unter der Dusche dann aber die Enttäuschung: nur kalt, aber immerhin Wasser. Schon mal ein Fortschritt zum Vortag. Also stehe ich im kalten Mafinga unter einer kalten Dusche. Dummerweise ist mir mein Block Haarshampoo noch in Stücke gebrochen, auch Mist, aber immerhin hab ich genug dabei. Also erst mal mit kaltem Wasser die Krümel in den Haaren verteilen, schön einmassieren und danach wieder mit ebenso kaltem Wasser rauswaschen. Der Körper folgte sogleich, und ich sag‘s wies ist: In den letzten 5 Sekunden meiner Dusche fing das Wasser dann an minimal wärmer zu werden. Wenn es allerdings in gleichbleibenden Geschwindigkeit wärmer geworden wäre, dann wäre es jetzt bei 17 Grad. Vielleicht. 25 Minuten nach meinem Aufstehen war ich komplett angezogen, geduscht, und alles gepackt. Mal sehen wann die Anderen fertig sind.

Also bin ich mal kurz raus, niemand da. Wieder kurz zurück ins Bett, kurz hingelegt, und kurz die Augen zugemacht. Zack. Viertel nach acht, es klopft an der Tür. Ich natürlich sofort hellwach, springe auf, gehe zur Tür. Erwartung: Alle sind fertig, sitzen im Auto, sichtlich angepisst, und ich bin der letzte. Wirklichkeit: Liber klopft, er ist grad aufgestanden, sonst ist noch niemand wach, er fängt an, sich fertig zu machen und wollte mich nur freundlicherweise wecken. Die afrikanische Pünktlichkeit eben. 

Um viertel vor neun sind dann auch endlich alle fertig und abfahrbereit. Sogar Hussein ist wieder da, auch kommt Uli aus dem Hotel geschleppt. Dummerweise ohne Handy, aber das ist erstmal egal, Hussein hat zum Frühstück eingeladen.

Frühstück

Fünf Minuten später wird Noah auf Husseins Hof zum Halten gebracht. Ein freundliches „Karibu nyumbani“ mit folgendem „Karibu chakula“ lädt zunächst ins Haus, dann zum Essen ein. Mal wieder werden wir alle auf eine Couch verfrachtet, im Hintergrund läuft ein Film im Fernsehen, in der Küche wird schwer gewerkelt. Ich erwarte mal wieder etwas Kleines, aber eigentlich müsste ich es mittlerweile besser wissen: Suppe, natürlich mit Huhn, und Chapati werden gereicht. Die Suppe ohne Huhn ist sehr lecker, auch sind die Chapati wirklich phänomenal. Also wieder erstmal richtig den Bauch vollgeschlagen, wer weiß, wann es wieder etwas gibt. Dummerweise gingen meine Essensaktionen zu lange zu gut. Bauch meldet sich, ich frage freundlich, ob ich nicht mal die Toilette benutzen dürfte, und werde sogleich dorthin geführt. Jetzt ist es als Mensch, der das europäische Modell gewohnt ist, gar nicht so einfach. Der Mangel an entsprechendem Papier ist mir noch früh genug aufgefallen, und so ging ich nochmal fix zum Auto. Zurück im Schapp vollführte ich irgendwie mein Kunststück, war danach aber deutlich erleichtert, und meine Bauchschmerzen waren wie weggeblasen. Also alles gut. 

Handy

Wie schon ganz am Anfang berichtet, braucht man in Tanzania zum kaufen einer SIM-Karte einen Personalausweis, eben weil die Karte auf den Ausweis registriert wird. Doof ist nur, wenn die Karte verloren geht, dann braucht man erst mal nen Wisch von der Polizei, dass der Verlust gemeldet und die Karte gesperrt ist. Wieso das alles recht schnell passieren sollte, erklärt folgender doofer Umstand: Es gibt hier das M-Pesa System. Es erlaubt einem, Geld auf das Handy bzw. die SIM-Karte zu senden, und damit dann entweder zu bezahlen oder sich das Geld auszahlen zu lassen. Am Vortag benötigte Richard Bargeld, da es aber weit und breit keinen Geldautomaten gab, der seine australische Karte akzeptieren wollte, wurden kurzerhand 300 AU$, was ungefähr 470.000 TSH entspricht. Also ner Menge. Mit dem Verlust des Handys war auch erst mal das Geld weg. Sehr doof. Also erst zur Polizei, dann zum Vodacom-Shop. Was dort genau gemacht wurde, keine Ahnung, wir hielten auch mehrmals bei unterschiedlichen Shops an. Im Endeffekt konzentrierte ich mich nur noch auf das schwappende Geräusch. Scheinbar hat sich Noah doch etwas mehr Wasser gefangen, als gedacht. Irgendwo, in irgend einer Verkleidung, da muss noch ne ganze Menge rumschwappen. Über eine Stunde später ging es dann aber auch echt los. Anstatt der geplanten Abfahrtzeit, zwischen 7 und 8, konnte Richard Noah erst um viertel vor elf auf die Straße in Richtung Moshi bringen. Ob wir heute noch ankommen? Ich glaube nicht daran. Immerhin sind es 850 km, für die man in Tanzania mal mindestens 14 Stunden braucht.

Iringa

Die erste Etappe, von gut 80 km meisterte Noah in eineinhalb Stunden. Die Landschaft ist wirklich wahnsinnig schön, lange sind wir durch ein Tal gefahren, nur nach Iringa mussten wir eine Straße mit Steigung hoch. Links aus dem Fester: Wundervolle Landschaft, Berge, die ich einem Mittelgebirge zuordnen müsste, aber unendlich viele Findlinge darin. Überall diese riesigen Felsen, macht alles schon sehr monumental. Leider auf Bilder nur schlecht einzufangen. Gerade aus: Ein Sattelzug, Zugmaschine der Firma Scania, man hört und riecht das Heulen des Aggregats deutlich, nur mit Müh und Not kommt die Kiste auf 20 Stundenkilometer. Also Blinker rechts, überholen. In diesem Moment musste ich fest an Noah glauben. Der Gute ist ja etwas untermotorisiert, sein Gepäck, bestehend aus fünf Menschen mit entsprechend viel Gepäck, vier Kürbissen, einem Sack Erdnüssen, nem halben Zentner Mangos und Fisch, sowie der immer noch malträtierten Wandlerautomatik sind eigentlich keine gute Kombination, um an einem unübersichtlichen Berg zu überholen, vor allem dann nicht, wenn einem nicht wenige acht- oder noch-mehr-achsige Lastwagen entgegenkommen. Ich schätze mal, dass Noah sehr durstig war, immerhin machte er uns schon einige Zeit mit dem Aufleuchten seiner Tanklampe auf sein Bedürfnis aufmerksam, auf jeden Fall meisterte er mehrere Überholmanöver mit Bravour. Gut gemacht!

Auf dem etwas höher gelegenen Iringa wurde zunächst eine Tränke für Noah angefahren. Ich bin auch noch fix in die Tanke geflitzt um ne Cola zu kaufen und danach zu pinkeln, wer weiß wann wir wieder anhalten würden. Also schnell zurück ins Auto, Türen zu. Nächster Stop: Zehn Meter weiter. Wirklich? Haben wir was vergessen? Haben wir nicht. Drei Brüder raus, ich erstmal etwas ratlos im Auto, die Mutter der Jungs weiterhin auf der Beifahrerseite, wartenderweise. Nachdem der Minutenzeiger schon eine halbe Runde gedreht hatte, ging ich dann auch mal raus, und fragte was los sei. Fragen musste ich nicht, die drei Jungs standen an einem Laden, großes Schild „VodaCom“ darüber. Scheint noch zu dauern, also bin ich mal die Straße hoch, die Straße runter, Thromboseprophylaxe und so. Normales Straßenbild: unzählige Motorräder, Bajajis, einige wenige Autos und LKW der allzeit beliebten skandinavischen Marke. Wer sich übrigens grad fragt, wie es mit Feinstaub und so hier ausschaut: Die Regel „was nicht rußt, hat keine Leistung“ stimmt nicht. Ein Lastwagen, dieses mal ein asiatisches Fabrikat, über Beladung und Grenzwerte wollen wir mal nicht reden, versuchte im Berg anzufahren. Das Getriebe bedankte sich knirschend für das zarte einhämmern des Gangs, beim Lösen der Feststellbremse zischte es für meinen Geschmack zu viel und zu lange, die Karre rollte einige Meter nach hinten, Kupplung millimeterweise kommen lassen und die Dampf- pardon, Rußlok ändert langsam ihre Bewegungsrichtung. Der große Aufdruck „FIGHTER“, quer über die Windschutzscheibe, der passt hier echt gut. Fighter against gravity, das hätte es noch besser getroffen. Beim Vorbeifahren lese ich noch in riesigen Lettern „IN GOD I TRUST“ auf der Heckschürze. Also am Berg vertraue ich lieber genug Leistung und einer funktionierenden Bremse. Scheinbar hier nicht so wichtig. Zum krönenden Abschluss kam dann noch, wirklich Bondfilm-reif, ein schwarzes Bajaji aus der schwarzen Rußwolke, die kaum mehr Sicht auf die Straße talwärts bog, geschossen. Special effect – african style. Sowohl Noah, als auch der, sich immer noch resigniert in seinem Inneren befindliche, Fahrgast waren davon gänzlich unbeeindruckt und wollten glaube ich einfach nur weiter. Nachdem der Zeiger auf dem Ziffernblatt noch ne ganze Runde gedreht hatte, ging es auch weiter.

Kontrolle

Die weitere Fahrt verbrachte ich erst mal schlafend, auch wenn mir die Kürbisse etwas Beinfreiheit nahmen, kann man in Noah dennoch gut schlafen. Seine Rückbank lässt sich schön nach hinten lehnen. Man muss nur etwas gegen einen Sack Mangos, Erdnüsse…. Ihr wisst Bescheid… ankämpfen. Aber dann ist alles schick.

Ich wurde nur Minuten vor einer Kontrolle wach. Wir fuhren auf eine Schrank zu, diese wurde geöffnet und Noah direkt danach von einem offiziell ausschauenden Mann zum Halten gebracht. Richard stieg aus und kam auch kurz drauf wieder, weiter ging die Fahrt. Richard erklärt auch sogleich, dass wir nun in einem Sperrgebiet sind. Keine Fotos erlaubt. Es wird kontrolliert, wie viele Personen in das Gebiet einfahren. Bei diesem Gebiet handelt es sich um den „Mtera Dam“, einem Wasserkraftwerk mit entsprechendem Stausee. Wieso das Gebiet so genau kontrolliert wird? Keine Ahnung, vermutlich aus Angst vor Sabotage oder Terrorismus. Aber das sind echt Schüsse ins Blaue.

Bei der Ausfahrt gab‘s natürlich nochmal ne Kontrolle. Dieses Mal auch etwas genauer. Es wurde ins Auto gelukt, darin: Vier Menschen, die offensichtlich von hier sind, und ich. Also Niklas einmal raus, Pass auspacken, dem Offiziellen unter die Nase halten. Es wurden mehrmals die gleichen Fragen gestellt. Ja, ich bin das erste mal hier, nein ich war noch nie vorher hier, ja ich bin so und so alt, ja ich komme aus Deutschland, ja wir kommen aus dem Süden des Landes. Irgendwie schaute er etwas skeptisch, Richard stand mir auch zur Seite. Irgendwann hatte ich jedoch ein mulmiges Gefühl, ich weiß nicht, ob es an der eingehenden Kontrolle mit den immergleichen Fragen lag, an der plötzlichen Hitze, oder doch an den Sturmgewehren um mich rum. Vermutlich eine Kombination aus allem. Ein freundliches „Welcome to Tanzania!“, in Kombination mit einem herzlichen Lächeln, ließen alle Sorgen verschwinden. Hakuna matata!

Knappe 20 Minuten später: Wieder ein Offizieller, in diesem Falle ein Polizist. Steht winkend auf der Straße, meint wohl uns. Richard bremst Noah und musst auch direkt aussteigen. Ich ahnte schon, wo das Problem lag. Zumindest fuchtelte ein anderer Polizist unter einem Baum mit einer Radarpistole rum. Wie sie das gesehen haben sollen, dass wir etwas zu schnell waren? Kein Plan, meiner Meinung nach fast unmöglich. Aber was soll’s, ist jetzt so. Richard erzählte den Männern scheinbar auch das passende, aber nichts half. Er kam zurück, mit Ticket. Wie viel er zu schnell war, nicht ersichtlich. Es steht nur drauf „zu schnell“, kostet dann 37.500 TSH, gute 15 €, bzw. für ihn wohl eher 24 AU$. Also recht günstig. In Deutschland hätten wir uns wohl noch das nächste Knöllchen abgeholt: Nach der Kontrolle, alle, bis auf die Beifahrerin, wieder raus aus dem Auto, am Straßenrand einmal piseln, der Polizist hält fünf Meter hinter uns die nächsten Autos an. Aber juckt ihn kein Stück. Also alle um etwas Urin, und RIchard noch um etwas Geld, erleichtert wieder in Noahs Innere.

Die weitere Strecke führte uns durch ewige Leere, und das vermutlich größte Funkloch Afrikas. Wenn dir hier was passiert, dann muss erst mal jemand ne Dreiviertelstunde fahren, bevor er überhaupt jemanden anrufen kann. Zumindest hatte ich gut über ne Stunde Null von Vieren, maximal mal ein Residuum eines Bälkchens Empfang.

Dodoma

Wenn ich Dodoma mit einem Wort beschreiben müsste, dann würde dieses Wort „Baustelle“ lauten. Von viertel nach fünf an fuhren wir fast 20 Minuten durch eine riesige Baustelle, hierbei muss hier direkt über den Unterbau gefahren werden, also nicht über asphaltierte Straßen. Alles sehr holprig, Überholmanöver erscheinen dadurch auch nicht zwingend sicherer. Außer, dass Noahs Dach am Ende fast von einer Baggerschaufel aufgeschlitzt wurde, war alles in bester Ordnung. Wenige Minuten später erreichten wir Dodoma.

Dodoma ist die Hauptstadt, auch wenn sie weniger als ein Zehntel der Einwohner von Dar Es Salaam hat, und auch keinen internationalen Flughafen. Wieso es so ist? Weiß ich leider nicht. Allerdings passiert in dieser Stadt mächtig was. Überall Baustellen, teilweise auch sehr moderne Baustellen. Die Stadt wirkt im Großen und Ganzen sauber und aufgeräumt – sofern man das von einer Stadt in Ostafrika behaupten kann. Breite Straßen, große – mal wieder scheinbar regellose – Kreisverkehre, Verwaltungsgebäude. Und unzählige Baustellen.

Kurz nach Ankunft wurde Noah auch schon auf den Parkplatz eines barähnlichen Baus. Darin: Eine große Küche, bzw. eher die hier typische Feuerstelle, dazu noch ein paar Arbeitsplatten auf denen fleißig geschnippelt wurden. Das alles in einer großen Halle, oder eher einem überdachten Hof. Außerdem: Billardtische, tatsächliche eine Bar und unzählige, simpel aber saubere, Sitzgelegenheiten. Ich bestellte ein Gericht, mit dem ich erfahrungsgemäß gut klarkommen würde, Chipsy-Mayai und ein Kilimanjaro logo baridi. Wieder 5.000 TSH, also knapp 2 € günstig. Alles in allem, simpel, einigermaßen lecker, und bauch-safe. Also alles gut.

Um 7 gehts weiter. Uli fährt. Ich nutze die Gelegenheit, um mal zu fragen, bis wohin wir heute fahren. Antwort: „Heading right up to Moshi!“. Oha. Also doch noch so weit. Aber es sind ja nur noch acht Stunden. Mindestens. Aber was soll’s, haben ja zwei Fahrer, ich sitzt gut und trocken, die Kürbisse immer noch zu meinen Füßen, was soll schief gehen.

Eine Sache, die ich noch zu Dodoma erwähnen wollte: Hier sind mir die unzähligen Ambulanzen, also quasi Krankenwagen (Rettungswagen trau ich mich nicht zu sagen), aufgefallen. In keiner anderen Stadt, vor allem Dar Es Salaam oder Songea, aber auch nicht in Mafinga oder Njombe, hab ich so viele gesehen. Die quantitative Versorgung ist hier also deutlich besser. Über die qualitative Versorgung möchte ich kein Urteil fällen, wenn sich allerdings genauso gut und die Patient:innen, wie um die Fahrzeuge gekümmert wird, dann schraubt man am besten die (Rot- und) Blaulichter ab und pinselt die ganze Karre schwarz. Noch ein paar schicke Vorhänge rein, und schon gehts ab zur letzten Tour.

Und weiter gehts, quer durchs Nirgendwo

Uli fährt, heißt im Umkehrschluss: der arme Noah muss etwas mehr leiden. Seine Heckschürze ist mittlerweile ganz lose, wenn Noah ab und an besonders hart über eine Bodenwelle geprügelt wird, dann schlägt das Heck so dermaßen in der Straße ein, dass das Plastik den Boden berührt, an Stellen, an denen es den Boden nicht berühren sollte, und die Plastikklipse, die Noahs Heckschürze an seinem Hinterteil halten sollten, ja die versagen natürlich auch irgendwann ihren Dienst. Also hängt Noahs Gesäß etwas auf halb acht, aber das hält unseren Kämpfer nicht davon ab, uns Minute um Minute weiter gen Norden zu transportieren. 

Es war mittlerweile richtig dunkel, ich habe wohl auch einige Zeit geschlafen. Es ging eine breite, gut ausgebaute Serpentinenstraße nach oben. Ich stelle mir immer noch die Frage, ob es hier sowas wie nen „TÜV“ oder ähnliches gibt. Vorstellen kann ich‘s mir kaum, wenn ich all die uralten und teilweise schrottreifen Lastwägen denke. Einer fuhr sogar im „Hundegang“ vor uns her, so krumm und schief war wirklich alles an dem alten Bock. Andererseits wird mir aber auch wieder klar, wie wichtig die Abfahrtkontrolle ist. Sollte ich jemals in Afrika einen Lastwagen bewegen (dürfen), dann werde ich die, in der Fahrschule oftmals propagierte, und bis zum Erbrechen wiederholte, Abfahrtkontrolle wirklich gewissenhaft machen. Denn wenn dir hier was passiert, dann kann man lange auf Hilfe warten, wenn denn welche kommt. Auf Rettung braucht man nicht zu warten. Hast du nen Unfall und bist eingeklemmt? Dann stirbst du glaube ich mit höchster Wahrscheinlichkeit. Bei einer einfachen Einklemmung der unteren Extremität kannst du dir vielleicht saw-like das Bein selbst amputieren. Mehr aber auch nicht. Naja egal, zurück zu dem, was ich eigentlich erzählen wollte: Scheinbar versagte bei dem ein oder anderen die Bremsanlage beim Bergabfahren. Obwohl der gesamte Lastzug recht modern aussah, das heißt eine dreiachsige Sattelzugmaschine der unbekannten chinesischen Firme, sowie ein dreiachsiger Muldenanhänger, und ich eigentlich davon ausgehen muss, dass die Kiste zumindest drei Betriebsbremskreise sowie eine Dauerbremsanlage hat, hat scheinbar nichts geholfen. Oder der Fahrer, bzw. die Fahrerin hat den Berg falsch eingeschätzt. Zumindest war bei dem Zug auf der anderen Straßenseite der linke Außenspiegel nicht mehr zu gebrauchen, ich schätze nicht, dass der Lastwagen nur Müde war, er wurde einfach nach allen Regeln der Kunst auf die Seite geworfen. Zur „Absicherung“ hat man hier einfach ein einzelnes Warndreieck hingestellt und die Kiste liegen gelassen. Keine Beleuchtung, keine Bergung, nix. Spannenderweise stand das Warndreieck ausschließlich im Gegenverkehr. Eine Warnung, des nachfolgenden Verkehrs, der nach der Kurve direkt in den hingelegten Vierzigtonner reinrauschen würde, hielt man scheinbar nicht für nötig. Ich hab genau geschaut, zwischen Unfallstelle und einem Kilometer weiter, war kein Zeichen der Warnung zu erkennen. Oder es war wieder was sehr spezielles afrikanisches, drei Grashalme im 74,8 Grad Winkel auf der Straße oder so. 

Kurz drauf lag der nächste Zossen auf der Seite, wenn ich mir allerdings die Kiste wieder in den Sinn rufe, dann hätte ich ihn auch vorher schon mit „Vertrauenswürdig: 0/10“ eingestuft. Also kein Wunder. Die Stelle war auch so unübersichtlich, dass man sicherheitshalber gänzlich auf ein Zeichen der Warnung, oder gar Beleuchtung verzichtete.

In der nächsten Stunde passierte, außer der gefühlt 27. Passkontrolle, nix. Wir kamen gut durch, die Straßen waren einigermaßen frei, und bis auf die normalen Bodenwellen und Schwelle frei von größeren, meist mehrachsigen, Hindernissen. 

Durst

Mittlerweile war es schon fast Mitternacht. Noah rollte und rollte immer weiter und weiter, alles schlief, nur ich noch nicht so wirklich. Ich bastelte noch immer am letzten Blogeintrag rum, oder versuchte mit den Menschen zu Hause Kontakt zu halten. Manchmal aufgrund der Empfangssituation aber durchaus schwierig. 

Was mir dementsprechend auch Sorge bereitete, war, dass uns Noah seit etlichen Kilometern auf sein zunehmendes Durstgefühl aufmerksam machte. Die entsprechende Warnlampe wurde gefühlt immer heller und blendender. Jetzt stellt euch mal vor, ihr sitzt in einem Auto, weit weit weg von zu Hause. In einem Land, was ihr zwar seit einigen Wochen kennt, allerdings ne komplett andere Region. Irgendwo auf einer Straße, euch kam schon was länger kein Auto mehr entgegen. Die Tanklampe wird gefühlt immer heller. Und ihr habt keinen Empfang. Wenn ich keinen Empfang habe, hat auch sonst niemand welchen. Sehr schön am immer zeitgleichen Vermelden von neuen Nachrichten nach einem Funkloch. Von allen Telefonen in einer wundervollen Kakophonie. Nach ewigen weiteren Kilometern taucht dann endlich eine 24h-Tankstelle auf. Nur hat der Tag hier scheinbar mindestens 25 Stunden, zumindest hatte die Bude zu. Lichter aus, kein Personal mehr auf der Fläche. Nix. Also weiter. Meiner Meinung nach sind wir in die andere Richtung wieder auf die Straße aufgefahren, allerdings sieht hier manchmal echt alles gleich aus. Meiner Angst vor der liegenbleiben wurde dadurch auch nicht unbedingt besänftigt. Das Einzige, was mich beruhigte, war, dass wir mit unseren Vorräten im Auto mindestens eine Woche überleben könnten.

Die zweite 24h-Tanke taucht auf. Auf den Platz, gleiches Spiel. Alles dunkel, Bordsteine hochgeklappt, kein Sprit zu bekommen. Oder Diesel. Oder Kerosin. Für was hier viele Tankstellen Kerosin verkaufen ist mir immer noch ein Rätsel. Außer Lastwägen, welche meistens mit Diesel, und Autos, Motorrädern und Bajajis, die größtenteils Super brauchen, sind hier nur Eselskarren unterwegs. Ich bin mir nicht sicher, aber mir ist keine Eselrasse bekannt, die Kerosin bräuchten. Flugzeugtriebwerke sind hier etwa so häufig wie Einhörner, also keine Ahnung.

Tanke Nummer drei hat dann auch endlich geöffnet. Noah bekommt seinen Sprit, er ist sicher die letzten Kilometer nur mit Luft und Liebe, in Kombination mit gutem Willen noch gefahren. Alle anderen einmal raus, kurz langmachen, Thromboseprophylaxe, fix zum WC und wieder ab auf die Straße. Uli wurde abgelöst, Richard fährt den Rest.

Moshi

Ich wurde durch Richards „Mosh-Mosh! Welcome home!“ Rufe wach. Ein müder Blick auf die Uhr verrät, dass es fast halb vier ist. Also habe ich mal mindestens drei Stunden echt gut gepennt.

Habe ich erwähnt, dass ich fast vergessen habe, ein Hotel zu buchen? Wobei was heißt „fast“. Eigentlich hatte ich es bis vor fünfeinhalb Stunden gar nicht auf dem Schirm, es wurde mir dann aber brühwarm klar, als ich feststelle, dass die Jungs mitsamt Mama ja in Moshi wohnen. Ich nicht. Heißt: Ich brauch noch was. Mist. Liber meinte dann aber, dass er Jimmy schreibt, der melde sich dann gleich bei mir. Jimmy ist der Tour-Operator und Inhaber der Firma „Gazelle Safari“ in Moshi, mit der ich auf Safari bin, und obendrein noch Libers Chef. Also habe ich glücklicherweise einen kurzen Draht zu Jimmy. Dieser antworte auch bald und bot mir ein Hotel für 30.000 TSH an. Knapp 13 € für ne Nacht, da kann man eigentlich nicht viel gegen sagen. Die Antwort lies etwas auf sich warten, nachdem allerdings nach einer guten Stunde alles in trockenen Tüchern war, fiel auch meine Angst der akuten transienten Obdochlosigkeit von mir ab. Endlich konnte ich schlafen.

Richard lenkte Noah direkt in eine Seitenstraße, die eher an Liulier Straßenverhältnisse erinnerte. Staub, Dreck und Geröll. Mehr hatte ich von Moshi noch nicht gesehen, und ahnte nicht, dass es sich um eine do so moderne Stadt handeln sollte. 

Auf dem Tor zum Hof des Hotels war ein großes Schild zu sehen. Vor allem die unterste Zeile las sich richtig gut. „WiFi free“. Das erste mal WLAN nach Wochen. Der Eine oder die Andere mag jetzt denken „Was ist das fürn Suchti??“, aber ich will euch beruhigen. Im Endeffekt ging es mir dabei nur um meine Bilder. Meine Fotomediathek auf dem Handy vermeldete, dass knapp über eintausend Bilder auf den Upload in die iCloud, und somit auf den Schutz vor Verlust warten. Normalerweise werde ich schon nervös, wenn ich nicht zweimal am Tag ein Backup von allem machen kann. Hier sind’s jetzt schon mehr als vier Wochen. Die Mediathek am iPad möchte übrigens weit über zweitausend Bilder loswerden. Außerdem: Je mehr WLAN, umso mehr Bilder wird es hier geben. Macht euch schon mal auf einen riesigen Schwall an Bilder parat, sobald ich wieder zu Hause bin.

Scheinbar hat Liber seinen Chef angerufen, der kommt nämlich nach wenigen Minuten auf den Hof gefahren. Eine Sache noch: Wie bekomme ich ein Tor auf, an dem keine sichtbare Klingel ist? Das Hotel sieht nicht so aus, als ob dort dauerhaft jemand wach wäre. Ganz einfach. Einfach auf die Hupe hauen und so lange Hupen, bis sich das Tor öffnet. Schon bisschen verrückt alles.

Leider ist es an der Zeit, mich von Noah zu verabschieden! Danke Kumpel, dass du uns so gut von Liuli bis nach Moshi gefahren hast. Hast Schlamm und Schlaglöcher mitgebracht, musstest durstig sein, hast uns aber dennoch überall hin gebracht! Wurdest manchmal etwas hart rangenommen, aber auch das hast du professionell weggesteckt. Mach‘s gut…

Mein Kram wird ins Zimmer getragen, am nächsten Morgen will mich Jimmy um zehn abholen. Dann machen wir alles wegen meiner Safari klar. Viel umgeschaut hab ich mich nicht mehr, ich bin wirklich einfach direkt ins Bett. Schlafsack raus, Mosquitonetz runter, Zähne putzen, pullern und ab ins Bett. 

Lala Salama Moshi, morgen sehen wir uns wieder!

Mittlerweile bin ich nicht mehr in Moshi sondern schon auf Safari. Um genau zu sein an meinem Schlafplatz in Mto wa Mbu. Ich hab echt viel gesehen und erlebt, bin aber leider echt viel und lange unterwegs, deshalb kommen die nächsten Eintrage alle mit etwas Verzögerung. Tut mir leid!

Ankunft

Doctor‘s House, Liuli, Tanzania // 12:00 Ortszeit

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass die Nacht, trotz der direkt daneben liegenden Disko, deutlich besser war als erwartet. Auch wenn sich sicher nicht an irgendwelche Lautstärkegrenzwerte – vorausgesetzt sowas gibt es hier – gehalten wurde, und es wirklich meinen Raum durchschüttelte bis in den frühen Morgen, war die Nacht sehr angenehm. Ich wurde von keinem Krabbeltier gebissen, auch musste ich erfreulicherweise die Toilette nicht nutzen.

Mein Treffen mit Gift, dem hospital secretary, war geplant um 6:20. Also vorher aufstehen, versuchen zu duschen. Leider passierte überhaupt nichts als ich den Hahn in diesem Bad umdrehte. Also musste doch der Kübel mitsamt Schöpfkelle, eigentlich gedacht um die Toilette zu spülen, herhalten. Aus Wassermangel wurden die Haare ausgelassen, wenige Minuten später war ich dann halbwegs frisch gewaschen fertig und konnte meine letzten Sachen zusammenpacken. Beim Zusammenlegen meiner Jacke, welche ich unter mein Kopfkissen legen musste (scheinbar ist die Hausstaubmilbenbelastung in diesem Bett so hoch, dass meine seit Jahren stille Allergie zurück kam), klopfte es fünf Minuten vor der vereinbarten Zeit an meiner Tür. Sehr pünktlich dieser Mann. Schnell mein Zeug zusammengepackt, aufgesperrt, Sachen ans Taxi getragen, nochmal alles kontrolliert, eingestiegen und schon düste der Fahrer los zum Busbahnhof. 15.000 TSH (ca. 6€) ärmer, aber sehr schnell am Ziel, wurden wir abgeladen. Ich bewachte das Gepäck während Gift im Getümmel verschwand. Ungefähr eine halbe Stunde später rollte unser Bus auf den Platz. Immerhin, kein uralter Zossen. Wirkt sogar recht modern, drei Achsen, recht hoch, Reisebus. Wird sicher gut. Gift holte mich ab, die drei Kisten für‘s Krankenhaus und mein großer Reiserucksack wanderten recht lieblos in den Gepäckraum und wir bezogen unsere Plätze. Zweite Reihe, ich am Fenster, guter Blick nach vorne. Ledersitze, ziemlich im Eimer, Beinfreiheit (selbst für meine 173 cm) gleich null, aber mit Schiebefenster. Die Fahrt kann starten. Meine Frage, ob wir dann in vier Stunden, wie geplant, ankämen, wurde mit einem kleinen Lacher verneint. Mit dem Auto vier Stunden. Mit dem Bus mindestens das doppelte. Darauf hin noch schnell antikoaguliert, sicher ist sicher und schon setzte sich unser Gefährt mit dem unablässigen Betätigen der ziemlich lauten Drucklufthupe in Bewegung.

Unser erstes Zwischenziel sollte Mbinga sein. Zwei Stunden waren geplant dort hin. Im Endeffekt haben wir nur etwas länger gebraucht. Unserer erster Fahrer, ein recht schmächtiger Mann mit Kaputzenpulli fährt. Oder besser gesagt: Er überholt. Er überholte wirklich alles und jeden, keine Sicht über die nächste Kuppe, keine Sicht um die nächste Kurve, keine Sicht am Lastwagen vor uns vorbei. Aber egal, drauf auf die Hupe, runterschalten und mit Vollgas vorbei. Spannenderweise überlebten wir allesamt. Die Sache mit den Kaputzenpullis ist recht spannend: Oftmals wurden Fenster geschlossen, weil es doch noch viel zu kalt wäre. Kann ja heiter, werden dachte sich mein jetzt schon schwitzendes Ich. Spätestens alle zwei Minuten stoppte der Bus am Wegesrand, es stiegen entweder Menschen ein, alternativ wurden Säcke oder Eimer oder Post eingeladen. Nach ca. zwei Stunden rasanter Fahrt erreichten wir Mbinga.

In Mbinga scheint wohl eine Art Umsteigeplatz zu sein. Der Hof, auf welchen wir draufrollten, war prall gefüllt mit mehr oder minder schrottreifen Bussen. In einige wenige würde ich auch einstiegen, allerdings würde sicher keiner mehr irgendeine europäische Sicherheitskontrolle bestehen. Aber glücklicherweise sind wir ja in Afrika, Tanzania, Mbinga, irgendwo in der Rumuva-Region, unendlich weit von zu Hause entfernt, gelandet. Gift sagt mir, hier würden wir eine Frühstückspause einlegen. Also Rucksack aufgesetzt, raus aus dem Bus und Gift nach. Dieser holte sich direkt zwei Suppen, eine scheinbar mit Fleisch, Knochen und Innereien, die andere mit Bohnen, Bohnen, Bohnen und etwas Speck. Beides, unter anderem in Hinblick auf die bevorstehenden Stunden, eher ungeeignet. Dem Jungen neben mir wurde ein köstlich aussehendes pfannkuchenartiges Gepäck gebracht, ich verlangte direkt zwei davon: Tatsächlich Pfannkuchen, sogar unglaublich leckere! Dazu bekam ich noch eine Tasse äußerst schmackhaften Tee und löhnte wahnwitzige 700 TSH (ca. 28 cent). Nach 90 Minuten inclusive Toilettenbesuch kündigte die Hupe baldiges Abfahren an. Einsteigen, weiter geht‘s.

Jetzt fährt ein anderer Mann. Zwar überholt er weniger, dafür fährt er aber signifikant schneller. Das wenige Überholen ist aber auch eher dem abnehmenden Verkehr geschuldet. Verkehrsberuhigunge Bauwerke, wie wirklich wirklich böse Schwellen in der Straße, werden ebenso ignoriert und mit Karacho überfahren wie Fußgängerüberwege oder dergleichen. Auch wenn alle Überwege auf einem kleinen Plateau liegen, und wir dementsprechend immer aus dem Sitz gehoben wurden, wurde sicher nicht vom Gas runter gegangen. Sollten Fußgänger dort stehen, dann wurde – oh Wunder – einfach gehupt und vorbeigefahren. Standen Fußgänger allerdings an der (oftmals nicht markierten) richtigen Stelle, so wurde natürlich ebenfalls gehupt, angehalten um sie einsteigen zu lassen. Natürlich wurden auch hier ab und an nur Säcke oder einfach rohe unverpackte Fische mitgenommen. Alles normal. Bei der Abfahrt, wurde natürlich auch wieder die Hupe genutzt. Ohne diese geht hier nix. Interessant war das Entertainment im Bus. Bei Abfahrt lief noch etwas zu laute lokale Musik samt Musikvideos. Trotz 90% Lautstärke meiner Black-Metal-spielenden Kopfhörer, war die Musik noch deutlich zu hören. Der neue Fahrer entschied sich scheinbar für einen Film. Für den Rest der Fahrt wurden also Low-Budget Kurzfilme gezeigt, allesamt aus türkischer Produktion aber in Swahili „synchronisiert“. Die Synchro funktioniert scheinbar so, dass ein paar Jungs den Film nehmen und sobald jemand redet (egal ob männlich oder weiblich), die Tonspur komplett abschalten und das Gesprochene in ihr Mirkophon sprechen. Das Mikrophon ist scheinbar aus einer Dose, einem Gummi und einem Stück alter Telegraphenleitung selbst gebaut, andernfalls ist die Tonqualität nicht zu erklären. Das Ausblenden des Tons führt teilweise zu lustigen Tonschnipseln: So dröhnte ab und zu ein Hubschrauber, ein abstürzender Düsenjäger, eine Disko oder gar eine Schießerei durch unseren Bus, ununterbrochen von der „Synchronisation“ und natürlich der gequälten Hupe unseres Busses. Die weiter Fahrt wurde nur kurz durch ein Schild unterbrochen, welches befahl, nicht mit mehr als 3,5 Tonnen Gesamtgewicht durchzufahren. Der kommende Streckenabschnitt wäre keinesfalls dafür ausgelegt. Wenige hundert Meter nach dem Schild erschien rechts ein Gebäude, vor dem Gebäude eine Achslastwaage. Dies zeigt für die Vorderachse knapp acht Tonnen, für die zweite Achse samt Schleppachse ungefähr zwölf Tonnen. Ein Offizieller schaute sich die Zahlen an, nickte freundlich und schon ging es, mit nur 16,5 Tonnen zu viel, auf die, für uns eigentlich gesperrte, Straße. Bis Mbomba-Bay verlief die Fahrt meinerseits hauptsächlich schlafenderweise, in Mbomba-Bay wurde der nächste Stopp eingelegt.

In Mbomba-Bay verschwand Gift mit einem Umschlag samt Geld. Dieser Umschlag war wichtig für meine Arbeitserlaubnis. Nachdem dieser abgegeben wurde holte ich mir noch etwas zu trinken, Gift eine Portion Pommes, ich mir die köstlichste Banane des Universums (für 100 TSH, also vier Cent), und es wurde wieder fleißig umgestiegen, umgepackt, ein- und ausgeladen. Gift sagte mir bereits, dass der nächste Abschnitt „a little bit ruffer“ werden würde. Mit „a little bit“ habe ich ja seit gestern meine Erfahrungen, ich stellte mich also auf Wildes ein.

Jetzt fährt wieder ein anderer. Nennen wir ihn mal Walter Röhrl. Er muss sicher Rallyefahrer sein, andernfalls kann ich mir die wahnwitzige Geschwindigkeit, sowie das skrupellose Steuern unseres 20-Tonners in Menschenmengen wirklich nicht erklären. Auch jedes Schlagloch wurde scheppernd mitgenommen, der Bus rutschte, lief am Hang quer und wurde wieder in die Spur gezogen. Jetzt erklärt sich mir auch, wieso die Spur des Busses so dermaßen verstellt ist. Wenn dieses arme Gefährt jeden Tag diese Tortur mitmachen muss, dann wird einiges klar, umso weniger möchte ich die Radaufhängung von unten sehen. Nach wenigen Minuten wurde unsere Fahrt von einem sehr schlammigen steilen Berg gestoppt. Der Bus hielt, Feststellbremse rein, Tür auf, alles aussteigen und zu Fuß den Berg hoch. Der Bus sollte direkt folgen. Dies tat er auch, zumindest die Hälfte der Strecke, dann ging nix mehr. Weder vor, noch zurück. Im Schlamm eingegraben, da konnte unser Walter machen was er wollte. Ratlos stand ich da, und wusste nicht ob wir helfen gehen sollte zu schaufeln oder zu schieben. Aber was will ich bei 20 Tonnen am Berg machen, außer später tot darunter zu liegen? Im Sinnieren überholte mich ein sandgelbes großes Etwas. Einen Moment brauchte ich schon, um den Grader der Firma CAT zu begreifen. Ich hab hier wirklich mit allem gerechnet, aber nicht hiermit. Eine viertel Stunde später standen Bus und Grader vor meiner Nase, gerade so im Ebenen, dass der Bus wieder anfahren konnte. Also allesamt einsteigen, sich‘s gemütlich machen und weiterfahren. Weit gefehlt. Ca. 300 m später hielt der Bus wieder. Feststellbremse. Tür auf. Alle raus. Vor uns ein Hand, unten am Hang eine deutlich zu schmale Brücke, darunter arbeitende Männer welche ein Rohr installieren sollten. Zu Fuß war die Brücke kaum gefahrlos zu überqueren, so rutschig war es und so tief sanken wir ein. Schnell kamen ein paar Männer mit Schaufeln, es wirde eifrig versucht de Brück notdürftig zu verbreitern und die Schlammlöcher etwas ebener zu bekommen. Half alles nichts, wir mussten warten. Kein Empfang, einen Fahrer aus Liuli rufen war also auch nicht drin. Nach einer Ewigkeit kroch der Bus langsam den Berg hinab. Vor der Brück erneutes stehenbleiben, schauen, erster Gang und mit Gas über die Brücke. Das selbst Walter die Schweißperlen auf der Stirn standen deutete eindeutig auf den Ernst der Lage hin. Oder ob es der seit einiger Zeit zusehende Polizist war, welcher ihm die Schweißperlen auf die Stirn trieben? Keine Ahnung. 20 Meter weiter durften wir dann wieder alle in unseren noch vollständigen Bus einsteigen. Weiter lief der wilde Ritt. Die nächsten zwei Stunden waren geprägt von weniger gehupe (außer natürlich alle zwei Minuten an einer „Haltestelle“ aka. Baum), etwas gerutsche, viel viel Vollgas und viel Kurbelei am Lenkrad seitens Walter. Auch wenn ich mein Leben mehrfach an mir vorbeiziehen sah, kamen wir dann endlich gegen 16:30 Uhr in Liuli an.

Die vierte Haltestelle in Liuli gehörte uns. Aussteigen, nach längerer Sucherei wurde dann auch mein Rucksack unter drei großen, zentnerschweren Säcken (wohl mit Kartoffeln gefüllt) gefunden. Für 1.000 TSH wurde mein Rucksack auch zum Doctor‘s mittels Mopped gebracht. Die drei anderen Famulant:innen erwarteten mich schon freudig. Der Weg zum Doctor‘s House verlief durch den Ort, 10 Minuten Fußweg. Zuerst brachten wir die Kisten mit der Medizin in die Krankenhausapotheke, dann mich ins Doctor‘s House.

Alles weitere zur Ankunft, zum Doctor‘s House und dem Krankehaushaus wird etwas später kommen, jetzt muss ich leider mit den drei anderen ein Bier trinken gehen. Also dann, bis später!

Edit: Die Nacht war sehr entspannt, endlich angekommen. Allerdings ist die Versorgung mit Internet etwas schwieriger, deshalb kann ich mich wohl nicht mehr jeden Tag melden. Über das Krankenhaus schreibe ich die Tage!

Der erste Tag in Dar Es Salaam

Im Hotel, Dar Es Salaam, TZA // 22:30 Ortszeit

Die erste Nacht war recht kurz aber erstaunlich gut. Wach wurde ich von dem allgemeinen Verkehrslärm, von Hitze und dem recht unsanften Einsortieren von Besteck und Geschirr in die außen liegende Spüle, welche sich direkt vor meinem Fenster befindet. Nach dem Duschen (und dem besorgen von Trinkwasser zum Zähneputzen) habe ich mich dann ans Frühstück gemacht. In einem kleinen Raum unterhalb meines Zimmers wurde Weißbrot, allerhand Marmelade, undefinierbares Heißen in einem Wärmebehälter und kleine Kuchen gereicht. Da ich meinen Bauch nicht schon am ersten Tag überfordern wollte, hab ich mich dann für‘s Weißbrot mit Marmelade entschieden, dazu ein Küchlein (welche übrigens exakt so aussehen und schmecken wie die selbstgemachten „Fassenachtskichelscha“ aka. Berliner von Oma) und einen Saft einer mir unbekannten Frucht. Oder Früchte? Keine Ahnung, was soll‘s, geschmeckt hat‘s auf jeden Fall.

Nach einer kurzen Pause habe ich mich dann an Weston gewendet, er hat mir ein Bajaji organisiert welches mich für 20.000 TSH (ca. 8€) die knapp 15km in die Innenstadt gebracht hat. Alles was ich gestern zum hiesigen Verkehr geschrieben hab wurde definitiv um Lichtjahre übertroffen. Dass Verkehrszeichen hier deutlich weniger Bedeutung haben als zu Hause war mir zwar bewusst, aber spätestens nachdem wir mit unserem Gefährt über eine rote Ampel geschossen sind bei der auch nur sechs weitere Spuren kreuzten wurde mir absolut klar, dass es sich hierbei maximal um Vorschläge (aber keinesfalls um Anweisungen) handeln kann. Auch wurde durch einige sehr offiziell ausschauende Männer versucht der Verkehr zu regeln, wobei ich mir im Nachhinein nicht sicher bin, ob sie es wirklich versuchten, oder nur bemüht waren nicht selbst überfahren zu werden. Die Fahrt endete sehr abrupt an einer Kreuzung mit den Worten „The city-center my friend“, ich rückte die Kohle raus und schon zischte mein Gefährt samt Fahrer schon ab.

In der Innenstadt angelangt bin ich erst mal ohne Ziel losgestiefelt. Und wenn ich „gestiefelt“ schreibe, dann mein ich das auch so. Aufgrund meiner geplanten weiteren Reise habe ich wirklich festes Schuhwerk dabei, ich bin immer noch heil froh, diese Schuhe heute in der Innenstadt getragen zu haben. Entweder kennen die Menschen welche hier wohnen jeden Kieselstein oder haben Bänder wie Drahtseile, andernfalls ist ein unbeschadetes gehen hier kaum möglich. Die Qualität der Wege ist so wechselhaft, hier kann man Pflastersteine, Asphalt, Staub, Gestrüpp, kleine Steine und große Steine auf einem Weg haben, alles innerhalb weniger Meter und natürlich wahlweise mit Flüssigkeiten aller Art und super viel Unrat. Der Killer für jedes Außenband welches nur die Münchner sowie Hunsrücker Straßen gewohnt ist. Jedenfalls sind Stiefel für mich hier geeignet, alle anderen Menschen hier schwören auf Flip-Flops.

Tatsächlich habe ich neben Deodorant (welches man hier tendenziell nur in Apotheken bekommt) auch etwas Essbares auftreiben können. Wobei „auftreiben“ eigentlich die falsche Vokabel ist. Hier wird wirklich an jeder Ecke etwas angeboten, oftmals kann ich erahnen was es ist, möchte aber meinen Bauch noch nicht allzu viel zumuten. Nachdem ich an der was-weiß-ich-wie-vielten Fritteuse (also fettgefülltem Blecheimer mit Feuer drunter) vorbei gekommen bin überkam mich doch die Lust. Was wird hier angeboten? In einer Art Auslage wird Fleisch, etwas pommesartiges und etwas krautartiges angeboten. Ich entscheide mich für das pommesartige, bezahle 2.000 TSH (ca. -,80€) und bekomme eine richtig dicke Tüte voll sehr gut schmeckender Pommes mit sehr leckerer Soße bis jetzt unklarer Art. Eine Flasche Limo für 1.000 TSH hole ich an einer anderen Ecke und so gehe ich zu einem schattigen Platz um mein Mahl einzunehmen. Erst später stelle ich fest, dass ich wohl gerade gegenüber eines Krankenhauses bin, Menschen in Klinik-Dress lassen mich stutzig werden, der anfahrende Krankenwagen bestätigt meinen Verdacht.

Kurz zum weitern Aussehen in der Stadt: Alle Elektriker oder solche die es noch werden wollten sollten einfach die folgenden Bilder übersprungen.

Weiter gehts in Richtung Wasser. Das Meer ist ganz nah. Irgendwann erreiche ich auch einen Zaun, von dem aus das Wasser zu sehen ist. Der Straße folge ich ohne großartig darüber nachzudenken in eine Richtung, der immer stärker werdende Geruch nach Fisch deutet auf die Nähe eines Fischereihafens oder -Markts hin. Also dem Geruch nach und nach wenigen Minuten erreiche ich dann auch den Fischmarkt. Hier muss Jean-Baptiste Grenouille geboren worden sein, dieser Fischmarkt erinnert mich wirklich stark an das, was Patrick Süskind in „Das Parfum“ beschrieben hat. Und wieder bin ich wirklich froh mit meinen Stiefeln. Ich finde mich zwischen Styroporboxen mit wirklich frischem Fisch und wirklich altem, verwesenden Fisch, Schlachtabfällen, Blut, unzähligen Menschen und wahnsinnig vielen Mücken wieder. Ganz kurz kommt mir der Gedanke zum Erregerspektrum an diesem Ort in den Sinn und stelle dann einfach fest: Alles. Hier gibts wohl wirklich alles. Allerdings muss man sagen, dass der Geruch hier nicht am intensivsten war. Es muss einen Ort geben, von dem aus dieser wirklich intensive Geruchsmix ausgeht welcher mir immer wieder in die Nase getrieben wird. Kaum gehe ich um die Ecke entdecke ich es. Ein Gebäude, darunter dicht an dicht Menschen die Kochen, Menschen die Fischgekröse ausnehmen, eben dieses Fischgekröse überall auf Tischen und Boden, Blut, Mücken und frischem Fisch. Auch gibt es hier allerlei „Beilagen“, wie Gemüse, Wurzeln, Obst, Mais und dergleichen. Vieles davon schaut auch gut aus, leider wird alles von dem wirklich krassen Geruch übertüncht. Hier war ich dann wirklich froh, dass ich schon einige wirklich eklige Gerüche aufgrund meiner Arbeit in die Nase bekommen habe, allerdings wäre eine etwas schlechter funktionierende Nase an dieser Stelle sicher hilfreich gewesen.

Achtung, gefühlt Fakten incoming:
Der Verkehr besteht zu ca. 30% aus Motorrädern, 30% Bajajis, 25% „kaum“ überfüllten Bussen, der Rest setzt sich zusammen aus Autos, Handkarren, LKWs (deren Fahrerinnen und Fahrer eine sehr spannende Auffassung von Ladungssicherung haben) und vereinzelten Fahrrädern. Auch gibt es mehrere Linien eines offiziellen Schnellbus-Netzes, die Haltestellen und Wege hierfür sind extra gebaut und es scheint auch echte Buslinien zu geben. Bei den anderen Bussen, welche deutlich kleiner und nicht blau sind, hat man oft den Eindruck, dass der Besitzer einiges von sich preisgibt und den Bus wirklich nach seinen Vorstellungen gestaltet. So sind Busse mit gesprayten Gebeten, mit ausfüllenden Bannern von Fußballprofis und -Mannschaften, Jahreszahlen, Drohungen (?!) und allen Kombinationen aus all dem und noch viel mehr an mir vorbeigerauscht. Was mir allerdings nicht klar wurde, wie ich erkennen kann, wohin ein Bus fährt. Es ist und bleibt mir ein absolutes Rätsel, wie dieses System funktionieren soll. Es steht auf jeden Fall fest, dass zwei Menschen benötigt werden: Eine:r fährt, eine:r an der Tür. Erstere:r ist vermutlich vom Teufel besessen, kennt am Bus vor allem die Hupe sehr genau und hat auch wenig Skrupel mit Vollgas in Menschenmengen reinzurauschen, es hat alles funktioniert, niemand wurde überfahren und es waren immer noch mindestens 10 mm Luft zwischen Bus und anderen Verkehrsteilnehmenden, welche scheinbar alle weniger Rechte als Busse haben. Zweitere:r steht an der Tür, haut aufs Blech wenn ein Fahrgast kommt, lässt wieder anfahren wenn der Fahrgast nur noch wenige Schritte vom Bus entfernt ist und kassiert am Ende auch ab. Ein „voll“ gibt es auf jeden Fall nicht, ebensowenig gibt es Haltestellen und die Sache mit den Linien wird mir wohl für immer ein Rätsel sein.

An einem blauen Busse entdeckte ich jedoch, dass er wohl Richtung „Fire Station“ fahren würde. Also Handy raus, Maps auf, ist nur wenige Minuten entfernt also ab da hin. Meine Erwartung war zwar nicht sonderbar groß aber unspektakulären hätte es kaum sein können. Ein unscheinbares Gebäude, durch das offene Tor konnte man in den Innenhof sehen, dort standen zwei rote Fahrzeuge welche allerdings eher ausgemustert aussahen, weitere Fahrzeuge waren nicht auszumachen. Auch schien es nicht so, als ob sich hinter den drei geschlossenen Toren noch Feuerwehrfahrzeuge verstecken würden.


An dieser Stelle möchte ich noch das Ambulanzfahrzeug mit erwähnen, welches ich vor dem oben genannten Krankenhaus entdeckt habe. Scheinbar sind diese Transporter direkt den Krankenhäusern angegliedert, nirgends konnte ich etwas offizielles erkennen.

Etwas enttäuscht entschied ich mich den Heimweg anzutreten, die Uber-App half mir ein halbwegs vertrauenswürdiges Bajaji zu finden und 10 Minuten später rollte ein rotes Gefährt vor. Die Fahrt sollte doppelt so lange dauern wie der Hinweg, es war allerdings nur ein Kilometer mehr Strecke. Der Verkehr war schuld. Verkehrszeichen haben hier scheinbar keinerlei Bedeutung. An vielen fahrbaren Untersätzen sind Unmengen an bunt blinkenden Lichtern verbaut, scheinbar ohne Bedeutung. Wenn jetzt eine Ampel bunt blinkt…. Egal. Alles was zählt ist hupen und Vollgas. Ich musste einige Male den Atem anhalten aber mein Fahrer kannte sein Gefährt. Vor allem von der Bremsleistung und vom Wendekreis bin ich immer noch überrascht, mit kurzem Tankstopp wurde ich sicher am Hotel abgegeben. Für 13.000 TSH (ca. 5,20€) fast eine Stunde unterwegs, 15 Kilometer weit? Absolut super! Mit etwas Glück wird sowas auch demnächst an meinen Lieblings-Konzertlocations eingeführt, beim Teilen des Fahrpreises durch zwei würde sich richtig Geld sparen lassen. Wobei man wohl auch zu acht in einem Bajaji fahren kann. Heute gesehen. ABer für deutsche Verhältnisse WÜrde das den Rahmen schon sprengen.

Jetzt bin ich im Hotel, habe eben ein wenig telefoniert und werde gleich noch mehr telefonieren. FaceTime hilft wirklich sehr, sich hier nicht komplett allein und so weit weg von zu Hause zu fühlen, wie es in Wirklichkeit ist. Alles in allem muss man jedoch sagen, dass die Menschen hier alle wirklich freundlich sind und man auch echt den Eindruck hat, dass hier viel mehr gelacht wird aus im harten Bayern oder aufm Hunsrück. Morgen wird sich erst mal etwas ausgeruht, am Freitag morgen geht‘s wieder ab zum Flughafen, weiter nach Songea. Bis dahin.

Gute Nacht.

Frankfurt

Wecker um 1, Abfahrt halb 2, um 4 in Frankfurt. Erst den großen Rucksack abgegeben – problemlos. Dann beginnt die Odyssee. Aufgabe: US-Dollar besorgen. Man sollte meinen, sowas wäre am größten deutschen Flughafen Problem möglich, wer auch der Annahme ist täuscht sich leider gewaltig. Keine Reisebank hat geöffnet vor 6, alle Geldautomaten mit Fremdwährungen haben „diese Währung aktuell leider nicht vorrätig“ und das weder in Terminal 1 noch 2. Egal.

Der Security Check-In ruft. Wenn man jetzt als absoluter „Vielflieger“ diverse Dinge beachten würde, dann würde man sicher auch nicht nochmal gefilzt werden. Wenn.

Es ist 20 vor 7, das Boarding ist vorbei und wir sollten anfangen zu rollen. In Amsterdam müsste ich dann wirklich auch Dollar besorgen, ob‘s funktioniert? Keime Ahnung, aber wir werden sehen.

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